Montag, 18. April 2005

Arthouse

Liebe Cineasten!

Das Wort "Arthouse" habe ich in meinem Kursbuch für Neudeutsch gelernt, das kostenlos in allen Kinos und Mensen unter der irreführenden Bezeichnung M-Magazin aufliegt. Da ich nach deren Diktion ziemlich "old school" bin, checke ich jetzt - als Gegenmaßname - jede Woche die coolsten neudeutschen Wörter aus. In der DVD Sektion erfahre ich also, dass die Filme, die ich im DAS KINO sehe, zur Kategorie "Arthouse" gehören. Wessen "Art" (des Regisseurs?) und "House" (des Kinobetreibers?) damit gemeint sind, entzieht sich meiner Kenntnis.
Jedenfalls war ich in letzter Zeit wieder brav unterwegs und habe mir einige Filme angesehen, die in diese Kategorie passen könnten. Dabei fiel mir auf, dass sich auch hier eine eigene Gruppe von Versatzstücken herauszubilden scheint, ähnlich der, die wir alle schon zur Genüge aus dem Massenkino kennen. Während dort schon vorher klar ist, dass Bruce Willis wieder einmal zwei Stunden barfuss über Glasscherben laufen wird, bis er alle Terroristen abknallt, kann ich mich hier ebenfalls schon auf gewisse Dinge verlassen: das Sozialdrama mit offenem Ende, der unheilbare Kranke, der am Ende stirbt, das kleine verwaiste Kind, das eine Vaterfigur findet etc. Während die schauspielerischen Leistungen konsistent hoch sind, flachen die Geschichten immer mehr ab. Dieses so genannte alternative Kino oder Kunstkino, wird immer mehr zu einem eigenen etablierten Genre, das wie der große Bruder unter der Redundanz der Stoffe leidet. Vielleicht sollte ich ein paar Beispiele bringen.
Million Dollar Baby war die herbste Enttäuschung. Drei Teile Rocky als Frau plus ein Teil unheilbar Kranke, die am Ende stirbt, ergibt (rein handlungs- und ideenmäßig gesehen) einen superflachen Film, der nur durch die Größe der Schauspieler und die hervorragende Produktion gerettet werden. Boxfilme gehören ja mit zum Dünnsten und Dümmsten, was sich Drehbuchautoren je haben einfallen lassen. Eigentlich gibt es nur eine mögliche Handlung und ich erspare mir hier die Details. Den finalen Sieg durch ein bereits klischeehaftes Arthouse-Ende (Philadelphia, My Life without Me, Mar Adentro etc.) zu ersetzen, mag ja manchem als Geniestreich vorkommen.
Maria, llena eres de gracia ist auch sehr bemüht dem Arthouse-Standard gerecht zu werden. Dieses Mal ist es ein Sozialdrama mit offenem Ende, das beim Sundance Filmfestival den Publikumspreis gewann. Die Schauspieler sind wieder gut und die Geschichte ist wieder sozialkritisch bla bla bla, aber eigentlich bleibt da auch nichts wirklich in Erinnerung.
Sideways hingegen fand ich extrem witzig. Komödien haben den Riesenvorteil, dass sie mit Klischees herumspielen können und dieser Umstand der Geschichte eher hilft als schadet. Als überzeugter Rotweintrinker war ich für diesen Streifen sowieso prädestiniert, aber ich vermute, dass er auch für Bier- und Limonadenfreunde funktioniert.
Zum Abschluss möchte ich zum Ausgleich noch ein paar Filme aufzählen, die mir wirklich gut gefallen haben: Lost in Translation, Lantana, Whale Rider, Crouching Tiger & Hidden Dragon, Frida, City of God, Amores Perros (parts of it) und Todo sobre mi madre, um nur einige zu nennen. Jetzt könnt ihr über mich herfallen und nachweisen, warum auch hier nur Klischees vorkommen.

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3 Comments:

At 18. April 2005 um 12:16, Anonymous Anonym said...

Y tu mama tambien! den gesehen? ein film wie ein ogr (oder was der shrek halt ist) - viele schichten.

 
At 18. April 2005 um 12:48, Anonymous Anonym said...

Nun, LOST IN TRANSLATION ist ja natürlich einer der wunderbarsten Filme, die es gibt - 6x im Kino gesehen, 2x daheim auf DVD (bis jetzt). Nun müssen wir aber mal über den Begriff "Arthouse" reden - PHILADELPHIA beispielsweise ist eigentlich gar kein solcher, ebensowenig wie der MILLION DOLLAR BABY. Die Arthouse-Filme heissen so, weil sie eigentlich nur in auf Kunstfilm abonnierten Lichtspielhäusern gezeigt werden, nicht aber in den grossen Mainstream-Kinos. Jaja, genau wie das DAS KINO - die zeigen ja auch hauptsächlich Filme, die anderswo nicht laufen. PHILADELPHIA et al. sind aber durch alle Cineplexxe der Welt gegeistert und stammen direkt aus der Mainstream-Fabrik Hollywoods - sind also keine Arthouse-Filme. Wie so oft bei Genres verschwimmen natürlich die Grenzen, vor allem, wenn der Begriff schon vor Jahrzehnten eingeführt wurde. Anyway, auf deiner Liste stehen ein paar Filme, die ich mir auch noch ansehen muß!

 
At 20. April 2005 um 20:48, Anonymous Anonym said...

Lieber Kollege Schwarz!

Vielen Dank für den Hinweis. An dieser DVD bin ich schon 100mal vorbeimarschiert und habe sie dann doch nie genommen. Beim nächsten Mal wird zugegriffen! Ich bin für jeden Tipp in dieser Richtung dankbar.

Lieber Kollege Genzel!

Danke für die Aufklärungsarbeit. Während ich als unwissender Zyniker einfach alles schlecht mache, das mir in die Hände kommt, versuchst du wenigstens deinem Volksbildungsauftrag nachzukommen.

 

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