Freitag, 23. Juni 2006

Guess Who's Back

Liebe Inspirierte!

Heute hatte ich ein so ungewöhnliches Erlebnis, dass ich unbedingt darüber schreiben muss. Nichtsahnend saß ich am Vormittag bei der J.M. Coetzee Tagung unseres Fachbereichs im Publikum und lauschte den Vorträgen und Diskussionen. Plötzlich fiel mir mein Onkel ein, der mir, meiner Mutter zur Folge, sehr ähnelte, als er noch am Leben war. Ich hatte trotzdem nie das Bedürfnis ihn näher kennenzulernen. Er war Pfarrer von Beruf und lebte weit genug weg, um nicht leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar zu sein. Und, wie gesagt, ich wollte auch gar nicht. Heute Vormittag hatte ich aber nicht nur die Idee, sondern auch den Wunsch, ihn direkt anzusprechen. Ich holte also meinen Block heraus und fing an zu schreiben. Im Hintergrund liefen die Vorträge und die Diskussion weiter und irgendwie strömten mir ständig Ideen, Stichworte und Konzepte zu, die ich unmittelbar brauchen konnte. Was mit ein paar Sätzen anfing, verwandelte sich plötzlich in ein obsessives Schreiben. Während ich früher oft Stunden brauchte, um ein paar Zeilen eines Gedichts hinzubekommen, kam ich heute fast nicht mehr mit dem Schreiben nach. Ich war hellwach und geistig präsent, wie schon lange nicht mehr. Nachdem mich meine Inspiration monatelang verlassen hatte, kam sie heute mit einer Wucht zurück, die mich völlig überwältigte. Die anderen sahen mich ziemlich erstaunt von der Seite her an, wie ich da manisch vor mich hinkritzelte. Nach zwei Stunden mussten wir zu einem anderen Vortrag. Ich musste mich regelrecht losreißen. Drüben angekommen hatte ich kurz darauf schon wieder den Block in der Hand und schrieb weiter - insgesamt 10 Seiten. Ich hatte früher auch schon so Phasen, aber das ist schon eine Ewigkeit her. Auf der Busfahrt von Cambridge nach London hatte ich letztes Jahr kurz so ein ähnliches Erlebnis. Ohne Papier musste ich auf meinem Lesezeichen in kleinster Schrift alles festhalten, was mir so in den Sinn kam. Es ist dabei völlig egal, ob man das Aufgeschriebene später brauchen kann. Viel wichtiger ist es, diese Momente momentaner Klarheit und Einsicht, also Klarsicht, überhaupt zu haben. Ich bin jetzt, Stunden danach, noch immer so gut aufgelegt, dass ich still vor mich hinstrahle. Wenn man eine Erleuchtung hat, leuchtet man wahrscheinlich noch eine Zeit lang weiter.

4 Comments:

At 23. Juni 2006 um 22:40, Anonymous Anonym said...

Da geht eine Mue um. Ich bin gestern auch wie manisch von 12 bis 2 uhr nachts mit meiner Gitarre auf dem Bett gesessen und hab einen Song komponiert. Da kam die Eingebung, eine kurze Melodiephrase und plötzlich fallen tausende Dominiosteine um. Man kommt nicht mehr nach mit aufschreiben, was man da auf einmal alles im Kopf hat. Und müde ist man auch nicht mehr.

 
At 23. Juni 2006 um 22:41, Anonymous Anonym said...

Mue? Muse mein ich!

 
At 24. Juni 2006 um 18:01, Anonymous Anonym said...

Die Mue scheint kein Ausreisevisum zu haben, weil sie bis nach Deutschland noch nicht vorgedrungen ist, aber dennoch würde ich die neuesten Ergebnisse eurer kreativen Ausbrücke gerne lesen/hören/schmecken.

 
At 26. Juni 2006 um 17:15, Anonymous Anonym said...

Apropos Schemcken: Ich verwende zum Schreiben den LIBRO Ringbuch-Block DIN A4 100 Blatt 5mm kariert, Art. Nr. 04438020. Für einen ersten Vorgeschmack könntest du dir ja schon einmal ein paar Seiten reinziehen.

 

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