Save Our Souls
Liebe Kapitalisten!
In der englischen Sprache tritt das seltsame Phänomen auf, dass "to save" sowohl "sparen" als auch "erretten" bedeutet. Das kommt daher, dass das Lateinische "salvare" "aufbewahren, sichern, (be)schützen" bedeutete. Der Safe ist also jener Ort, an dem man seine Wertgegenstände vor dem Zugriff durch Bösewichte und Unbefugte schützt. Gleichsam bringt Gott seine Schäfchen ins Trockene, indem er sie in den Himmel holt, einen sicheren Ort, den man sich als Tresor der Seelen vorstellen kann, wo diese vor dem Zugriff durch den Teufel sicher sind.
Diese Wortspielerei ist nicht reiner Selbstzweck, sondern verknüpft über das englische Zeitwort "to save" zwei Bereiche, den Kapitalismus und die christliche Heilsvorstellung bzw. Moral, die aus naheliegenden Gründen als ideologisch konträr gedacht werden.
Dabei gehen gerade in unserer westlichen kapitalistischen Gesellschaft christlich-puritanische Vorstellungen und die Ideologie des freien Marktes, also des ungezügelten Waren-, Geld-, Dienstleistungs- und Personenverkehrs, eine perverse Allianz ein. Es wird eben nicht, wie in den Vereinigten Staaten, jener Menschentypus idealisiert, der sein Geld unmittelbar in materielle Güter umsetzt, an denen er sich erfreuen kann, sondern jener, der seinem Reichtum einen moralischen Überbau verpasst. Das Leben wird nicht einfach in Saus und Braus gelebt, sondern als kostbarstes Gut in den Tresor gesperrt und mehrfach versichert. Die Selbstkasteiung, also der freiwillige Verzicht auf Genuss und unmittelbares Erleben, gilt als moralisch überlegen. Deshalb sind die Krankheitsbilder in unserer Gesellschaft auch so stark polarisiert: die einen konsumieren zu viel (Fettleibigkeit, Bulimie, Drogen, materielle Güter etc.) und die anderen zu wenig (Magersucht, krankhafter Geiz, Moralapostel etc.). Während sich die erste Gruppe heimlich nach der Askese sehnt (Wie gerne würde ich es schaffen nichts mehr zu rauchen, keine Süssigkeiten zu essen etc.), sehnt sich die zweite nach dem Exzess, nach der Orgie.
Unser Konsumverhalten ist ja eigentlich ziemlich krank. Es wird ja kaum gekauft, was man braucht und will, sondern was gerade im Angebot ist. In Die gnadenlose Liebe (Suhrkamp, 2001) schreibt Slavoy Zizek: "Der Kapitalismus wurzelt in der Sünde des Geizes, dem Hang zu übermäßiger Sparsamkeit." (S. 15) Der Spargedanke (Geiz ist geil!) ist so allgegenwärtig, dass wir ihn gar nicht mehr hinterfragen. "... Konsum ist nur insoweit gestattet, als er wie die Erscheinungsform seines Gegenteils [der Sparsamkeit] funktioniert." (S. 20)
Wenn wir durch unsere gezielten Einkäufe so viel Geld, und mit jeder technischen Neuerung so viel Zeit sparen, wo kommt dann die ganze Zeit und das viele Geld hin? Sparen wir uns nicht in einen immer größer werdenen Mangel an Zeit und Geld hinein? Michael Ende hat mit Momo eine wunderbare Parabel über den Wahn geschrieben, ständig Zeit sparen zu wollen. Man muss härter und effizienter arbeiten, um später genießen zu können. Nur leider hat die Sache, selbst wenn sie funktionieren sollte, einen gewaltigen Haken. Durch die ständige Entsagung muss die Belohnung umso größer und genialer ausfallen. Wir wollen doch keine normale Frau (bzw. keinen normalen Mann) oder einen durchschnittlichen Urlaub. Wir sehnen uns nach der Traumfrau und dem Traumurlaub. Nach 5 Tagen Arbeit muss die Party am Wochenende der große Bringer sein, weil sonst das Leben überhaupt keinen Sinn mehr hat. Durch dieses Denken wird alles zum Fetisch erhoben. Meine Klage über die Banalität des Daseins passt hier sehr gut rein. Nur die ultimativen (endgültigen) Dinge zählen noch. Das Normale hat ausgedient.
Ich plädiere hier keineswegs für den Exzess. Ich schlage aber schon vor, dass man nicht nur jeden Tag etwas Verrücktes machen sollte (wie eine gute Freundin immer betonte), sondern sich auch jeden Tag etwas gönnen sollte (und wenn es nur eine Kleinigkeit ist). Es zahlt sich wirklich aus darüber nachzudenken, welche Kleinigkeiten das eigene Leben lebenswert machen. Sonst warten wir alle noch auf die große wundersame Erlösung von außen, die niemals kommen wird.
Labels: Konsum
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