Mittwoch, 7. Februar 2007

Wir - schwierig

Liebe Mitdenker!

Am Montag hatte ich Riesenglück. Schon in aller Herrgotts Früh rief mich eine nette Frau vom SALZBURGER MONAT an und teilte mir mit ich hätte das Preisausschreiben gewonnen. Ich könnte mir die Karten für Gunkls neuestes Programm, WIR - SCHWIERIG, an der Abendkasse der ARGE Kultur abholen. Das war doch was!
Günther Paal, wie Gunkl in Zivil heißt, ist wahrscheinlich den meisten als Dorfers Bassgitarrist und Experte für eigentlich eh alles aus DORFERS DONNERSTALK bekannt. Mit seinen Soloprogrammen als Kabarettist (Deutscher Kleinkunstpreis 2005) hat Gunkl eine ganz besondere komödiantische Nische für sich erobert: Er nimmt das Publikum auf eine Abenteuerreise durch seine eigenen Denkwelten mit. Als mittlerweile erfahrener Fremdenführer steuert er die Reisegruppe ständig auf Trab gehaltener Mitdenker gekonnt durch die Kulissen seines umtriebigen Gehirns. Dabei wird man kaum geschont: wer nicht ständig höllisch aufpasst, verliert den Faden und verpasst die besten Passagen. Das ist ja gerade seine Masche: er setzt das Niveau von Haus aus so an, dass sich der geneigte Zuhörer für seinen erhöhten mentalen Einsatz belohnt und zu einer privilegierten Gruppe gehörig fühlt. Hier sitzen eben keine Dodeln im Publikum, sondern halbwegs intelligente Zeitgenossen.
Mit naturwissenschaftlich-logischem Eifer dekonstruiert er die Scheinwahrheiten und Annahmen, die wir, wenn wir nicht gerade beruflich mit Literatur-, Kultur- oder Sozialstudien zu tun haben, viel zu selten hinterfragen. Wie jeder Kabarettist zieht er also eine Metaebene ein, von der aus die Gesellschaft aus einer privilegierten Position heraus beobachtet wird. So entsteht ein "Wir", eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich kollektiv über die Dummheit und Arroganz der anderen lustig macht. Während man mit den meisten Comedians kaum über das übliche Witzniveau hinauskommt, gaukelt Gunkel aber intellektuelle Analyse und somit wissenschaftliche Haltbarkeit seiner Aussagen vor. Folgt man seinen Ausführungen, dann hält die Logik bzw. die Physik scheinbar ständig Ansätze und Lösungen bereit, mit der sich die Welt unmissverständlich und eindeutig erklären lässt. Als Showmaster zelebriert Gunkel seine eigene Apotheose in jeder Aufführung, wenn er vom Menschen zum beinahe unfehlbaren Halbgott und vom Publikum hochverehrten Mastermind aufsteigt. Als anspruchsvolle Unterhaltung funktioniert die Show beinahe immer im Moment der direkten Vermittlung. Durchbricht man aber für einen Moment den Zauber des Illusionisten, dann merkt man schnell, dass er wie alle anderen auch - jedoch, zugegeben, auf höherem Niveau - selbst mit Verallgemeinerungen, Halbwahrheiten und wissenschaftlich unsauberen Mitteln operiert. Ständig reißt er Sätze oder ganze Passagen aus dem Zusammenhang und präsentiert sie als in sich geschlossene logische Systeme, die man dann frei kritisieren kann. Besonders was die Katholische Kirche und die Bibel angeht, kommt er kaum über das Niveau einer Massenmeinung hinaus. In Genesis 6:5-8 steht:

"Als aber der HERR sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe."

Aus dieser Passage folgert Gunkl: Gott ist nicht nur ein Pfuscher, der die Menschen unvollkommen geschaffen hat und jetzt seine Tat bereut, sondern auch fehlbar, weil er eigentlich wissen hätte müssen was passieren wird. Damit ist jetzt entweder die Bibel oder die Katholische Kirche widerlegt und die Atheisten und Agnostiker dürfen sich freuen, weil sie schon immer gewußt haben, dass Religion nur Blödsinn ist.
Nun, das greift natürlich alles zu kurz. Zufällig habe ich mich vor kurzem sehr intensiv mit Bibelwissenschaft und besonders dem Buch GENESIS beschäftigt und könnte jetzt lange erklären, warum die Bibel so ist, wie sie ist, und wie man das zu lesen hat, aber das würde nicht nur langweilen, sondern auch zu weit führen.
Auf ähnlich absurde Weise (damit meine ich, dass er Dinge aus dem Kontext reißt) versucht er Wittgensteins TRAKTATUS zu wiederlegen. Der erste Satz, "Die Welt ist alles, was der Fall ist.", sei schon ein großer Blödsinn, weil er alles Spekulative, also das Was-wäre-wenn, auschließt. Wittgenstein sei eben ein frustrierter Kopfmensch gewesen, der allen anderen ihre Fantasien und Gefühle rauben wollte. Das tut natürlich ein bissi weh und passt nicht ganz zur ansonsten doch sehr gepflegten Unterhaltung. Auf alle, die sich wissenschaftlich mit Sprache beschäftigen, hackt er besonders hin. Literatur ist eben nur pseudo, während die Naturwissenschaft klare Aussagen produziert. Und dann redet er eine Ewigkeit über Erzählwissenschaft, von der er, mit Verlaub, nichts versteht und die sehr wohl in den Bereich der Literaturwissenschaft fällt.
Trotz dieser paar Einwände war es Unterhaltung vom Feinsten und ich kann den lieben Gunkl nur weiterempfehlen.
Seine Homepage ist auch besuchenswert:
http://www.gunkl.at/

2 Comments:

At 8. Juni 2007 um 17:23, Anonymous Anonym said...

Das sich über Unintelligentere Lustig machen fällt doch in die gleiche Kategorie wie das Angeben über tolle berufliche Leistungen, was Du weiter oben schon als ziemlich ätzend beschrieben hast.

Wie ist denn die "richtige" Lesart für das Genesis-Zitat?
Ich lesen gerade Zorn und Zeit von Sloterdijk und finde seine Ausführungen über den Gott des Alten Testaments sehr schlüssig.
Meine Meinung ist ja: Gott ist eine Erfindung des Menschen, da er das Wissen nicht verkraftet, "göttliche" Eigenschaften zu haben. Deswegen wird das Göttliche nach außen projiziert und es unterliegt nicht mehr seiner Verantwortung. Das Gleiche gilt für die Figur des Teufels.
Ich würde den Text aus der Genesis als Verzweiflung über die eigene Situation lesen.
Freue mich über Deinen Kommentar.

 
At 24. Juli 2007 um 15:38, Anonymous Anonym said...

Liebe Jasmin!

Zuerst einmal freut es mich, dass du meinen BLOG so aufmerksam liest. Aber nun gleich zum Buch GENESIS. Drei Dinge spielen eine wichtige Rolle:

1) Genesis beruht auf babylonischen Mythen, wie zum Beispiel ATRAHASIS oder ENUMA ELISH, dem babylonischen Schöpfungsmythos. Die Israeliten (Abraham) sind ja von dort ausgewandert und haben ihr kulturelles Erbe mitgenommen. Die Sintflut ist natürlich eine babylonische Erfindung und es gibt einige Stellen in der Bibel, wo der Einfluss der alten Sagen besonders stark ist (Gott ist der mächstigste unter den Göttern, Gott bezwingt den Chaosdrachen, Gott vermenschlicht etc.).
2) Die Bibel wurde von mehreren Autoren(gruppen) aufgezeichnet bzw. überarbeitet. Deshalb gibt es auch zB. zwei Schöpfungsberichte hintereinander. Der erste stammt von der sogenannten Priesterquelle und ist einer der jüngsten Texte (5. Jhd. vor Christus).
3) Die Bibeltexte hatten ganz spezifische Funktionen im kulturell-religiösen Leben der damaligen Zeit. So diente zum Beispiel der erste Schöpfungsbericht unter anderem dazu das kulturelle Leben religiös zu erklären. Die 7-Tage Woche wird als ausdrücklicher Wunsch Gottes erklärt, obwohl 8 Schöpfungsakte in 6 Tage gepresst werden müssen, um dem System treu zu bleiben. Die Himmelskörper dienen ausdrücklich zur Errechnung der Festtage.

Das war jetzt eine grobe Vereinfachung der komplexen kulturellen Einbettung der Bibeltexte. Wichtig ist nur, dass man nicht ständig Bibelstellen hernimmt und so tut, als würde das irgendetwas an sich heißen. Die Bibelwissenschaft ist sich schon seit Gunkel (Anfang 20. Jhd.) mehr oder weniger einig, dass es sich beim Alten Testament um Sagen handelt.
Da ist einfach die Kirche selbst schuld, die wie die Mathematiklehrer nie ordentlich erklärt, in welchem Zusammenhang diese Dinge entstanden sind. Jeder muss stur Formeln lernen und anwenden, ohne zu wissen warum eigentlich. Dabei wären Bibelwissenschaft bzw. Mathematik sicherlich interessant, wenn es ordentlich gemacht werden würde.
Habe ich mir sagen lassen.

So, genug geschwafelt.

 

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