Montag, 13. November 2006

The Vending Machine

Liebe Hoffnungslose!

In der fünften Staffel meiner Lieblingsserie SIX FEET UNDER dreht sich eine Folge um Nates 40. Geburtstag. Aus gegebenem Anlass denkt er natürlich über sein bisheriges Leben nach. In einer der typischen "Geistererscheinungssequenzen" sieht er seinen toten Vater, der wie immer das ausspricht, was sich Nate Junior selbst denkt:

"Let's face it, buddy boy. There's two kinds of people in the world: there's you and there's everybody else, and never the twain [the two of them] shall meet." [Für Anglisten: Um welche literarische Anspielung handelt es sich hier? Die ersten fünf Anrufer bekommen eine Familienpackung Glückskekse.]

Ein bisschen später erklärt er Maggie, der Tochter seines Stiefvaters, was wirklich los ist:

"I feel like all I get out of this birthday is that your life is really fucking lonely. I just feel like all I do all day long is managing myself. Try to fucking connect with people. But it's like no matter how much energy you pour into getting to the station on time or getting on the right train, there's still no fucking guarantee that anybody's gonna be there for you to pick you up when you get there. You know what I mean?"

Darauf antwortet Maggie, die im Leben vielleicht schon mehr durchgemacht hat als er:

"Well, I know that if you think life's a vending machine where you put in virtue and you get out happiness, then you're probably gonna be disappointed."

Nate hat natürlich Frau und Kind und jagt wie immer dem perfekten Glück hinterher. Aber trotzdem ist etwas dran an der Tatsache, dass sich Scheitern, in welchem Bereich auch immer, oft nicht logisch erklären lässt. Wenn ich nichts lerne und beim Test versage, ist mein Weltbild immer noch in Ordnung. Wenn meine Beziehung scheitert, weil ich berufsbedingt ständig fort bin, stürzt mich das vielleicht in die totale Krise. Ich kann aber trotzdem nachvollziehen, was passiert ist.
Wenn ich mich aber ein ganzes Leben lang bemühe ein guter Mensch zu sein und alles, so weit es auch nur irgendwie geht, richtig zu machen und trotzdem dafür nicht belohnt werde, kommen irgendwann einmal Zweifel auf. Um es auf den Punkt zu bringen: Wozu reiße ich mir ein Leben lang den Arsch auf, wenn mir dann doch jeder (inklusive dem Leben an sich) auf den Kopf scheißt?
Unser Gerechtigkeitssinn verleitet uns nämlich ständig zu zwei fatalen Annahmen:
1) Ich muss mir meine Belohnungen im Leben nicht erkämpfen, weil die ja eigentlich selbstverständlich wären.
2) Die kleinen Hoffnungen, Versprechungen und Zeichen, die auf eine positive Weiterentwicklung hinweisen, führen zum Happy End.

Niemand hat diesen zweiten Denkfehler sarkastischer aufgedeckt als Philip Larkin in "Next, Please". Der Sprecher des Gedichts sitzt in typisch passiver Haltung auf einer Klippe am Meer und beobachtet eine kleine Flotte von sehr reizvollen Versprechungen, die sich ihm nähern, in letzter Sekunde aber immer abdrehen. Freudige Erwartung und unbrüchliche Hoffnung werden bis zuletzt enttäuscht. Am Schluss kommt nur mehr der Tod [Die sexuellen Anspielungen lasse ich mal "außen vor", wie die nördlichen Nachbarn sagen würden.]:

Next, Please
By Philip Larkin

Always too eager for the future, we
Pick up bad habits of expectancy.
Something is always approaching; every day
Till then we say,

Watching from a bluff the tiny, clear,
Sparkling armada of promises draw near.
How slow they are! And how much time they waste,
Refusing to make haste!

Yet still they leave us holding wretched stalks
Of disappointment, for, though nothing balks
Each big approach, leaning with brasswork prinked,
Each rope distinct,

Flagged, and the figurehead with golden tits
Arching our way, it never anchors; it's
No sooner present than it turns to past.
Right to the last

We think each one will heave to and unload
All good into our lives, all we are owed
For waiting so devoutly and so long.
But we are wrong:

Only one ship is seeking us, a black-
Sailed unfamiliar, towing at her back
A huge and birdless silence. In her wake
No waters breed or break.

Was bleibt einem also übrig, wenn das Glück nicht auf Besuch kommt? Wie beim American Football zieht man jeden Tag seine Rüstung an und geht raus, um jeden Meter Boden mühsamst zu erkämpfen. Wenn man sich dann, egal wie lange es auch dauert, Stück für Stück bis zum Touchdown vorarbeiten kann, nimmt man das alles gerne in Kauf.
Wenn ich aber jeden Tag rausgehe, Prügel einstecke und nicht weiterkomme, dann gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: entweder ich mache aus reinem Selbstschutz den Panzer noch dicker und werde dadurch noch unbeweglicher, oder ich laufe gar nicht mehr raus. Dann sitze ich wieder passiv rum und leide an der Ungerechtigkeit der Welt.
Wenn jetzt jemand "Neues Spiel, neues Glück!" sagt, trete ich ihm eigenfüßig in den Arsch.

PS. Keine Sorge! Ich leide gerade nicht an der Ungerechtigkeit der Welt. Ich habe nur versucht eine schwierige Frage möglichst plastisch darzustellen.

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1 Comments:

At 14. November 2006 um 16:43, Blogger Christian Genzel said...

Das gesuchte Zitat stammt aus dem Gedicht "Brautkleid bleibt Brautkleid und Blaukraut gehört da nicht drauf" von Rupert Kipflinger. Bitte die Glückskekse ungeöffnet und nicht durchnummeriert alsbald möglich händisch überreichen.

Zum Rest sage ich nur: Whenever life gets you down, Mrs. Brown, ...

 

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