Freitag, 30. Mai 2008

Die Therme

Liebe Kurgäste!

Begibt man sich für ein Wochenende nach Bad Griesbach, in das 5***** Hotel König Ludwig, tritt man nicht nur einen wohlverdienten Kurzurlaub, sondern auch eine Reise in die Vergangenheit an. "König Ludwig", als durchaus programmatischer Hotelname, scheint dabei sowohl auf die Opulenz in der dekorativen Ausstattung zu verweisen, die entscheidend zum feudal-rustikalen "Stil und Ambiente" des Hauses beiträgt, als auch auf die rührige Weltfremdheit des Märchenkönigs, der sich seine eigene Welt abseits jeglicher Realität schuf. Das "König Ludwig" macht dabei seinem Namensgeber alle Ehre. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Sein und Schein, zwischen 5 Sterne und Pauschaltourismus, zwischen Urlaub am Lande und peinlicher Heraufbeschwörung des Grand Hotels.

Schon in den 70er Jahren, als Bad Griesbachs Thermalwasser entdeckt wurde, musste die Idee eines 5-Sterne-Hotels mitten im bayerischen Agrargebiet eine recht abenteuerliche gewesen sein. Wie beschwört man die feine Welt eines Spa Resorts herauf, ohne Land und Leute außen vor zu lassen? Der Kompromiss führte wahrscheinlich schon damals, als das "König Ludwig" erbaut wurde, zu einer interessanten Vermengung unvereinbarer Dinge. Heute hat das Hotel 30 Jahre Betrieb ohne nennenswerte Investitionen auf dem Buckel, was die Zahl der Skurrilitäten keineswegs vermindert.

80 Prozent der Kunden sind 70-jährige Kurgäste, die in 90-Grad heißen Saunen den Rest ihrer Alzheimer-geplagten Hirne wegschmelzen oder in 40-Grad heißen Thermalbecken ihrer fortgeschrittenen Inkontinenz freien Lauf lassen. Mit entspannten Gesichtern suhlen sie sich stundenlang in diversen Sprudelbecken, in denen Massagedüsen ihre welken Leiber durchkneten. Sie sind es auch, die bereitwillig die Illusion vom Grand Hotel mitinszenieren. Sie fahren mit großen schwarzen Autos vor, lassen sich vom Max in Lederhosen das Gepäck aufs Zimmer bringen, tragen ausgefallene Abendgarderobe zum Galadinner am Samstag Abend (Sonnabend würden sie sagen), essen Wachtelstrudel auf Gänsestopfleber, trinken dazu französischen Wein und spielen Bridgeturniere mit den Urlaubsbekanntschaften. Sie kommen allesamt aus einer anderen Welt. Die Boutiquen in Bad Griesbach sind voll von Klamotten, wie man sie aus den TRAUMSCHIFF Folgen der 80er Jahre kennt. Vermutlich findet man heute noch längst vergessene Lagerhäuser, in denen sich palettenweise die Fummel früherer Jahrzehnte stapeln. Anders lässt sich das Angebot in Bad Griesbach kaum erklären. Wie seinerzeit bei Heide Keller als Chefhostess Beatrice sind auch heute noch weiße Hosenanzüge bei den weiblichen Gästen schwer angesagt. Der Mann von Welt trägt blauen Rollkragenpulli unter dem karierten Sakko, das erst auf den zweiten Blick eine äußerst raffinierte Kombination mit der braunen Bügelfaltenhose eingeht.

Als Minderheiten in diesem skurrilen Treiben treten nun Golfer und Pauschaltouristen auf. Für erstere gilt Griesbach als Mekka ihrer geliebten Passion, für zweitere haben Hofer, Billa, oder Spar die Urlaubsdestination vorausgewählt. Erstere tragen zum 7-gängigen Galadinner Jeans und Turnschuhe, weil sie stinkreich und unheimlich cool sind, zweitere, weil sie es nicht besser wissen. Während die eine Gruppe stundenlang über Löcher redet, fühlt sich die andere nicht ganz wohl in ihrer Haut bzw. in ihren goldenen T-Shirts. Das Menü verheißt nichts Gutes: welches Bier passt wohl am besten zu Lachs? Hat man das Prozedere endlich überstanden, geht es zurück in die Hotel Lounge, wo ein Alleinunterhalter "El Condor Pasa" auf der Bontempi zum Besten gibt. Hier mischt sich das Publikum, denn die ergrauten Kurgäste zeigen sich nicht abgeneigt, wenn es sich um gepflegte Abendunterhaltung handelt.

Man selbst fühlt sich bei diesem bunten Treiben zwischen billigem All-you-can-eat am Freitag und großem Galadinner am Samstag ebenfalls fehl am Platz. Warum hat das Sportbecken 30 Grad Wassertemperatur, eine geschwungene Seitenwand und nur 10 Meter Durchmesser? Warum zähle ich mit Mitte 30 zu den jüngeren Gästen im Hotel? Warum haben wir Spitalsbetten, deren Kopfteile sich per Fernbedienung höhenverstellen lassen? Warum (fr)essen diese gesundheitsbewussten älteren Herrschaften nur so viel? Warum findet es niemand komisch, wenn das Galadinner mit dem Zauber der Panflöte in der Lobby ausklingt?

Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass im Thermenbereich ein gewisser Nivelierungs- bzw. Demokratisierungsprozess einsetzt, denn jeder trägt dort den ganzen Tag lang die selbe Uniform: Bademantel und Badeschlappen. Im Saunabereich des König Ludwigs darf man auch gar nichts tragen, während in der Therme Bad Griesbach auch dort striktes Bekleidungsgebot herrscht. Offensichtlich ist irgendjemandem irgendetwas einfach nicht zuzumuten.

Wenn man die Befremdung des ersten Tages einmal überwunden hat, lässt sich auch im "König Ludwig" ein entspannter Plantschbadetag verbringen. Man bekommt auch nicht allzu oft die schönsten Szenen aus dem TRAUMSCHIFF live nachgestellt.

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1 Comments:

At 14. Juli 2008 um 16:06, Blogger Christian Genzel said...

Ein echt Wahn-sinniger Urlaub.

 

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