Sonntag, 11. September 2005

Wundern auf See

Liebe Kreuzfahrer!

Wie viele andere ist auch dieser Eintrag meinem Bruder zu verdanken, der wie ein Trüffelschwein im Morast der Medienöffentlichkeit wühlt, um in regelmäßigen Abständen ein Leckerli aus dem Dreck zu ziehen, das sich der kritische Beobachter genüßlich auf der Zunge zergehen lassen kann. Erst vorgestern teilte er mir freudestrahlend mit, dass Barbara Karlich, dieses Powerhorse der österreichischen Fernsehunterhaltung, mit ihren troysten Fans auf Kreuzfahrt geht, um auf einem Mittelmeercruiser ihre volksbildende Aufklärungssendung aufzuzeichnen. Als Wissenschaftler konnte ich mich natürlich nicht auf Gerüchte verlassen und wühlte mich alsdann durch einen Berg Altpapier. Doch wie Gandalf in Minas Tirith wurde auch ich nach extensiver Suche fündig. In den Oberösterreichischen Nachrichten, diesem bunten, wenn auch etwas rauhen, Klopapier für den kleinen Geldbeutel, leistete sich der Veranstalter RUEFA REISEN Wels eine ganzseitige Anzeige (Mittwoch, 7. September 2005, S. 19). Auch im Internet findet man einen Hinweis auf dieses Jahrhundertereignis:

Kreuzfahrt mit "Barbara Karlich-Show" auf der MSC ARMONIA

Reiseroute: Venedig - Dubrovnik - Korfu - Katanien - Neapel - Genua

Lassen Sie sich von den Wundern auf See begeistern und erleben Sie das Abenteuer, dahin zu entfliehen, wo das Leben eine andere Bedeutung hat. Begleitet wird diese Kreuzfahrt von Barbara Karlich, bekannt aus TV und Werbung. AUSFLUGSPAKET GRATIS! Termin(e): 30.10.2005 bis 04.11.2005

Ich erspare mir das "Wundern auf See" indem ich mich gleich zu Hause wundere. Besonders wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang das Versprechen zu sein dorthin entfliehen zu können, "wo das Leben eine andere Bedeutung hat". Wohlgemerkt versprechen sie nicht, dass das Leben im Karlich Universum eine größere Bedeutung als im grauen Alltag zu Hause hat. Eben anders. Vielleicht meinen sie damit die "bis zu 6 Mahlzeiten täglich", die mir die Anzeige verspricht. Unter Leistungen sind auch sogenannte "Sicherheitsgebühren" angeführt. Nachdem in dieser Rubrik sonst nur Dinge stehen, die man als Gegenleistung für den Pauschalpreis bekommt, kann es sich um keine zusätzliche Belastung für den Kreuzfahrer handeln. Also zahlt RUEFA REISEN als Leistung für den Kunden "Sicherheitsgebühren" an eine dritte Partei. Wer könnte das denn sein? Vielleicht an Barbara Karlich, dass sie nach der Show gleich in die Kabine geht und nicht auch noch singt? Oder Schutzgeld an die Mafia? Keiner weiß es.

Barbara Karlich und ich sind ja eigentlich Kollegen, denn wir arbeiten beide im Bereich der Volksaufklärung. Um dem Bildungsauftrag gerecht zu werden, habe ich mir natürlich auch Karlichs Biografie auf www.orf.at angesehen. Das Erstaunliche daran ist, dass sie sich streckenweise wie eine Parodie liest. Hier ein Originalzitat:

In ihrer Freizeit erprobt Barbara Karlich gerne ihre schauspielerischen Fähigkeiten: Zum Beispiel im Rahmen einer Laientheatergruppe im Burgenland, die sie selbst leitet und wo sie unter anderem die Katharina in Shakespeares "Widerspenstigen Zähmung" in kroatischer Sprache gab.

Ihren Durchbruch schaffte sie übrigens beim Radiosender RTL Wien, wo sie "durch die tägliche Morgenshow "Barbarella und die Morgencrew" bekannt wurde". Sie hat auch "das Studium der Publizistik, Psychologie und Theaterwissenschaft an der Uni Wien" absolviert. Sind das nicht drei unabhängige Vollstudien? Wie macht man das alles nebeneinander? Ich will hier aber nicht Karlichs akademische Qualifikation in den Schmutz ziehen, denn die Frau wird bald schon Doktor. Sie schreibt nämlich gerade ihre Diss an der Soziologie Wien über die "Barbara Karlich Show". Wie ihr alle merkt, bin ich eigentlich nur eifersüchtig. Deshalb werde ich sofort uminskribieren und zur Soziologie wechseln, wo ich dann meine Diss über "Obi-Wan's Obstgarten" verfassen werde. Da bin ich dann wenigstens kurz vor Weihnachten fertig.

1 Comments:

At 11. September 2005 um 11:27, Blogger Christian Genzel said...

Jaja, da staunt der Fachmann, und der Wunde laiert sich. Wieso machen wir eigentlich so ein blödsinniges Studium, das so fernseh-untauglich ist? Publizistik rules! Erst Knoche durchstehen, dann ab ins UniTV oder irgendein anderes Medienprojekt mit mehr Mitarbeitern als Zuschauern (bzw. Zuhörern), und dann bei SAT1 die Fische-gucken-um-3-Uhr-Nachts-Show moderieren. Da könnte ich in meinem Alter schon längst an meiner Autobiographie arbeiten!

 

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