Freitag, 15. Jänner 2010

Die Werte des Kapitalismus

Liebe Sportjugend!

Kürzlich musste ich in der Zeitung lesen, dass unsere Kinder zunehmend den Konsum verweigern, und zwar jenen, der direkt aus den Schulskikursen resultiert. Das ist eine Ungeheuerlichkeit und ein Verrat am Vaterland! Wie kann man unsere höchsten Werte nur so mit Füßen treten? Was ist geworden aus: Es kann nur einen geben! Der Zweite ist der erste Verlierer! Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht! Geld regiert die Welt!
Um einen Spitzensportler zu produzieren, müssen dutzende andere auf der Strecke bleiben. Das ist natürliche Auslese! Unsere Sportschulen haben als einzige Institution die Grundwerte des Kapitalismus konsequent umgesetzt. In einem beinharten Überlebenskampf können sich nur die allerbesten durchsetzen. Die anderen - Loser! - haben zwar auch ihr junges Leben lang nur trainiert und ihre schulische Laufbahn geopfert, müssen aber jetzt ihre gerechte Strafe für ihr Versagen akzeptieren und in irgendwelchen Drecksjobs ihr Dasein fristen. Diese Werte gilt es den jungen Menschen wieder nahezubringen. Die Sieger werden in der täglichen Sportsendung des ORF von 6 Uhr früh bis 23 Uhr nachts ausgiebig gefeiert, die Verlierer versinken in den Sumpf der Sozialhilfeempfänger.

Daher trete ich für die Wiedereinführung des verpflichtenden Schulskikurses ein. Studien haben belegt, dass ein Skifahrer, der vor dem zehnten Lebensjahr mit diesem Hobby anfängt, im Laufe seines Lebens € 47.000 dafür ausgibt. Es kann nicht sein, dass immer mehr Schüler ihre Zeit mit sinnlosen Sprachwochen vergeuden, wenn unsere Skiindustrie und Gastronomie ums Überleben kämpfen. Wo bleibt da der Patriotismus? Und wenn uns die Wintersportler eines gezeigt haben, dann ist es, dass man auch sehr gut ohne Sprache sehr erfolgreich werden kann.

Sportereignisse müssen in Zukunft live in den Schulen übertragen werden und das Foto des Landeshauptmannes bzw. der Gabi muss wahlweise mit jenem von Gregor Schlierenzauer oder Marlies Schild ersetzt werden. Statt dem Bundespräsidenten ist Hermann Maier aufzuhängen. Wer nicht Skifahren kann oder will, soll sich zumindest die Ausrüstung kaufen. Alles andere ist Hochverrat und kann nicht toleriert werden. Wir werden uns von dieser verweichlichten Jugend nicht den tödlichen Dolchstoß versetzen lassen und wenn es wirklich hart auf hart geht, dann müssen Exekutionen folgen. Jeder zwanzigste Schüler wird dann standesrechtlich mit der Schneekanone erschossen.

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Freitag, 16. Jänner 2009

Einheitsgeschmack

Liebe IKEAner!

Während Eva zielstrebig die Einkaufsliste abarbeitet und mich in regelmäßigen Abständen zu mehr Einsatzfreude und Tempo ermahnt, latsche ich gemächlich und etwas verloren durch die weiten Gänge des IKEA Einrichtungshauses. In der "Dekoration & Spiegel" Abteilung bleibe ich dann jedes Mal kurz stehen und denke immer über ein und die selbe Sache nach: Woher wissen die Schweden, was sich Österreicher gerne ins Wohnzimmer hängen? Oder gibt es gar keine länderspezifischen Motive? Hängen also von Oslo bis China in allen IKEA Wohnzimmern dieser Welt genau die selben Bilder?

Klickt man sich von ikea.com ausgehend bis zu den relevanten Seiten der schwedischen und chinesischen Niederlassungen durch, die da "Dekoration & speglar" bzw. 装饰品和镜子 heißen, kommt man zu dem verblüffenden Ergebnis, dass dies tatsächlich zutrifft. Das wirft für mich eine noch viel interessantere Frage auf: Woher wissen die Schweden, was sich die gesamte Menschheit (zumindest theoretisch) gerne ins Wohnzimmer hängt?

Wie die meisten großen Firmen wird auch IKEA seine Produkte testen lassen. Ich stelle mir jetzt einfach einmal vor, wie in diversen Meinungsforschungsinstituten dieser Welt ganze Heerscharen von Studenten sitzen und sich durch hunderte Motive clicken, die sie mit "ansprechend", "na ja" und "igitt" beurteilen müssen. Vor ihnen ein großer Monitor und in Griffweite drei Buttons: A, B oder C. So filtert man schließlich die 40 Motive raus, die die größtmögliche Masse von Testpersonen schön findet. Um Kunst geht es ja nicht, den der Überbegriff lautet "Wanddekoration" und das Motiv muss einfach nur gefallen. Und das Verblüffende: die Bilder gefallen ja auch alle irgendwie. Obwohl es sich offensichtlich um den kleinsten gemeinsamen Nenner der Weltöffentlichkeit in Bezug auf ästhetische Wahrnehmung handelt, sind manche Motive richtig schön anzusehen. Bedeutet das jetzt, dass wir Menschen bis zu einem gewissen Grad alle den selben Geschmack haben? Und wenn ja, ist der dann angeboren?
Hmmm. Jetzt bräuchte man einen Ästhetikexperten, der solche Fragen beantworten kann. Warum mag die ganze Welt Mozart, hängt sich van Gogh übers Sofa und findet Brangelina ganz toll? Warum verkaufen sich Filme, Zeitschriften, Songs etc. in die ganze Welt, obwohl sie eigentlich aus einem ganz bestimmten Kulturkreis kommen?

"Schatz, können wir zur Kassa gehen?"
"Ja, ja, ich bin schon unterwegs."

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Mittwoch, 21. Mai 2008

Was es mir wert ist

Liebe Sparer!

Über nichts beklagt sich der westliche Mensch so sehr als über einen Mangel an Zeit und Geld, was vielerorts ohnehin dasselbe ist, denn ZEIT IST GELD, wie man des öfteren hört. Bei jeder Gelegenheit knausern wir mit dem kostbarsten aller Güter: an der Supermarktkassa werden wir fast wahnsinnig, wenn nichts weitergeht, der Vollidiot vor uns fährt nicht los, obwohl die Ampel schon auf orange schaltet, oder die eigene Mutter erzählt zehn Minuten lang immer dieselbe Geschichte am Telefon. Für diesen Schwachsinn haben wir einfach keine Zeit. Viele vertrödeln sogar ihr ganzes Leben mit Fußball, Fernsehen, faul herumhängen, Computerspielen, DVDs, oder sonstigem überflüssigen Humbug. Und Geld kostet das! Nicht zum Ausdenken! Die ganze Kohle in eine Plattensammlung stecken und dann noch diesen Hippies den ganzen Tag zuhören! Haben die denn wirklich nichts besseres zu tun?
Geradezu schockiert zeigte sich eine Kollegin, als wir sie fragten, ob sie sich an einer Flasche Rotwein im Restaurant beteiligen würde: "Seid ihr wahnsinnig? 20 Euro für eine Flasche?" Dabei trägt sie kein Stück Kleidung, das unter 100 Euro kostet, denn da darf man nicht sparen. Das gilt auch für Autos: ohne deutsche Qualitätsarbeit geht da gar nichts. Auf Hochzeitsreise kann man durchaus ein paar Wochen in die Vereinigten Staaten fliegen, aber wenn im Alltag einmal etwas einen Euro mehr kostet, sollte man sich das reiflich überlegen.
Jeder von uns hat ähnliche Wertmaßstäbe, wenn auch mit anderen Prioritäten. Jeder hat 24 Stunden Zeit am Tag und genug Taschengeld, um sich ein bisschen was leisten zu können. Wie man aber nun Zeit und Geld 'sinnvoll' investiert bleibt reine Geschmackssache. Des einen Briefmarke ist des anderen Krawatte.
Wenn ich mich in nächster Zeit gewaltig über die ganzen Vollidioten aufregen werde, die blöd genug sind, für die EURO 2008 ihr Geld und ihre Zeit zu opfern, versuche ich mir vorzustellen, was diese Prolos wohl über meine Hobbies denken würden: Die ganze Kohle da reinstecken? Hat der wirklich nichts besseres zu tun?

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Dienstag, 11. September 2007

Made in China

Liebe Frühlingsrollen!

Dank der globalen Wirtschaft kommt Massenware heutzutage fast ausschließlich aus Asien: Flip-Flops, Kinderspielsachen, H&M Fetzen, etc. "MADE IN CHINA" bürgt eben für billigen Schnickschnack, den die Welt nicht braucht. Doch zu meiner großen Überraschung wurde ich da vor kurzem eines besseren belehrt. Als ich Angela Wrights soeben erschienenes Gothic Fiction: A Reader's Guide to Essential Criticism (Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2007) aufschlug, stand da auf der zweiten Seite, dass das Buch in China gedruckt wurde. "Moooooment!", dachte ich mir da. Eine englische Akademikerin schreibt in England ein Buch über Akademiker und deren Meinung zu einer englischen Literaturgattung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, also über Romane die kaum noch gelesen werden und Kritiker, die nur in einem Spartenbereich relevant sind. Dieses für etwa 10 Leser konzipierte Buch (die Familie der Autorin miteingerechnet) wird dann als E-Mail-Attachment nach China geschickt, wo unter englischer Aufsicht chinesische Druckereifacharbeiter 10 Exemplare eines Büchlis zusammenkleben, welche dann mit dem großen Tucka-Tucka-Kahn nach England verschifft werden. Während neun davon, von der Autorin handsigniert, bei Uncle James und Aunt Irma landen, um nur zwei zu nennen, landet ein Exemplar zufällig bei Blackwell's in Oxford, wo ich es mir kralle und vergnügt zur Kassa schreite. Das kann sich doch nur rechnen, wenn der Verlag komplett in China drucken lässt. Es bleibt also die Frage, wann die Grenze erreicht ist. Frühstückseier aus China? Karotten aus Taiwan? Zahnstocher aus Südkorea? Es geht mir ja noch nicht einmal darum, dass wir uns alle mit einer kommunistischen Diktatur verbrüdert haben, damit diese möglichst billig, sozial unverträglich und umweltschädigend für uns produziert, sondern dass Dinge ohne rational nachvollziehbaren Grund um die halbe Welt reisen und Produkte keinerlei Bezug mehr zum Standort haben. Werden bald findige Tischler in Österreich hochqualitative Essstäbchen für den chinesischen Markt produzieren?

Es kommen aber nicht nur Produkte aus China, sondern auch die Menschen. Da jeder fünfte Mensch Chinese ist und deren Volkwirtschaft vier Mal so schnell wächst wie unsere, kann man sich ausrechnen, wann unser Straßenbild diese statistischen Tatsachen widerspiegeln wird. In Oxford ist man diesem Szenario schon um einen Schritt näher. Von den ausländischen Studenten waren bisher die Amerikaner mit Abstand die größte Gruppe, gefolgt von unseren nördlichen Nachbarn. Demnächst werden aber schon die Chinesen den Deutschen den Rang ablaufen, weil es dort offensichtlich cool ist in Oxford zu studieren. Hier wimmelt es also nur so vor Asiaten, was mich nicht stört, um keinen Missverständnissen Vorschub zu leisten, aber extrem auffällig ist, wenn man österreichische Verhältnisse gewohnt ist - vorausgesetzt man hält sich nicht in Nähe des Mozarteums auf, denn Musik in Salzburg zu studieren ist noch cooler als Oxford.

Was will ich uns damit nun eigentlich sagen? Ich weiß es nicht genau. Ich habe einfach noch nicht gecheckt, dass die Globalisierung ein Faktum ist und wundere mich bei jedem neuen Beweis.

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Dienstag, 12. Dezember 2006

Die Lösung eines unvermuteten Problems

Liebe Schwarzseher!

In der Vorweihnachtszeit frequentiert man vermehrt diverse Geschäfte, um unter dem Vorwand für seine Lieben Geschenke zu suchen den eigenen Interessen zu fröhnen. Also fand ich mich vor kurzem in der Fernsehabteilung des Saturns wieder und starrte unmotiviert in eine neu eingerichtete Nische mit acht Flachbildfernsehgeräten, die an einer indirekt beleuchteten Wand hingen. Alsbald schob sich ein jugendlicher Verkäufer in die Peripherie meines Gesichtsfelds und stellte mir die übliche Einstiegsfrage: "Kann ich Ihnen helfen?" Damit meinte er: "Kann ich Ihnen helfen ein für Sie passendes Fernsehgerät auszuwählen, für den Fall, dass Sie (1) tatsächlich eines suchen, (2) sich nicht bereits entschieden haben, und (3) eine konkrete Frage haben, die ich auch beantworten kann." Zugegeben: das wär ein bissi lang und die kürzere Form tut's auch. Hätte ich nämlich seine Frage so verstanden, wie er sie stellte, wäre eine Antwort wie z.B. "Ja, wenn Sie Zeit haben, könnten Sie mich in einer halben Stunde nach Hause fahren, dann muss ich nicht die Straßenbahn nehmen!" durchaus denkbar. Als erfahrener Kunde gab ich jedoch die korrekte Antwort auf die implizite Frage (1), nämlich: "Nein danke! Ich schau nur!"
An diesem Punkt durchbrach er die Konventionen des Verkaufsrituals und zog sich nicht, wie erwartet, freundlich grinsend in eine Lauerhaltung hinter das nächste Regal zurück. Er blieb seitlich neben mir stehen und fragte mit unverhaltenem Enthusiasmus, ob ich die indirekte Beleuchtung auch so toll fände. Das sei nämlich eine revolutionäre Weiterentwicklung der Philips R&D Abteilung, das sogenannte ambient light oder ambilight, weil die meisten Menschen in verdunkelten Räumen das Problem hätten, von der hellen Lichtquelle des Fernsehers im Kontrast zur dunklen Umgebung visuell irritiert zu werden. "So ein durchschnittlicher Film dauert vielleicht zwei Stunden, aber wenn man sich z.B. die HERR DER RINGE Trilogie ansieht, dann sitzt man gut und gerne 5 bis 10 Stunden vor dem Fernsehgerät und dann sieht die Sache schon anders aus." In diesem Moment fiel mir erst auf, dass die indirekte Beleuchtung von den Fernsehgeräten selbst ausging. "Sehen Sie, wie sich die Beleuchtung farblich an das Bild anpasst?" Der junge Mann hatte recht: Kaum wurde die linke Hälfte des Schirms blau, leuchtete es auch schon bläulich aus den linksseitig integrierten Lampen. "Wenn Sie das mit dem Raum nebenan vergleichen, in dem der Hintergrund schwarz ist, dann sehen Sie gleich, wie angenehm das auf die Augen wirkt. Wenn man gestresst von der Arbeit nach Hause kommt und erschöpft vor dem Fernseher hinsinkt, dann will man sich doch entspannen. Die Hersteller wollen nur dabei helfen, die Bevölkerung zu beruhigen." Während ich verwirrt um Worte rang, zückte er eine Fernbedienung und stellte einen neuen Sanftsehmodus an einem der oberen Geräte ein. "Das absolute Spitzengerät", und dabei zeigte er auf eine Fotografie an der Wand, "haben wir leider nicht hier, aber da wird das Licht nicht seitlich an die Wand projiziert, sondern da leuchtet der gesamte Randbereich des Fernsehgeräts, also auch oben und unten." Dabei nickte er freundlich lächelnd, um seine Ausführungen zu unterstreichen und meinem zweifelnden Gesichtsausdruck entgegenzuwirken. "Wenn Sie noch irgendeine Frage haben?" Ich konnte mich nicht daran erinnern zuvor eine Frage oder ein optisches Kontrastproblem beim Fernsehen gehabt zu haben. Und dann fiel mir eine überraschende Parallele zwischen der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Philips und der Forschung in den Geisteswissenschaften auf: beide produzieren überzeugende Lösungen für Probleme, die ursprünglich keiner hatte. Also bedankte ich mich sehr herzlich beim Juniorverkäufer für diese Einsicht und zog mich langsam zurück, während er an die nächsten Kunden herantrat, ein älteres Ehepaar um die fünfzig, und diese über ihre armen Augen aufklärte, sollten sie sich wieder ein triple feature vor schwarzem Hintergrund reinziehen.

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Dienstag, 19. September 2006

Die Bank - dein Freund und Helfer

Liebe Verdienende!

In mehreren Gesprächen mit Bekannten und Freunden, die im Finanzdienstleistungssektor tätig sind, stolperte ich über folgende, mir bis dahin unbekannte Tatsache: Finanzberatung ist in erster Linie Lebensberatung bzw. Erziehungsarbeit.
In meiner grenzenlosen Naivität hatte ich nämlich angenommen, dass sich jeder Mensch früher oder später einmal überlegt, wie viel Geld er verdient, welchen Anteil er davon (ver)braucht, und ob er den Rest sparen bzw. in kurz-, mittel- oder langfristige Finanzprodukte wie Bausparverträge, Versicherungen oder Aktien investieren möchte. Für die meisten besteht aber zwischen Verdienst, Konsum bzw. Lebensstil und etwaigen Zielen kein zwingender Zusammenhang.
In der Praxis sieht das nun so aus, dass jeder Bankangestellte einen gewissen Kundenstock betreut. In Zeiten der elektronischen Datenerfassung hat also unser Mann bzw. unsere Frau in der Bank einen sehr guten Überblick, was wir mit unserem Geld machen. Im Normalfall interessiert das diesen aber sehr wenig, weil er auch etwas Besseres zu tun hat, als unseren Lebensstil aufgrund der Bankomatstandorte zu erraten. Überziehen wir aber regelmäßig unser Konto, werden wir verstärkt beobachtet. Schöpft zum Beispiel der Auszubildende plötzlich mitten in der Nacht seinen Überziehungsrahmen aus, dann hat das einen Anruf zur Folge. Ähnlich wie die Mama das Kind zur Rechenschaft zieht, wenn es das ganze Taschengeld für Süßigkeiten ausgibt, so fragt die Bankangestellte nach, wofür man denn 2 x 200 Euro kurz hintereinander um ca. drei Uhr früh braucht. Kleinlaut hört man dann vom anderen Ende der Leitung, dass das Geld in zwei Kurzaufenthalte bei der netten Frau vom horizontalen Gewerbe investiert wurde.
Am anderen Ende des Spektrums kommt ein erfolgreicher Banker in das Büro einer Finanzdienstleistungsfirma und möchte sich ganz unverbindlich erkundigen, welche Investitionsmöglichkeiten es denn gäbe. Er hätte nicht allzu viel Geld dafür übrig. Wie sich herausstellt verdient der gute Mann 9000 Euro netto im Monat, wovon ihm aber leider nichts übrigbleibt. Für solche Fälle hat die Firma ein Zweikontensystem erfunden, bei dem den Kunden auf ein Konsumkonto ein gewisser Betrag überwiesen wird. Mit dem Einverständnis des Bankers wird also auch diesem ein Taschengeldkonto eingerichtet, um seine exorbitanten Ausgaben in den Griff zu bekommen. Seitdem bleiben dem überglücklichen Kunden 2000 Euro im Monat übrig, die er gerne mit Hilfe dieser Firma anlegt.
Der beste Kunde der Bank ist nämlich nicht jener, der wahllos Kredite aufnimmt und sein gesamtes Geld ausgibt, sondern jener, der Disziplin beweist, seine finanzielle Situation im Griff hat und langfristig investiert. Mangelt es an diesen Fertigkeiten, muss die Bank zuerst Erziehungsarbeit leisten.
Es ist ein erstaunliches Phänomen unserer Zeit, dass wir alle im luftleeren Raum operieren. Bei den grundlegendsten und wichtigsten Dingen im Leben, zu denen Beziehungs-, Zeit-, Geld-, und Gesundheitssmanagement gehören, lassen wir uns ungern dreinreden und vermeiden es unsererseits bei Bekannten und Freunden. Geld scheint dabei fast noch problematischer bzw. persönlicher zu sein als der letzte Krach mit der Freundin. So erhalten wir also in Zeiten immer größerer Spezialisierung die Lebensberatung vom Finanzdienstleister: "Welche Ziele haben Sie im Leben? Wo sehen Sie sich in 10 Jahren? Wollen Sie heiraten, Kinder, ein Haus bauen?" Erst wenn wir wissen, wer wir sind und was wir wollen, können die Banken etwas mit uns anfangen. Wer sonst stellt uns noch solche existenziellen Fragen?

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Donnerstag, 1. Juni 2006

Save Our Souls

Liebe Kapitalisten!

In der englischen Sprache tritt das seltsame Phänomen auf, dass "to save" sowohl "sparen" als auch "erretten" bedeutet. Das kommt daher, dass das Lateinische "salvare" "aufbewahren, sichern, (be)schützen" bedeutete. Der Safe ist also jener Ort, an dem man seine Wertgegenstände vor dem Zugriff durch Bösewichte und Unbefugte schützt. Gleichsam bringt Gott seine Schäfchen ins Trockene, indem er sie in den Himmel holt, einen sicheren Ort, den man sich als Tresor der Seelen vorstellen kann, wo diese vor dem Zugriff durch den Teufel sicher sind.

Diese Wortspielerei ist nicht reiner Selbstzweck, sondern verknüpft über das englische Zeitwort "to save" zwei Bereiche, den Kapitalismus und die christliche Heilsvorstellung bzw. Moral, die aus naheliegenden Gründen als ideologisch konträr gedacht werden.
Dabei gehen gerade in unserer westlichen kapitalistischen Gesellschaft christlich-puritanische Vorstellungen und die Ideologie des freien Marktes, also des ungezügelten Waren-, Geld-, Dienstleistungs- und Personenverkehrs, eine perverse Allianz ein. Es wird eben nicht, wie in den Vereinigten Staaten, jener Menschentypus idealisiert, der sein Geld unmittelbar in materielle Güter umsetzt, an denen er sich erfreuen kann, sondern jener, der seinem Reichtum einen moralischen Überbau verpasst. Das Leben wird nicht einfach in Saus und Braus gelebt, sondern als kostbarstes Gut in den Tresor gesperrt und mehrfach versichert. Die Selbstkasteiung, also der freiwillige Verzicht auf Genuss und unmittelbares Erleben, gilt als moralisch überlegen. Deshalb sind die Krankheitsbilder in unserer Gesellschaft auch so stark polarisiert: die einen konsumieren zu viel (Fettleibigkeit, Bulimie, Drogen, materielle Güter etc.) und die anderen zu wenig (Magersucht, krankhafter Geiz, Moralapostel etc.). Während sich die erste Gruppe heimlich nach der Askese sehnt (Wie gerne würde ich es schaffen nichts mehr zu rauchen, keine Süssigkeiten zu essen etc.), sehnt sich die zweite nach dem Exzess, nach der Orgie.
Unser Konsumverhalten ist ja eigentlich ziemlich krank. Es wird ja kaum gekauft, was man braucht und will, sondern was gerade im Angebot ist. In Die gnadenlose Liebe (Suhrkamp, 2001) schreibt Slavoy Zizek: "Der Kapitalismus wurzelt in der Sünde des Geizes, dem Hang zu übermäßiger Sparsamkeit." (S. 15) Der Spargedanke (Geiz ist geil!) ist so allgegenwärtig, dass wir ihn gar nicht mehr hinterfragen. "... Konsum ist nur insoweit gestattet, als er wie die Erscheinungsform seines Gegenteils [der Sparsamkeit] funktioniert." (S. 20)
Wenn wir durch unsere gezielten Einkäufe so viel Geld, und mit jeder technischen Neuerung so viel Zeit sparen, wo kommt dann die ganze Zeit und das viele Geld hin? Sparen wir uns nicht in einen immer größer werdenen Mangel an Zeit und Geld hinein? Michael Ende hat mit Momo eine wunderbare Parabel über den Wahn geschrieben, ständig Zeit sparen zu wollen. Man muss härter und effizienter arbeiten, um später genießen zu können. Nur leider hat die Sache, selbst wenn sie funktionieren sollte, einen gewaltigen Haken. Durch die ständige Entsagung muss die Belohnung umso größer und genialer ausfallen. Wir wollen doch keine normale Frau (bzw. keinen normalen Mann) oder einen durchschnittlichen Urlaub. Wir sehnen uns nach der Traumfrau und dem Traumurlaub. Nach 5 Tagen Arbeit muss die Party am Wochenende der große Bringer sein, weil sonst das Leben überhaupt keinen Sinn mehr hat. Durch dieses Denken wird alles zum Fetisch erhoben. Meine Klage über die Banalität des Daseins passt hier sehr gut rein. Nur die ultimativen (endgültigen) Dinge zählen noch. Das Normale hat ausgedient.
Ich plädiere hier keineswegs für den Exzess. Ich schlage aber schon vor, dass man nicht nur jeden Tag etwas Verrücktes machen sollte (wie eine gute Freundin immer betonte), sondern sich auch jeden Tag etwas gönnen sollte (und wenn es nur eine Kleinigkeit ist). Es zahlt sich wirklich aus darüber nachzudenken, welche Kleinigkeiten das eigene Leben lebenswert machen. Sonst warten wir alle noch auf die große wundersame Erlösung von außen, die niemals kommen wird.

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Samstag, 3. Dezember 2005

FSK

Liebe Maßlose!

Als ich noch ein kleiner Bubsi war, also lange bevor es CDs, PCs, MP3, HDTV, WWW, RTL oder sonst irgendetwas gab (Kriegsgeneration!), hatte ich einen großen Traum. Andere wollten Nuklearphysiker, Zirkusferd oder Müllmann werden, aber mir ging nur eine Sache durch bzw. in den Kopf: Geld genug um rund um die Uhr Eis essen zu können. Man findet erst wesentlich später heraus, dass man einen Liter Eis nur dann mühelos verinnerlichen kann, wenn dieser sportlichen Spitzenleistung ein monatelanges Aufbautraining vorangeht. Habe ich mir jedenfalls sagen lassen.
Das Maßlose übt nicht nur auf Kinder, sondern auch auf Erwachsene eine grenzenlose Faszination aus. Die Guiness World Records sind eine eindrucksvolle Demonstration, welchen hohen Unterhaltungs- bzw. Stellenwert die Überschreitung rationaler Maßtäbe in unserer westlichen Gesellschaft einnimmt. Der Spitzensport gehört da natürlich auch dazu. Was macht der dekadente Reiche mit seiner Kohle? Er zieht sich auf ein Hotelzimmer mit Koks und Prostituierten zurück. So geschehen beim Maler und Kunstprofessor Jörg Immendorff im August 2003 (21,6 Gramm, davon 6,5 Gramm reines Kokain + 9 Prostituierte; gestand im Prozess 26 weitere Parties ein) oder bei Michel Friedmann im Juni desselben Jahres, der da wesentlich bescheidener war, als Rechtsanwalt, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Rechtsanwalt trotzdem für mehr Furore sorgte. Wer träumt nicht von der großen Orgie, ein Wort, das wir zunehmend für jeden Exzess verwenden, sei es Kopieren oder Putzen?

Das Maßlose spielt aber auch in unserem Alltag eine wesentlich größere Rolle als wir gerne zugeben würden:

1) Der neue Apple iPod mit 60 GB (5. Generation) kann 15.000 Lieder oder ca. 1000 Alben speichern. Bei einer durchschnittlichen Laufzeit von 15 Stunden (ca. 15 Alben) muss ich 67 Mal aufladen und 1000 Stunden Musik hören, bis ich jedes Lied auf der Festplatte einmal durch habe. Bei iTunes werden übrigens 1,8 Millionen Songs zum Download angeboten.

2) Die externe 300 GB Festplatte füllen manche schnell mal mit Fernsehserien und Filmen aus dem Internet an. Da sind noch gar nicht die Filme und Serien mitgerechnet, die regulär im Fersehen laufen oder als DVD-Box herumstehen.

3) An manchen Tagen geht es 16 Stunden durch, an anderen ist der Blick aus dem Fenster schon zu viel der Mühe. Da zieht man dann den Vorhang zu und verbringt ein Wochenende vor der Glotze.

4) An manchen Tagen reichen ein Apfel und ein Vollkornweckerl, an anderen isst man am Abend noch eine Packung Soletti, weil es nach dem Plüschbärfrühstück, dem Schnitzel, dem Eis, dem Kaffee, den Keksen, der Schokolade, den drei Bier und dem Kebab auf die paar Stangerl auch nicht mehr drauf ankommt.

5) Bei Amazon oder Play wirft man dann doch noch die zwei, drei CDs oder DVDs in den Warenkorb, weil bei 100 Euro Bestellvolumen diese 30 Euro das Kraut auch nicht mehr fett machen.

6) Wenn man um 1 Uhr Früh die vierte Episode 24 in Folge gesehen hat, sieht man sich halt noch schnell zwei weitere an, denn dann hat man wenigstens ein Viertel der ganzen Staffel durch.

Deshalb brauche ich dringend die FSK oder Freiwillige Selbstkontrolle, weil die kleinen Maßlosigkeiten des Alltags sich nicht nur summieren, sondern sich auch gehörig auf das Geldbörserl, die Gesundheit und die Fitness schlagen.

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Mittwoch, 7. September 2005

Europark

Liebe Shopaholics!

Während die Linzer ihren Samstag in der Plus City zubringen, zieht es die Salzburger allwöchentlich in den Europark. Dort verbringt man dann gemütlich den ganzen Tag mit Kind und Kegel. Nachdem man sich ausgiebig einen Überblick über die neuen Warenlieferungen verschafft hat, gönnt man sich zu Mittag ein paar Leckerlis beim Schachtelwirt. Andere mögen es nicht so gediegen und ziehen sich lieber schnell eine Pizzaschnitte beim serbischen Italiener rein. Dann wird am Nachmittag nach Herzenslust beäugt, probiert und gekauft.
Shopping ist ja längst von der Pflicht zur Kür geworden und die Schnäppchenjagd hat sich als anerkanntes Hobby etabliert. Man weiß ja nicht nur über Produkte bestens Bescheid, die man in nächster Zeit auch anschaffen möchte, sondern verfolgt mit großem Interesse auch die neuesten Entwicklungen in einer ganzen Reihe von anderen Produktgruppen. Das liegt vor allem auch daran, dass der Austausch von Produktinformationen die klassischen Themen wie Politik und Kultur im öffentlichen Gespräch abgelöst hat. In einer posthumanistischen Gesellschaft kann man ja auch nicht erwarten, dass die Freunde aus der Wirtschaft über etwas anderes reden können als den Audi A8 oder die neueste Handygeneration.
Als ich also neulich durch die heiligen Hallen des Europarks schlenderte, traf ich zufällig eine Bekannte, die am Informationsschalter saß und gestressten Eltern Plastikautos vermietete, in denen diese ihre Kinder durch die langen Gänge schieben konnten. Sie wäre furchtbar entnervt, meinte sie, weil noch niemals so viel los gewesen wäre wie diesen Sommer. "Wenn sie nicht baden können, gehen sie alle einkaufen." Ich konnte zuerst nicht ganz glauben, dass der schlechte Sommer den Geschäften einen solch unerwarteten Zustrom bescherte, aber man musste sich nur umsehen: Es war an einem Wochentag Anfang August und im Europark wimmelte es wie sonst nur an einem Einkaufssamstag vor Weihnachten. Gab es außer Sonnen und Schoppen wirklich keine Alternativen?
Dabei ist das Angebot an Geschäften und Waren ja nicht einmal erwähnenswert. In dem Riesenbetonklotz sind erstaunlich viele kleine Geschäfte versteckt, deren Verkaufsflächen eher an die Innenstadt als an ein Einkaufszentrum erinnern. Diese Innenstadt ist ja auch das eigentliche Problem. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine sinnlosere Anhäufung von Ramschgeschäften - wenn man Mariazell und den Urfahraner Markt nicht mitberücksichtigt. Da wundert es einen auch nicht mehr, dass den Salzburgern der Europark als grenzgeniale Alternative vorkommt. Denn dort draußen tummeln sich nicht nur die Leute, die den McDonald's für ein Restaurant, den H&M für ein Bekleidungsgeschäft und den Morawa für eine Buchhandlung halten.
Es ist ja die große Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, dass sich die Freizeitgestaltung der westlichen Gesellschaft auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eingependelt hat: Sport, Fernsehen, Kino, Schoppen, Saufen - nirgendwo ist die Demokratisierung der Gesellschaft so weit fortgeschritten wie am Freizeitsektor. Im Fitnessstudio und Kinosessel sind eben alle Menschen gleich. Deshalb pilgern ja auch wir alle jeden Samstag in diese Wahlfahrtskathedrale des schlechten Geschmacks.

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