Freitag, 23. Februar 2007

WoW

Liebe Computerspieler!

"WOW!" war meine erste Reaktion auf das Intro zu Blizzards WARCRAFT II: TIDES OF DARKNESS. Im Herbst 1995 hatte ich mir gerade meinen ersten und damals sehr preiswerten PC um 1500 Euro gekauft, den ich natürlich nicht nur beruflich nutzen wollte. Also latschte ich in die nächste LIBRO Filiale und legte mir dieses recently released, must-have Game zu (damals schon 50 Euro!!). Die Computerspielewelt stieg gerade von rundenbasierenden Strategiespielen auf solche in Echtzeit um und Blizzard hatte mit WARCRAFT II die Nase vorn. Zu Hause angekommen installierte ich dieses Wunderwerk zeitgenössischer Programmierkunst und startete das Intro. Außer dem Teaser Trailer zu C & C II (Command and Conquer: Red Alert, 1996) gab es nichts Geileres als diesen prachtvollen Vorspann. YouTube sei Dank kann man sich das Ding heute noch ansehen:

http://www.youtube.com/watch?v=ZU-n8UZM5Cc

Von dem Moment an war Blizzard meine Firma. Nur wegen DIABLO stieg ich seinerzeit auf WINDOWS 95 um. Von WARCRAFT I, II und III über DIABLO I und II bis STARCRAFT spielte ich alles samt Erweiterungen mehrere Male durch. Was wäre also naheliegender als auf World of Warcraft (WoW, 2004) umzusteigen, das bisher erfolgreichste Produkt Blizzards und noch dazu das beliebteste Online Game?

Nachdem ich mich nun als ehemaliger Computerspieler geoutet habe und nur zu gut verstehe, warum man sich dafür begeistern kann, möchte ich ein paar Punkte anführen, die mir in diesem Zusammenhang durch den Kopf gehen und die mich vor einer neuerlichen Euphoriephase bewahren:

1) ZEIT:
Mein Bruder pflegte immer zu sagen: "Wir haum ned vü, oba Zeid hauma." Das trifft vor allem auf Schüler und Studenten zu, die ihre üppige Freizeit irgendwie bestreiten müssen. Da sitzt man halt ein paar Stunden vor dem Monitor und, wenn's sein muss, ein ganzes Wochenende. Das ist auch gut so. Man soll eben die Ressourcen, die man zur Verfügung hat, auch ordentlich nutzen. Nach der Studienzeit bzw. spätestens wenn man so Mitte dreißig ist verschieben sich aber die Parameter und Prioritäten. Im Normalfall hat man dann eine Wohnung und wesentlich mehr Kohle, aber die Zeit wird immer kostbarer.

2) VIRTUELLE WIRKLICHKEIT:
Solange man sich in der sozialen Pubertät befindet (keine Frau, keine Kinder, keinen Job, keine soziale Verantwortung), ist es auch egal, wenn man großteils virtuell existiert. Ich nenne das immer "von Konserven leben". Viele Erfahrungen kommen nicht aus dem direkten Leben, sondern sind medial vermittelt: Bücher, Filme, Fernsehserien, Musik, Computerspiele, Internet, etc. Man muss sich aber fragen, welche Bedeutung es hat, wenn man sich virtuell profilieren will. Wenn ich meine ganze Kraft in eine sekundäre Welt stecke, dann werde ich dort zwar der Meister aller Klassen, aber das geht eben nicht zusätzlich, sondern nur auf Kosten von Lebenszeit und -energie. Es muss mir bewußt sein, dass ich in einer sekundären Welt auch nur Erfahrungen aus zweiter Hand machen kann. Trotzdem ist die virtuelle Welt der Spiele sehr verlockend und zwar aus einem ganz simplen Grund:

3) THE SIMPLE LIFE:
Vom anspruchvollsten Roman über die aufwändigsten Simulationen bis hin zu Paris Hiltons Fernsehserie: alle kulturellen Produkte des Menschen zeichnen sich durch einen stark heruntergesetzten Komplexitätsgrad aus. World of Warcraft verfügt zwar über eine riesige Welt und schier unendlich viele Optionen im Gameplay, aber eigentlich fühlt sich jeder sicher, weil es trotzdem überschaubar ist und gewisse fundamentale Regeln immer gelten. Die größte Bedrohung in der wirklichen Welt, der eigene Tod, ist hier nur ein lästiges Intermezzo: Man kehrt sofort als Geist zurück, sucht seinen Körper und reinkarniert auf Knopfdruck. Hier kann eben nichts schiefgehen und jeder darf probieren, bis er es schafft. Im Gegensatz zum richtigen Leben bestimme ich selbst immer in letzter Instanz, was passiert, und das ist ein sehr angenehmes Gefühl. Die Karriere hängt nie von äußeren Umständen ab, sondern ergibt sich fast von allein. Das virtuelle Leben bietet selten Durststrecken und genug Belohnungen, um immer weiter zu machen.

4) DIE COMMUNITY:
WoW bringt als Online Spiel die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Da kann man sich kennen lernen, gemeinsam losziehen, Strategien entwickeln und Monster verdreschen. Man tritt einer Gilde bei, sucht sich einen erfahrenen Recken als Lehrmeister und steigt gemeinsam mit anderen in der Hierarchie auf. Das Gemeinschaftserlebnis kann sehr stark sein und man fühlt sich in eine richtige Gruppe integriert. Ich muss hier wahrscheinlich nicht extra erwähnen, dass man trotzdem alleine vor einem Bildschirm sitzt, während draußen das wirkliche Leben an einem vorbeizieht.

Als Wissenschaftler habe ich schon genug mit Konserven (in meinem Fall mit Büchern) zu tun. Da sollte ich in der restlichen Zeit wirklich raus und z.B. mit dem Rad über Stock und Stein fahren als mit dem Greif von Stormwind nach Ironforge zu fliegen.

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1 Comments:

At 8. Juni 2007 um 16:53, Anonymous Anonym said...

Da bin ich aber froh, dass Du das alles ausführlich reflektiert hast.
:-)

 

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