Donnerstag, 2. August 2007

Schwimmbad

Liebe Badegäste!

Viele Wörter verändern oder verlieren im Laufe ihres langen Lebens ihre ursprüngliche Bedeutung. Während Wagen früher ein Fuhrwerk bezeichnete, verstehen wir heute darunter ein Auto. Ich vermute, dass es sich mit dem Wort Schwimmbad ähnlich verhält.
Naiv, wie man manchmal ist, könnte man auf die verrückte Idee kommen, dass es sich bei einem Schwimmbad um ein Bad zum Schwimmen handelt. Jeder, der dies schon einmal versucht hat, wurde eindrucksvoll eines Besseren belehrt. Fairerweise sind Schwimmbäder in den letzten Jahren häufig in Erlebnisbäder umgetauft und auch umgebaut worden, denn der Sportinteressierte kann was erleben, wenn er sich in Vorfreude auf ein paar schnelle Längen ins Wasser begibt.
Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass man innerhalb jedes großzügig angelegten Erlebnisbades nur mehr eines von mehreren Becken für die traditionelle Fortbewegungsmethode im Wasser vorsieht und dieses (un)missverständlich Sportbecken nennt. Der Rest sind Plantschbecken in unterschiedlichen Tiefenabstufungen. Es versteht sich natürlich von selbst, dass der größte Teil des Geländes ohnehin für Liegewiesen und Cafes benötigt wird, denn der überwiegende Teil der Besucher kommt ins Freibad, um dem Wasser tunlichst fern zu bleiben.
Im Leopoldskroner Freibad, um ein konkretes Beispiel zu nennen, wurde das Sportbecken, diese letzte Zufluchtstätte der Schwimmer, direkt mit einem Plantschbecken verbunden, damit insgesamt nur mehr vier Bahnen übrigbleiben. Ein Schild am Beckenrand warnt, dass dieser Teil nur für Schwimmer geeignet sei.
Da ich mehreren ignorierten Randgruppen angehöre, bin ich es schon gewöhnt auch als Schwimmer nicht besonders behandelt zu werden. Ich hätte jedoch gehofft, wenigstens in der kleinen Enklave, die man uns ließ, ein friedliches Dasein führen zu dürfen. Doch die Masse der Spaßbadenden hat für seriöse Körperertüchtigung kein Verständnis. Das Sportbecken wird kurzerhand annektiert und die letzten paar Kubikmeter Wasser der allgemeinen Narretei erschlossen.
Als Ausflucht bleibt das Frühaufstehen, denn um 8 Uhr morgens schläft der Teenager noch - z.B. seinen Rausch aus. Wer bzw. was tummelt sich also um diese Uhrzeit im Becken? Gelb-türkise Badeanzüge mit blauen Tupfern, sportliche Damen, die mit 60 noch eine Figur haben wie mit 59, riesige Schwimmbojen mit Tapetenmustern aus den 70ern dekoriert, Hängebauchmänner in knappen Schwimmhöschen, Anhängerinnen des spontan improvisierten Aqua Aerobics, schwimmende Hochsteckfrisuren, die wie Korken im Wasser tänzeln, und ganze Kaffeehausrunden beim Morgenklatsch. Dazwischen schlängelt sich unsereiner hindurch und fragt sich, was am Schild "Nur für Schwimmer" missverständlich ist. Nur weil jemand im Wasser nicht sofort untergeht, qualifiziert ihn das lange noch nicht. Da wünsche ich mir sehnlichst einen Bademeister herbei, der bestimmt auftritt und laut verkündet: Wer nicht eine Beckenlänge tauchen kann, soll sich gefälligst in eines der vier Plantschbecken begeben. Dann hätte die Bezeichnung Sportbecken endlich wieder einen Sinn.

1 Comments:

At 2. August 2007 um 20:07, Blogger Christian Genzel said...

Hihi, der Wahn hat Sommerfrust!

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home