Freitag, 29. Oktober 2010

Mit härteren Bandagen

Liebe Demonstranten,

auf der Homepage des Finanzminusteriums findet man eine interessante Aufstellung, was mit unseren Steuergeldern passiert: "Wohin fließt der Steuereuro?". Die Familie Muster zahlt in diesem Beispiel € 7853 Steuern pro Jahr. Davon werden folgende staatliche Ausgaben getätigt:

Pensionen, Soziales, und Gesundheit € 2453 (31%)
Infrastruktur (Energie, Industrie, Gewerbe) € 1149 (14%)
Ministerien und ähnliche höhere Staatsorgane € 926 (12 %)
Schulen und Kultur € 794 (10%)
Schuldenrückzahlung € 774 (10%)
Verkehr € 550 (7%)
Universitäten + Forschung € 388 (5%)
Polizei und Gerichte € 304 (4%)
Landesverteidigung € 211 (3%)
Land- und Forstwirschaft € 201 (2,5%)
Dienstleistungen (Tourismus) € 103 (1,5%)

Hier ergeben sich natürlich interessante Beobachtungen. Da fast alle Regierungen der letzten Jahrzehnte unwillig waren das Staatsdefizit in den Griff zu bekommen, zahlen wir 10% des vorhandenen Budgets als Zinsen für unsere Schulden, nicht aber die Schulden selbst, die schon auf über 200 Milliarden Euro angestiegen sind. Wir geben also so viel Geld für unsere Schulden aus, wie für alle Schulen und kulturellen Einrichtungen zusammen und zwei mal so viel wie wir für Universitäten und Forschung aufbringen. Die Verwaltung auf höchster Ebene (Regierung, Ministerien, Parlament, Bundesrat etc.) ist der drittgrößte Budgetposten und kostet dreimal so viel wie etwa Forschung und Universitäten oder Polizei und Gerichte. Den größten Luxus, den wir uns leisten, sind Pensionen, das Gesundheitswesen und soziale Zuschüsse, wo jeder dritte Euro hinwandert. Wenn man einmal von den Förderungen für die Wirtschaft (14%) absieht, erkennt man relativ schnell, wo Reformbedarf besteht: Pensionen, Gesundheit, Beamte, Schulden, und ein ineffizientes Schulsystem, das sehr viel kostet (10%) und nur mittelmäßig arbeitet.

Okay, wo setzt nun die Regierung mit ihrem Sparpaket an? Bei Familien und Studenten. Denn die gehören zusammen mit den Arbeitslosen und Immigranten zu einer Gruppe, die keine Lobby hat. Wirtschaftstreibende, Pensionisten, Beamte und Ärzte sind hingegen hervorragend organisiert und da fällt das Kürzen von Förderungen natürlich viel schwerer. Also nimmt man denen, die sowieso nicht viel haben, auch noch den Rest weg.

Es wurde immer und überall schon kräftig von Arm auf Reich umverteilt, aber jetzt kommt noch der Transfer von Jung zu Alt hinzu. In Zukunft müssen Studenten sich das Studium selbst finanzieren (Kredit, Arbeit), in prekären Arbeitsverhältnissen viel für wenig Geld leisten, Kredite zurückzahlen, und die eigenen Kinder bis zum Studium durchfinanzieren. Und warum? Damit wir uns bei einer sinkenden Zahl von Berufstätigen eine immer größere Schar von Euromillionären und bestens versorgten Elitepensionisten leisten können, die fürs Nichtstun das Mehrfache dessen kassieren, was ein akademischer Berufseinsteiger verdient.

Ich glaube nicht, dass Studierende, deren Familien, und andere sozial benachteiligte Gruppen prinzipiell auf einen Generationen- oder Klassenkonflikt aus sind, auch wenn unsere Regierung unvermindert Öl ins Feuer gießt. Faymann und Konsorten hoffen einfach darauf, dass sich die Unruhe in der Bevölkerung schnell legt, denn der Österreicher ist harmoniesüchtig und scheut den Konflikt. Bei der gestrigen Demonstration sah man bereits, wie ernst es die meisten Studenten und Uni-Bediensteten mit ihrem Protest meinen: nämlich gar nicht. Es waren zwar einige, aber in Relation zur Gesamtzahl nur wenige. Warum soll man sich auch den Feierabend mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit versauen?

Einzig Herr Blecha zeigte sich sehr erfreut über die jüngsten Entwicklungen: er kann den anderen fetten Maden zurückmelden, dass der Speck gesichert ist.

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