Mittwoch, 16. März 2011

Strahlende Zukunft

Liebe Tschernobyl-Veteranen,

manche von uns werden sich noch erinnern, dass wir im Herbst 1986 und in den darauffolgenden Jahren keine Steinpilze aus dem Wald essen durften, weil diese die atomare Strahlung, die auf Österreich niederging, besonders gut speicherten. Damals war ich 14 und dank meiner sehr engagierten Biologielehrer schon so etwas ähnliches wie Grün. Vier Jahre später konnte ich dann auch aktiv Grün wählen und fing ein Jahr später mit einem Biologie-'Studium' an der Pädagogischen 'Hochschule' an. (Die Anführungszeichen drücken meine Skepsis aus, ob es sich bei der PädAk um eine Hochschule handelt. Müsste ich mich auf eine klare Antwort festlegen, wäre sie NEIN.) Ich überlegte sogar 1998, ob ich nicht Biologie als Erstfach in Salzburg studieren sollte, entschied mich dann aber für Sprachen, weil ich da mehr potenzielle Berufsfelder sah.
Als Biologielehrer, Grüner, Greenpeace-, WWF-, Attac- und Avaaz-Mitglied (meine Leser habe ich nie im Unklaren darüber gelassen, mit wem sie es hier zu tun haben) fällt mir zu Japan nicht viel ein, außer dass die soeben genannten Gruppierungen immer schon recht hatten, jahrzehntelang aber als weltfremde Ökospinner belächelt worden sind. Als die Grünen vor Jahrzehnten verlangten den Spritpreis auf € 1,50 pro Liter raufzusetzen, um dafür erneuerbare Energien und den öffentlichen Verkehr zu fördern, hielten uns die anderen Parteien für Volltrottel. Jetzt kostet der Benzin auch so € 1,50 und wir wären heilfroh, wenn wir vor 20 Jahren schon angefangen hätten unseren Energieverbrauch zurückzufahren und auf andere Technologien zu setzen. Ich habe jetzt wenig Freude daran mich als Klugscheißer hinzustellen und wieder einmal zu behaupten, dass ich es schon immer wusste, aber es trifft leider eben zu - die ökologischen Fakten, aber auch meine natürliche Neigung zur Klugscheißerei.
Die Fakten: Das Erdbeben in Japan hat nicht das Atomkraftwerk Fukushima zerstört, sondern nur die Stromversorgung unterbrochen. Dadurch fiel die Wasserpumpe aus. Und ohne Wasserkühlung schmilzt der Kern. So einfach ist das. Wie Fukushima eindrucksvoll bewiesen hat, geschah dies nicht zufällig bei gerade einmal einem Reaktor, sondern bei vier Kernen mit wunderbarer Verlässlichkeit. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz, der Physiker Sebastian Pflugbeil, setzte sich schon am ersten Tag nach der Katatrophe bei n-tv ins Studio und sagte voraus, was passieren wird: kein Strom, kein Wasser, Kern schmilzt. Ganz einfach.
Jetzt ist natürlich die ganze Welt bestürzt. Warum hat uns keiner gesagt, dass Atomkraftwerke scheißgefährlich sind? Das konnte doch niemand wissen. Die sind doch sicher und sauber. Jetzt sitzen die ersten Österreicher schon mit Geigerzählern in ihren Atombunkern und fressen Jodtabletten. Darf ich noch Fisch aus der Dose essen, wenn dieser aus dem Pazifik kommt? Oder leuchte ich dann im Dunkeln?
Kanzlerin Merkel ist sowieso die Beste. Gerade noch ist die Brown-Nosing-Weltmeisterin der Atomlobby so tief in den Arsch gekrochen, dass sich selbst ihr Pokemon-Kostüm verfärbte, und jetzt ist sie persönlich um die Sicherheit ihrer Untertanen besorgt. Mitten im Wahlkampf werden plötzlich mit sofortiger Wirkung Reaktoren abgeschaltet - möglicherweise nur bis nach der Wahl, wird gemerkelt ..äh.. gemunkelt. Hallo?! Also noch einmal langsam: Merkel lässt Atomreaktoren abschalten, damit sich die Chancen der CDU erhöhen bei den kommenden Wahlen besser abzuschneiden. Geht's noch ein bisschen zynischer? Ich glaube nicht. Und am Sonntag setzt sich Niki Berlakovich (ÖVP), unser Lebensminister, in der Pressestunde hin und verkauft die ÖVP als Ökopartei und sich selbst als Headhunter für Green Jobs. Schwarz ist offensichtlich das neue Grün. Wo bleibt da noch ein bisschen Restanstand? Warum sind die Fürsprecher der Wirtschaft nicht einfach ehrlich und sagen: Solange wir mächtig Kohle schäffeln ist uns jedes Mittel recht.
Und als Schlussbemerkung: Die Aktienspekulanten, denen wir gerade den Arsch mit unseren Steuergeldern gerettet haben, ziehen ihr Kapital aus Japan ab, weil man es dort gerade nicht gewinnbringend anlegen kann. Anstatt ordenlich zu arbeiten, machen sich die Japaner nämlich Sorgen um ihr Leben. Das hätte es früher unter den Samurais nicht gegeben.           
         

1 Comments:

At 18. März 2011 um 21:31, Blogger obi-wan said...

Nachtrag:
Ich finde es schon interessant, dass in den letzten Tagen rauskam, dass Atomkraftwerke absichtlich nicht ganz so sicher gebaut wurden (z.B. unterirdische Bunker mit Notaggregaten), weil das viel zu teuer gekommen und der Atomstrom dann nicht konkurrenzfähig gewesen wäre.

 

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