Freitag, 14. Juli 2006

Wir gedenken dem Genitiv

Liebe Artenschützer!

Wie Bruno der Bär gehört auch der Genitiv zu den gefährdeten Arten im deutschsprachigen Raum. Ersterer wurde von der IRA (International Rifle Association, a.k.a. die Jäger bzw. der militante Flügel der ÖVP) weggepustet, weil der Weidmann kein Tier haariger als er selbst im Wald duldet. Zweiterer führt im Bayrischen und Österreichischen ein Schattendasein, weil sich der Alpenrepublikaner bzw. Bayer schwer tut mit dem Wes-Fall. Bei uns wird "Die Gitarre meines Bruders" schnell mal zu "die Gitarre von meinem Bruder" bzw. "meinem Bruder seine Gitarre". Wir können "wegen dem Regen" gerade nicht rausgehen oder tun gerade dies "trotz dem Regen". Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und keiner weiß, wie man "dem Problem Herr werden kann". Der Vorschlag "vom Bundeskanzler" fand bei der Bevölkerung keinen Anklang.

Um den Genitiv nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, möchte ich nun ein paar besonders schöne Beispiele für seine Verwendung anführen. Da hilft natürlich DUDEN Band 4: DIE GRAMMATIK, in diesem Fall die Jubiläumsausgabe 125 Jahre DUDEN (2005):

1) Der Genitivus Qualitatis (S. 838):
Ein Mann mittleren Alters trat herein.
Sie löste einen Fahrschein erster Klasse.

2) Verben mit Genitivobjekt (S. 405, 828):
Der Verdacht entbehrt jeder Grundlage.
Das Parlament gedachte des verstorbenen Präsidenten.
Rasch entledigte sie sich ihrer Kleider.
Die Biologin wurde des Luchses nicht ansichtig.

3) Der adverbiale Genitiv (S. 829):
a) modal: Ich war seiner Meinung. Sie war guter Laune.
b) temporal: Das wirst du eines Tages bereuen.
c) kommentierend: Hier muss unseres Erachtens ein neuer Plan angefertigt werden.

Man sieht hier natürlich deutlich, dass der Genitiv eher hochsprachlich ist und umgangssprachlich vom Dativ verdrängt wird. Mögen wir dennoch - trotz des heißen Wetters - des Genitivs eingedenk sein und uns seiner bedienen.

PS. Und noch ein Tipp für die nächste verbale Auseinandersetzung mit der/m Liebsten: Es heißt nicht "Alles nur wegen dir" sondern "alles nur deinetwegen".
PPS. Als Buchtipp führe ich hier gerne noch einmal Bastian Sicks DER DATIV IST DEM GENITIV SEIN TOD (Köln: KiWi, 2004) an, der sich diesem Thema ausführlich annimmt.
PPPS. Wem der Kasusfehler im letzten Satz nicht aufgefallen ist, sollte sich das Buch dringend kaufen.

Labels:

1 Comments:

At 16. Juli 2006 um 14:51, Anonymous Anonym said...

Wie man am lebenden Objekt (Jörg Z.) beobachten kann, wird der Dativ bald dem Genitiv in die Vergessenheit folgen. Um dem Fallsterben vorzubeugen, würde ich sehr gerne den Ablativ in die deutsche Sprache einführen, und verlasse mich ganz auf die linguistischen Fähigkeiten von Obi-Wahn, uns das "wie" und "wo" detailliert darzulegen (sonst kann ich nicht anfangen).

Rettet dem Dativ!

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home