Dienstag, 29. Juli 2008

Umfragen

Liebe Statistiker!

Vor ca. einem Monat - um genau zu sein, am 19. und 20. Juni 2008 - führte das renommierte Meinungsforschungsinstitut GALLUP eine Umfrage zur politischen Situation in Österreich und zum Machtwechsel an der SPÖ Spitze durch. Was diese Umfrage von zahllosen anderen unterschied, war, dass ich als einer von 400 repräsentativen Teilnehmern zufällig ausgewählt wurde und bereitwillig daran teilnahm. Ich wollte nämlich immer schon einmal wissen, wie so eine Befragung abläuft. Hier meine Eindrücke:

1) Personen vor Inhalten: Ich war nicht schlecht erstaunt, als mir keine einzige Inhaltsfrage gestellt wurde. In der Politik sollte es doch um Sachfragen gehen, besonders bei einem so miserablen Abschneiden der jetzigen Regierung in eben diesen. Aber anscheinend war es viel spannender herauszufinden, ob man Politiker A lieber als Politiker B im Fernsehen ..äh.. regieren sehen wollte.

2) Suggestivfragen: Was mich des Weiteren störte war eine lange Abfolge von Fragen, die man so, ohne zusätzliche Erläuterungen oder Vorbehalte, nicht leicht beantworten konnte: "Wollen Sie lieber Faymann oder Molterer als Kanzler sehen?" Was ist aber, wenn ich weder den einen noch den anderen jemals wieder irgendwo sehen möchte? In welcher Koalition würde der zukünftige Kanzler regieren und wie sehe das Koalitionsabkommen aus? Wofür stehen Molterer und Faymann eigentlich? All das blieb unberücksichtigt. Also sagte ich bei jeder zweiten Frage: "Wenn ich mich entscheiden muss, dann würde ich eher ... nehmen." Ich scheine also in der Statistik als Befürworter des einen oder des anderen auf, obwohl ich diese Typen nicht wählen würde. Das führt mich gleich zum nächsten Punkt.

3) Relevanz: Selbst wenn wir für einen Moment annehmen, dass die Fragen fair und die Antworten ehrlich wären, können die Aussagen von 400 ÖsterreicherInnen tatsächlich für 6 Millionen Wahlberechtigte stehen? Ist es sinnvoll, eine solche Umfrage in einer Zeit durchzuführen, wenn sogar Spongebob Squarepants als bessere Kanzleralternative zum glücklosen Gruselbauer erschien? Einen Monat später ist die ganze Umfrage sowieso hinfällig, weil sich alle Parameter verschoben haben. Was bringt also diese ganze pseudowissenschaftliche Herumfragerei außer einem Knalleffekt für die Auflagensteigerung einer Tageszeitung oder die soziale Absicherung von tausenden Gesellschaftswissenschaftlern, die im Studium nichts anderes lernen als Statistiken so hinzubiegen, dass beliebige Aussagen dabei rauskommen?

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3 Comments:

At 30. Juli 2008 um 10:08, Blogger Christian Genzel said...

Hätte es nicht die Möglichkeit gegeben, "keine Antwort" oder eine "ungültige Antwort" zu geben, um deinem Mißfallen Ausdruck zu verleihen?

Oder einfach immer "Nein".

 
At 30. Juli 2008 um 12:50, Blogger obi-wan said...

Das ist ja schon wieder das nächste Problem: wenn jeder die Teilnahme verweigert oder abbricht, der mitdenkt und sich an der Methodik der Umfrage stößt, dann verzerrt es das Ergebnis noch mehr. Das Hauptproblem liegt darin, dass die Meinungsforscher und Journalisten aus einem Ergebnis eine Umfrage machen und nicht umgekehrt. Die Medien erzeugen ständig Scheinrealitäten, die von den Lesern und Sehern mit der Wirklichkeit verwechselt werden. Deshalb stürze ich mich im nächsten BLOG Eintrag auf den Dalai Lama und unser Chinabild, weil das ein Paradebeispiel für eine gefährliche Scheinrealität der Massenmedien ist.

 
At 1. August 2008 um 11:12, Blogger Christian Genzel said...

Natürlich ist es durchaus denkbar, daß die Umfrage nicht darauf abzielt, wen du am liebsten wählen würdest, sondern z.B. wen die Befragten als größtes Übel in der Politik ansehen. In diesem Falle wäre eine Frage wie "Wen würden Sie wählen, Feymann oder Molterer?" ohne Ausweichmöglichkeit sowohl relevant wie auch erlaubt. Wenn selbst ohne sonstige Alternative die meisten Befragten keinesfalls Feymann vorziehen würden, ist das dann auch ein durchaus relevantes Ergebnis.

 

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