Donnerstag, 4. Dezember 2008

Das geheime Wissen

Liebe Verschwörungstheoretiker!

Akte X war vielleicht die Fernsehserie mit der größten Dichte an Verschwörungstheorien. Dies ging sogar so weit, dass eigene Charaktere - The Lone Gunmen - geschaffen wurden, die sich ausschließlich mit solchen Phänomenen beschäftigten. Wer hat Kennedy wirklich erschossen? Gibt es außerirdische Besucher auf der Erde (AREA 51)? Kann uns die Regierung über die Metallstreifen in den Geldnoten orten? etc.
Dann gibt es da noch Erich von Däniken, der schon seit Jahrzehnten davon lebt, dass er die Hochkulturen Ägyptens und Mittelamerikas als direkte Folge außereirdischer Einwirkung darstellt. Im Archiv des Vatikans vermutet man ganz geheime Unterlagen, die die Grundfesten unserer Zivilisation erschüttern würden, machte man sie publik. Nostradamus konnte die Zukunft vorhersagen und jeder x-beliebige buddhistische Guru weiß sowieso viel mehr über das Leben an sich als jeder andere Mensch auf der Welt.
The Da Vinci Code ist nur ein Beispiel von vielen, wie sich mit der angeblichen Existenz geheimen Wissens eine Menge Geld verdienen lässt. Irgendeine Bruderschaft hütet irgendwo seit hunderten von Jahren das Geheimnis des Grals oder sonst irgendeines Objektes, das, wenn es in die falschen Hände gerät, dem Besitzer zu unendlicher Macht verhelfen würde.
Wenn man genau hinsieht, wird in der (amerikanischen) Popkultur ganz oft mit diesem Muster gearbeitet. Der Detektivroman, zum Beispiel, funktioniert genau so: Wenn man nur lange und hartnäckig genug forscht, findet man die ganze Wahrheit heraus.
Woher kommt diese Faszination mit der totalen Wahrheit? Auch die Wissenschaftsgeschichte ist großteils von diesem Verlangen geprägt. Dabei hat gerade das 20. Jahrhundert, speziell in der Astrophysik, gezeigt, dass wir gar nichts wissen. Das Weltall lässt sich nicht mehr ohne dunkle Materie erklären, aber keiner weiß, was das ist. Die Konstanten Raum, Zeit, und Materie sind genau eines nicht: konstant.
Vielleicht entspringt ja der Wunsch nach der totalen Wahrheit genau dieser Gewissheit nichts zu wissen. Der Mensch ist halt fürchterlich limitiert in seinen Fähigkeiten, aber besonders darin sich selbst zu begreifen. Wissen ist sowieso eine heikle Sache. Angeblich wächst ja unser Wissen in einem so rasanten Tempo, dass einem schwindlig werden könnte. Gleichzeitig hat man den Eindruck, dass die Menschen die banalsten Dinge verlernt haben. Teilweise finden sich Ratgeber auf den Bestsellerlisten, bei denen man sich fragt, ob der moderne Mensch überhaupt noch irgendetwas machen kann ohne vorher ein Buch oder eine Internetseite konsultieren zu müssen. Je größer, verlässlicher und öffentlich zugänglicher das Wissen wird, desto unergründlicher scheint es andererseits zu werden. Ohne vermittelnden Spezialisten geht heutzutage gar nichts mehr: vom Blumen einsetzen bis zum Ostereier färben. Aber zurück zum Thema.
Ist die Beschäftigung mit geheimem Wissen, mit Verschwörungstheorien und urban myths nur ein Spiel und Zeitvertreib oder steckt da doch mehr dahinter? Warum verbringen manche Menschen ihr ganzes Leben damit irgendwelche obskuren Dinge nachzuweisen? Bei einem Gerichtsverfahren verstehe ich ja die Wahrheitssuche, aber wer will das Schweißtuch Christi wirklich finden und was haben wir dann alle davon? Warum weiß der Papst, der Dalai Lama, Nostradamus oder Spongebob Squarepants mehr über das menschliche Leben als ich? Vielleicht brauche ich ja nur so viel wissen, um für mich selbst die Welt erklären zu können. Vielleicht muss ich vieles gar nicht wissen und nicht zu allem eine Meinung haben. Vielleicht wurden die Pyramiden einfach von den Ägyptern erbaut.

1 Comments:

At 11. Dezember 2008 um 09:16, Blogger Christian Genzel said...

In der jüngeren amerikanischen Geschichte gibt es zwei Ereignisse, die die Themen Wahrheitssuche und Verschwörungen in die Popkultur gebracht haben: Die Ermordung John F. Kennedys (deren offizielle Erklärung so viele Lücken aufweist und bei der die Untersuchungsergebnisse nach wie vor unter Verschluß gehalten werden, was freilich mißtrauisch stimmt) sowie die Watergate-Affäre (wo tatsächlich gezeigt wurde, daß der Regierung nicht immer zu trauen ist). Insbesondere letzterer Fall dürfte nachhaltigen Einfluss auf die Inhalte der US-Popkultur gehabt haben.

Freilich haben Geheimnisse und Verdachtsmomente, daß die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, schon immer für Stoff gesorgt (denken wir mal an die Freimaurer). Warum? Weil der Mensch neugierig ist. Weil solche Spekulationen die Phantasie anregen.

Ich verstehe das Verlangen, hinter ein Wirrwarr aus Fakten und Daten steigen zu wollen und die tatsächliche Geschichte hinter den Dingen ergründen zu wollen, durchaus. Letzten Endes funktionieren solche Nachforschungen wie Puzzlespiele: Es regt den Geist an, aus hunderten von Einzelteilen ein schlüssiges Konstrukt zu basteln.

 

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