Freitag, 8. August 2008

Dalai Lama

Liebe Ti- und andere Beter! Liebe Trittbrett- und Tibetfahrer!

Manchmal öffnet man die E-Mail eines Bekannten und entdeckt ein PowerPoint Attachment, das man nach Möglichkeit an 5 Bekannte weiterschicken soll, damit es Glück bringt. Darin finden sich neben zahlreichen Bildern des safranfarbenen Religionsentertainers auch noch ...

Die 20 Weisheiten des Dalai Lama:

Beachte, dass große Liebe und großer Erfolg immer mit großem Risiko verbunden sind.
Wenn du verlierst, verliere nie die Lektion.
Habe stets Respekt vor dir selbst, Respekt vor anderen, und übernimm Verantwortung für deine Taten.
Bedenke: Nicht zu bekommen, was man will, ist manchmal ein großer Glücksfall.
Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst.
Lasse niemals einen kleinen Disput eine große Freundschaft zerstören.
Wenn du feststellst, dass du einen Fehler begangen hast, ergreife sofort Maßnahmen, um ihn wieder gut zu machen.
Verbringe jeden Tag einige Zeit allein. Öffne der Veränderung deine Arme, aber verliere dabei deine Werte nicht aus den Augen.
Bedenke, dass Schweigen manchmal die beste Antwort ist.
Lebe ein gutes, ehrbares Leben.
Wenn du älter bist und zurückdenkst, wirst du es noch einmal genießen können.
Eine liebevolle Atmosphäre in deinem Heim ist das Fundament für dein Leben.
In Auseinandersetzungen mit deinen Lieben sprich nur über die aktuelle Situation.
Lasse die Vergangenheit ruhen.
Teile dein Wissen mit anderen. Dies ist eine gute Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erlangen.
Gehe sorgsam mit der Erde um.
Begib dich einmal im Jahr an einen Ort, an dem du noch nie gewesen bist.
Bedenke, dass die beste Beziehung die ist, in der jeder Partner den anderen mehr liebt als braucht.
Miss deinen Erfolg daran, was du für ihn aufgeben musstest.
Widme dich der Liebe und dem Kochen mit ganzem Herzen.

Ich bin dann immer sprachlos. Als Geisteswissenschaftler, Humanist und Christ gehen meine Wurzeln und die meiner Kultur 2500 Jahre zurück, genau zu der Zeit, als Buddha seine Erleuchtung hatte. Da gab es schon Homers Epen, bald darauf die Demokratie in Griechenland, Theater, Philosophen (z.B. Platon) und Aristoteles' Poetik, einen Großteil des Alten Testaments in der überlieferten Form - um nur ein paar wenige Meilensteine zu nennen. Und dann schickt mir jemand die Sprüchlein des Exil-Gottkönigs von Tibet, die er von Omas Sparkassenkalender geklaut hat? Bevor ich mich noch weiter wundere, möchte ich auf Per Hinrichs' Artikel im SPIEGEL vom 27. Juli 2007 verweisen, der die Sache sehr schön polemisch zusammenfasst. (Einfach auf den Titel oben klicken - der ist verlinkt!)

Neben der rein philosophisch-religiösen Seite gibt es dann noch die politische. Anstatt den Dalai Lama und den Tibetkonflikt seriös-sachlich in den nötigen zeitgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen, beteiligen sich die westlichen Medien an einer unglaublichen Propaganda, die den 14. Dalai Lama uneingeschränkt in den Himmel lobt und das chinesische Regime in Peking mehr oder weniger als faschistische Barbaren hinstellt. Ich bin nun wirklich kein Freund der Diktatur, und somit auch nicht der chinesischen, aber diese gezielte Fehlinformation und Manipulation der westlichen Öffentlichkeit macht mir schon Sorgen, besonders aber, dass bei uns jeder diesen Scheiß auch noch glaubt.
Die französische Revolution (1789) ist deshalb ein Schlüsselereignis der westlichen Demokratiegeschichte, weil die Bürger die Nase voll hatten von Sonnenkönigen, Herrschern von Gottes Gnaden und sonstigen Theokraten. 220 Jahre später laufen die Europäer in Scharen zum Gottkönig von Tibet, um sich für 50 Euro die schönsten Sprüche aus dem Poesiealbum aufsagen zu lassen. Tibet war bis zum Einmarsch der Chinesen selbst eine feudale Diktatur, wo reiche Klöster und Adelige auf Kosten der Leibeigenen und der völlig verarmten Landbevölkerung lebten. Was wir als finsterstes Mittelalter bezeichnen, war in Tibet vor 50 Jahren noch gang und gäbe. Aus chinesischer Sicht schaffte Tibet erst den Sprung in die Moderne durch den Einmarsch der Volksarmee. Diese Heilsbotschaft, dass es den Tibetern erst so richtig gut geht seit sie unter chinesischer Herrschaft sind, ist ebenso einseitig wie die Gegenbehauptung, dass Tibet ein Paradies auf Erden war. Ich möchte hier auf den Artikel "Freundlicher Feudalismus - Der Tibet-Mythos" von Marcus Hammerschmitt (http://www.indymedia.org/; 04.07.2008) verweisen, der die Geschichte Tibets kritisch hinterfragt:

http://de.indymedia.org/2008/07/221280.shtml

Mir geht es nicht darum, die eine oder andere Version der Geschichte als Wahrheit zu verkaufen, weil sie es beide nicht sind und in politischen Konflikten immer mit harten Bandagen und Lügen gekämpft wird. Vielmehr möchte ich zeigen, dass jeder im Westen eine jahrelange Gehirnwäsche hinter sich hat - Tibet super, China böse!! - und diese Propaganda laufend mit einem Tatsachenbericht verwechselt wird.
Ich möchte auch dazu aufrufen, diesem elenden Fast-Food-Buddhismus abzuschwören. Nur wer keine Bücher liest und seine eigene Geschichte nicht kennt, ist entwurzelt und braucht diese leicht konsumierbaren Heilsbotschaften. Selbst der christliche HERDER Verlag hat 15 Titel vom Dalai Lama im Programm. Kann ich mich als Christ ohne buddhistischen Klimbim nicht mehr selbst finden?

Labels:

3 Comments:

At 18. August 2008 um 20:03, Anonymous Anonym said...

meister wahn, ihr sprecht große worte gelassen aus ;-)

das neue profilbild passt übrigens hervorragend zu deinen weisheiten *g*

 
At 19. August 2008 um 09:30, Blogger obi-wan said...

Ich wollte provozieren bzw. wachrütteln, weil wir so vieles von dem glauben, was die Medien jeden Tag verzapfen. Wir kennen nichts Anderes und sind zu faul oder überfordert uns selbst zu informieren. In den besten Redaktionen dieses Landes sitzen aber auch nur Leute, die sich - wie die meisten Stammtische - ihre eigene Realität schaffen. Nur leider verkaufen sie diese Meinung als Wahrheit.
Meister Shifu ist super, weil er sich - wie Obi-Wan in STAR WARS - für weise und über-den-Dingen-stehend hält, bis dann plötzlich klar wird, dass er sich fürchterlich geirrt hat und seine Welt zusammenbricht. Erst als er den sicheren Boden der totalen Kontrolle, Berechenbarkeit und Arroganz verlässt, gelangt er langsam zu den wirklichen Einsichten.

 
At 22. August 2008 um 15:15, Blogger Christian Genzel said...

Tibet rulez, yo!

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home