Dienstag, 9. Dezember 2008

Die Volksschule

Liebe Tafelklassler!

Jetzt ist es endlich auch statistisch nachgewiesen: Unsere Volksschüler können nicht ordentlich lesen, schreiben und rechnen. Im Gegensatz zu den meisten und überaus komplexen Problemen unserer Zeit gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung: Man bringt es ihnen nicht bei.

Als ich selbst vor genau 30 Jahren, also 1978, in die Volksschule kam, hatten die Lehrerinnen ein klares Ziel: Man musste Lesen, Schreiben und Rechnen lernen - alles andere war zweitrangig. Wer diese drei Fertigkeiten am Ende der vier Jahre nicht beherrschte, bekam eben schlechte Noten und landete später in der Hauptschule oder, in wenigen Fällen, in der Sonderschule.

Als ich vor 17 Jahren, also 1991, mit meiner Ausbildung zum Hauptschullehrer an der PädAk anfing, war ich ganz schockiert über die offensichtliche Neuorientierung der Volksschullehrerausbildung. 20 Jahre zeitversetzt war da plötzlich die Hippie Pädagogik salonfähig geworden. Alle lungerten am Boden herum, spielten "Blowing in the Wind" auf der Gitarre, und freuten sich auf Kurse wie "Ausdruckstanz" und "Montessori-Pädagogik". Lesen, Schreiben und Rechnen waren mega-out, Selbsterfahrungsspaziergänge für Kinder im Wald dafür mega-in. Damals war mir schon klar, dass sich dieser eklatante Schwachsinn einmal rächen wird.

Als ich vor 13 Jahren, also 1995, in den Schuldienst eintrat, war es völlig normal für Hauptschullehrer die Kollegen in den Volksschulen zumindest schief anzusehen. Viele sprachen aber auch ganz offen von einer klar erkennbaren Vertrottelung der Schüler und Lehrerinnen. Das lag vor allem daran, dass man die ganze erste Klasse Hauptschule dafür brauchte, um den Kindern normale Umgangsformen und den Stoff der Volksschule, also Lesen, Schreiben, und Rechnen beizubringen. Immer mehr Kinder konnten nicht einmal die Uhr lesen, geschweige denn bis 100 im Kopf rechnen. Die Lesefähigkeit war auf dem Stand der 1. Klasse VS steckengeblieben. Textaufgaben im Mathematikunterricht waren eine echte Herausforderung, weil die Kinder zwar den Text mühselig lesen konnten, aber den Inhalt nicht verstanden. Dieser alarmierende Trend wurde dadurch abgefedert, dass noch immer VS-Lehrerinnen einer früheren Generation im Schuldienst waren. Nicht alle verzichteten auf Noten und Disziplin und hatten großes Verständnis, wenn der Hansi lieber in der Kuschelecke liegen wollte als sich mit Mathematik zu beschäftigen.

Als ich vor 4 Jahren, also 2004, eine Stelle an der Uni antrat und die ersten Kinder meiner Generation und somit auch meiner Kolleginnen und Verwandten in die Schule kamen, hörte ich plötzlich äußerst interessante Geschichten aus dem Schulalltag. Die eine Mutter berichtete, dass sie vor Schulantritt der Tochter die Wahl zwischen Frontal mit der Direktorin und Spielpädagogik bei der jungen Kollegin hatte. Sie entschied sich für ersteres. Einer anderen wurde von der jungen VS-Lehrerin erklärt, dass nicht sie für die Disziplin in der Klasse zuständig sei. Da müsste sich schon das Kind selbst durchsetzen. Einer dritten bereitete es echte Schwierigkeiten, dass das eigene Kind mit der Selbstgestaltung des Lernfortschritts über Lernziele und freie Lernphasen restlos überfordert sei. Einer vierten kam es sehr sonderbar vor, dass sich die Lehrerin wochenlang für ein EU-Projekt Zeit nahm anstatt die Kinder für den nächsten Schultyp vorzubereiten.

Heute, also am 9. Dezember 2008, lese ich in der Zeitung, dass in einer internationalen Studie die österreichischen Volksschüler maximal mittelmäßig abschneiden. Das hat, wie gesagt, einen ganz einfachen Grund: viele Kinder können noch immer lesen, schreiben und rechnen, weil die Eltern dahinter sind - nicht, weil sie es in der Schule lernen. Gymnasien machen mittlerweile Aufnahmetests und Privatschulen boomen, weil die Volksschulen erstens ihren Bildungsauftrag verfehlen und, zweitens, irgendwelche Fantasienoten herschenken, die keinem helfen. Die ganze Debatte über Schulreformen hat keinen Sinn, wenn man immer den Kindergarten und die Volksschule ausklammert. Gerade für die 10-jährigen wäre es noch leicht möglich standardisierte Tests zu erstellen. Wer nicht 40% schafft, bleibt in der VS oder geht in eine Sonderschule weiter. Wer 80% schafft, darf ins Gymnasium. Wer dazwischen liegt, geht in die Hauptschule. Bei so einem Test würden schon durchschnittliche Aufgaben aus den Büchern der 4. Klasse VS reichen.
Wir sind aber schon seit Jahrzehnten dabei, die VS und HS in einen totalen Sumpf zu verwandeln, wo jeder irgendwie herumtümpelt und trotzdem seinen Abschluss kriegt. Die linke Bildungspolitik, und das sage ich als Grün-Wähler, ist eine Idiotie sonder gleichen. Wir lassen alle in dieselbe Schule gehen, bilden die Lehrer nicht dafür aus, und stecken kein Geld rein. Das wird sicherlich schon irgendwie gehen.

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2 Comments:

At 11. Dezember 2008 um 09:18, Anonymous Anonym said...

meine rede!
Ich bin ja auch für eine Gesamtschule, es wär halt fein, wenn dadurch alle cleverer würden und es nicht mehr diese Unterscheidung im alter von 10 Jahren schon gäbe. HS oder Gym ist ja in den meisten Fällen eine Lebensentscheidung. anyway - es stimmt, dass die VS massiv auslässt. Vielleicht hat man irgendwann mal vergessen, dass Kinder erziehen und unterrichten eine scheißanstrengende Arbeit ist. Man hat diese nette Pädagogik ohne Druck erfunden, damit jeder der sich net übernehmen will zumindest Lehrer werden kann. is ja kommod - wenn man sich net anstrengen will, kann man immer sagen, man darf die Kinder ja zu nix zwingen.

 
At 11. Dezember 2008 um 09:25, Blogger Christian Genzel said...

Ich glaub, Herr Schwarz war auch auf so einer Schule, wo "Blowing in the Wind" geschrammelt wurde - da werden Kinder schon ganz früh dazu angestiftet, Bob Dylan zu hören und gefühlsinkontinente Liederchen zu summen.

 

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