Montag, 9. Februar 2009

Pretty Woman

Liebe Romantiker,

In der Freitag-Ausgabe der SALZBURGER NACHRICHTEN (6. Februar 2009, S. 10) findet sich ein Interview mit Christian Petzold, dem Regisseur von JERICHOW, das den Titel "Die Liebe in Zeiten des Kapitalismus" trägt. Zur Beziehung zwischen Geld und Liebe befragt, antwortet er:

"Je undurchlässiger eine Gesellschaft aber ist, umso mehr findet die Ideologie der Romantik im Film und in der Musik statt: Die Idee, dass alles möglich ist, auch ohne Geld, dass nur das Gefühl zählt. Und die Figur der Laura weiß davon zu berichten, dass diese Art von Romantik eben nur eine Ideologie ist, dass man sich verkaufen und seinen Preis hochhalten muss, um sich eine kleine Freiheit zu erarbeiten. Gerade für eine Frau mit 35 ist eine wirkliche Unabhängigkeit sehr schwierig."

Der Turbokapitalismus der 1980er und 90er Jahre, der soeben einen vorübergehenden Rückschlag erlitten hat, ist da ein sehr gutes Beispiel. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass Jane Austens Romane seit 15 Jahren eine ungeahnte Renaissance im Kino erleben. Die begeisterten Fans sehen nur die romantische Komödie in Pride and Prejudice, aber die Ehe zwischen Charlotte Lucas und William Collins ist großteils vom Wunsch Charlottes bestimmt sich finanziell abzusichern. Dafür muss sie sich eben an einen wenig begehrenswerten Mann verkaufen. Die Ehe als eine mögliche Form der Zwangsprostitution ist das Damoklesschwert, das über der Geschichte der Frauen durch die Jahrhunderte hinweg schwebt.

Das Hollywood Kino der 80er und frühen 90er ist voll von romantischen Komödien, die, ähnlich wie bei Jane Austen, die Ideologie der Romantik mit jener des Kapitalismus verknüpfen. Während Michael J. Fox in THE SECRET OF MY SUCCESS (1987) noch völlig unbedarft das System zu seinen Gunsten manipuliert, um ganz nach oben zu kommen und in Saus und Braus zu leben, wird er in DOC HOLLYWOOD (1991) eines Besseren belehrt und lernt die Vorzüge des Landlebens und der wahren Liebe schätzen.

Das interessanteste Beispiel ist aber PRETTY WOMAN (1990), die erfolgreichste romantic comedy aller Zeiten, die bei Produktionskosten von 14 Millionen Dollar 463 Millionen eingespielt hat. Das ursprüngliche Drehbuch $3,000 war ein düsteres Drama, das die wirtschaftliche Härte der Reagan/Thatcher Zeit widerspiegelte und eine billige Straßennutte mit einem rücksichtslosen Finanzhai zusammenbrachte. Da die Rechte bei Disney lagen, sprachen sich Produzentin Laura Ziskin und Studioboss Jeffrey Katzenberg (jetzt bei Dreamworks) gegen dieses Szenario aus, weil es nicht in die Disney Faserschmeichler-Linie passte. Also ließen sie das Drehbuch auf romantic comedy umschreiben. Das erklärt auch den völlig hirnrissigen Umstand, dass das überaus sympathische und romantische Traumpaar des Films die sozial bedenklichsten Berufe ausübt. Dazu kommt noch, dass der soziale Aufstieg der Vivian Ward nur über Äußerlichkeiten zustande kommt und sie die ganze Zeit von einem echten Arsch ausgehalten wird. Daher wundert es nur wenig, dass Daryl Hannah, Michelle Pfeiffer und Meg Ryan die Rolle ablehnten und den Film auch heute noch wegen seiner frauenfeindlichen Ausrichtung hassen. Während die ganze Welt nun endlich Topmanager verachtet, die Firmen ruinieren, Angestellte entlassen und sich dabei noch ganz unverschämt bereichern, wird bei Richard Gere gerne über solche Lapalien hinweggesehen. Kann mir jemand den moralischen Kern von PRETTY WOMAN erklären? Aber es ist ja nur eine romantische Komödie. Da geht es halt um andere Sachen. Trotzdem ist der Film hochpolitisch, ob man das wahrhaben möchte oder nicht.

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