Mittwoch, 21. September 2005

13 going on 30

Liebe Twenty- und Thirtysomethings!

Der Grund für die nun folgenden Meditationen über das Alt- bzw. Älterwerden ist leicht erklärt: In etwa drei Wochen treffe ich mich mit meinen ehemaligen Klassenkameraden in Linz, um 15 Jahre nach der Matura über unsere unterschiedlichen Lebensentscheidungen und Erfahrungen zu plaudern.
Natürlich wird wieder jemand die alten Geschichten aufwärmen: Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie wir damals diesen Film am Ende der siebten Klasse gedreht haben? (alles in chronologischer Reihenfolge, weil keiner wußte, wie man so ein Ding schneidet) Oder wie Julia mit Klausis Moped in die Donau gefahren ist? Oder die Maturareise? Oder wie wir den Kasten vor die Klassentür stellten, damit Erwin "Erv" Roth, unser geliebter Physiklehrer, nicht reinkonnte? Oder Julias saublöde Antworten in Geografie? Tausende Geschichten. Und natürlich die alten Namen: Michi, Opi, Rothi, Goldi etc.
Funktioniert Nostalgie nach 15 Jahren immer noch? Oder schon wieder? Nachdem wir jetzt doppelt so lange von der Schule weg sind, als wir dort waren: Wollen wir wirklich hören, wer auf der Südtirolwoche wann wohin gekotzt hat oder wer während Kitzis Geburtstagsfeier um Mitternacht im Freibad nackt baden war? Okay, diese Geschichte kann man sich vielleicht nochmals anhören. Mir bleiben vor allem die Wochenenden bei Wolfgang in bester Erinnerung. Das war immer eine Flucht aus dem grauen Alltag in eine andere Welt: Fantasy III auf dem Amiga 500 spielen, Nazi Referate vorbereiten oder einfach nur herumhängen.
Was ist in den 20 Jahren passiert? Da ich für niemand anderen sprechen kann und auch für diesen Eintrag nichts Privates erzählen werde, bleibt mir nur eine Möglichkeit: "13 going on 30" als Brainstorming über eine Zeit, in der sich vieles verändert - aber auch gleichbleibt.
Erwachsen werden definiere ich immer so: Man lernt mit den eigenen Fehlern und jenen der anderen besser umzugehen. Was lügt man nicht in dieser Zeit allen anderen, aber vor allem sich selbst vor! Wahrscheinlich liegt das daran, dass man damit auch durchkommt. Nicht einmal in der Kindheit übt die Oberfläche eine so große Faszination aus, wie in der Schul- und vielleicht auch noch in der Studentenzeit. Da denkt man noch bequem in Extremen und Superlativen und lässt sich gerne vom Anschein täuschen. Die anderen haben ein so total super Leben und man selbst fühlt sich ständig nur wie der letzte Dreck. Eifersucht und Neid werden natürlich geschickt mit moralischer Überlegenheit kompensiert. Es dauert oft Jahre bis man erkennt, dass jeder von uns ein, zwei substantielle Probleme mit sich herumträgt, die man nicht, oder nur sehr schwer aus der Welt schaffen kann. Man wird, wenn ich grob verallgemeinern darf, bescheidener, realistischer und ehrlicher - zumindest in seinem unmittelbaren Umfeld. Andere mögen das als Desillusionierung sehen, was es ja streng genommen auch ist, aber ich halte es dennoch für eine Grundvoraussetzung, um angemessen weiterleben zu können. Less pretending, more living! Die Resonanz ist auch überwältigend positiv. Selbst mit Thirtysomethings, die man nicht so gut kennt, kann man relativ schnell vernünftig reden. Die besten Freunde haben oft wirklich gute Ratschläge. Schließlich sprechen die auch alle aus eigener Erfahrung und testen nicht irgendwelche Hirngespinste an dir aus.
Bevor jetzt jeder möglichst schnell 30 werden will, kommen hier noch die ernüchternden Tatsachen. Während man als Twentysomething noch bequem im Transit leben kann ("nix is fix"), muss man irgendwann einmal sein Leben so akzeptieren, wie es ist. Da zieht man nicht mehr schnell nach Mexiko um und lernt total viele nette Leute kennen. Da muss man dann, wie Botho Strauß so schön sagt, "Fortschritte machen beim Sichern der eigenen Begrenzung." Für viele Dinge ist es einfach zu spät. Mit jeder Weichenstellung entscheidet man sich immer gegen hundert andere Dinge und viele von diesen sind für immer verloren. Zeit und Energie beginnen endgültig in ein paar wenige Richtungen zu fließen. Wie ein Fluss gräbt man sich in die Landschaft seines sozialen Umfelds ein. Ein bisschen mäandern ist immer möglich, aber wer noch immer mit der Gießkanne unterwegs ist, wird es schwer haben. Dem geht es dann wie einem Glas Wasser, das man auf einer Tischplatte ausschüttet: ganz viel Oberfläche ohne Tiefgang und ständig am Verdunsten.
Sobald man emotional involviert ist, reagiert man leider mit 30 immer noch wie mit 13 bzw. 3 - im Positiven, wie im Negativen. Während man sich oft wahnsinnig blöd vorkommt und sich dafür schämt, wenn man wieder einmal seine Kindergartenspielchen abzieht, hindert das einen kaum daran bei nächster Gelegenheit wieder einen beachtlichen Niveausturz in Kauf zu nehmen: "Aber du warst noch viel gemeiner zu mir als ich zu dir." Oder: "So, jetzt mag ich dich nicht mehr, weil du immer so böse zu mir bist." Oder: "Jetzt rufe ich sie erst recht nicht an. Soll sie sich melden." Man möchte ja vernünftig und erwachsen sein, aber was soll man denn tun, wenn man im Recht ist. Wer ist denn so blöd und lässt sich eine Chance entgehen richtig sauer sein zu dürfen?
Meine Nostalgie wird sich beim Klassentreffen in Grenzen halten. Bevor ich mir stundenlang Geschichten anhöre, die ich schon (fast) alle kenne, möchte ich doch lieber erfahren, wie es beim BKA, in der TU, als Zahnarzt, Chirurg oder Kunsttstofftechniker ist. Sorry, Rothi, aber vielleicht kann ich deine leidenschaftliche Beziehung zu Plastik doch nicht teilen!

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3 Comments:

At 22. September 2005 um 15:59, Anonymous Anonym said...

Lieber Obi-Wa(h)n!

Die Antwort auf dein bevorstehendes Maturatreffen lautet Alkohol. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass bis auf das ein oder andere interessante Gespräch die damaligen Alpha-Typen (daran wird sich auch nichts geändert haben)die alten Geschichten neu aufbringen bzw. über diejenigen schimpfen werden, die es leider nicht zum Maturatreffen geschafft haben. Mein Tip daher: such dir diejenigen aus, mit denen du wirklich sprechen willst und sauf dir den restlichen Abend einfach schön. Und nie vergessen: the older the wine, the gooder it is!!!
In diesm Sinne, splishy splashy, Balberith

 
At 22. September 2005 um 17:57, Anonymous Anonym said...

Yes, but the more expensive it is, the gooder it is also!

 
At 23. September 2005 um 11:50, Anonymous Anonym said...

Erwachsen werden heißt, das Richtige zu tun, obwohl es die Eltern empfehlen.

Apropos Klassentreffen: Richte dich einfach darauf ein, dass alle Leute genauso sind wie früher. Und die Gruppendynamik ist auch noch genau die gleiche.

 

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