100 Jahre OBSTGARTEN
Liebe Leser!
Okay, den Obstgarten gibt es erst seit 100 Ausgaben und nicht seit 100 Jahren, aber im Freudentaumel darf man schon mal ein bisschen übertreiben. Aus gegebenem Anlass gibt es jetzt ein Serienspecial - THE MAKING OF OBSTGARTEN, einen Blick hinter die Kulissen dieser überaus populären Unterhaltungsserie.
Zur Geschichte:
Als im März 2005 der Vorschlag von Chris Genzel kam einen eigenen Blog zu starten, ging es mir wie Kollege Faust: "Zwei Seelen schlagen, ach, in meiner Brust." Einerseits fand ich die wie selbstverständlich betriebene, exhibitionistische Zur-Schau-Stellung der eigenen Banalität, wie sie besonders in US-amerikanischen Blogs geradezu zelebriert wird, ganz scheußlich und wollte damit auf keinen Fall etwas zu tun haben.
Andererseits faszinierten mich die kreativen Möglichkeiten dieses Formats. Also beschloss ich die Tradition bewusst zu durchkreuzen und fing am 7. April 2005 mit dem Newsletter einer Sekte an (DIE OFFENBARUNG), der in erster Linie blöd sein sollte. In der zweiten Episode stecken noch genug Sprachspielereien und offensichtlicher Blödsinn drinnen, aber bereits hier schleichen sich Storyelemente ein, die sich durch den ganzen Blog ziehen würden. Ab Ausgabe drei geht der 'Humor' zunehmend verloren und das ganze wird ein Fortsetzungsroman in Echtzeit, der sich zwei Monate später aus Zeitgründen nicht mehr fortführen lässt. Trotz der kurzen Lebensdauer von 29 Folgen kann sich der komplexe Schwachsinn der OFFENBARUNG immer noch sehen bzw. lesen lassen (Eigenlob stinkt, but there you go!).
Bereits in der zweiten Aprilwoche wurde der Ruf laut, neben der OFFENBARUNG einen zweiten Blog zu starten - diesesmal einen richtigen. Ich wehrte mich dagegen, weil bereits die OFFENBARUNG sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Der zweite Blog müsse aber nicht zusammenhängend, in Echtzeit und somit täglich fortgesetzt werden, was der ganzen Sache den Druck nehmen würde. Ich ließ mich dann doch überreden und am 13. April 2005 ging die erste Folge des OBSTGARTENs auf Sendung. In der allerersten Ausgabe dankte ich Chris für seine Hartnäckigkeit und den wunderbaren Namen der Seite und tue das hiermit wieder.
Zur Konzeption:
Wie gesagt, ich wollte nichts Persönliches auf dieser Seite, kein kommentiertes Alltagsleben, keinen Seelenstriptease oder ähnlichen Klamauk. Da kam mir der Begriff OBSTGARTEN als Motto sehr recht: Kraut und Rüben sollten es sein, kleine nutzlose Beobachtungen und Erlebnisse, die man überdimensional aufblähen konnte, faule Früchte und Gustostückerl vom Komposthaufen, oder solche Gedankengänge, die man im Alltag nicht weiterverfolgt.
Daneben gibt es ja noch ein offizielles Motto:
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten. (Karl Kraus)
Neben dem eigenen Schwachsinn musste also noch Platz sein für die Absurditäten der Massenkultur, besonders diejenigen des Fernsehens.
Darüber hinaus sollte es keine einheitliche Stimme geben. Ich wollte nicht homogenisierend eingreifen und alles erklären: Ironie, Ernst, Schwachsinn, Übertreibung, Political Incorrectness, etc. sollten gleichberechtigt und unkommentiert (Vorsicht, das ist jetzt ironisch gemeint!) nebeneinander stehen.
Zum Ergebnis:
Nun, nach 100 Folgen Obstgarten lässt sich schon ein bisschen sagen, wie sich die Seite entwickelt hat. Am überraschendsten für mich selbst ist, wie persönlich sie ausgefallen ist. Das sieht man wahrscheinlich aber nur in der ganzen Tragweite, wenn man mich ein wenig besser kennt und zwischen den Zeilen lesen kann. Gott sei Dank macht sich niemand die Mühe und bastelt aus den vielen kleinen Mosaiksteinchen ein Bild zusammen. Es ist nämlich erstaunlich, wie gerade aus dem ganzen Stückwerk ein kohärentes Bild entsteht. Auf dieser Seite erfährt man mehr über mich, als mir lieb sein könnte. Natürlich bin ich mir der Ironie dieser Aussage bewusst. In meinem Bestreben nichts von mir preiszugeben bin ich völlig gescheitert. Andererseits bin ich auf den Blog, so wie er ist, sehr stolz - besonders auf die vielen eher schwierigeren Beiträge, die keine Kommentare bekommen haben. In denen finde ich mich selbst am meisten.
In unserer kurzlebigen Zeit sind 100 Ausgaben bzw. 15 Monate OBSTGARTEN schon fast eine Dauereinrichtung. Manchmal fragt man sich ja, ob man noch genug Ideen hat, um weiterzumachen, oder ob man überhaupt weitermachen sollte. Bei der 200. Ausgabe Ende 2007 sehen wir weiter.
2 Comments:
Den letzten Absatz noch nicht ganz zu Ende gelesen, schrillten schon alle Alarmglocken bei mir: von dir erfährt man rein garnichts!!
(Nun, wohl im speziellen erfahre ich rein garnichts persönliches von dir, da unsere Bekanntschaft ja hauptsächlich durch die Blog-Community am Leben erhalten wird. Aber Chris und C2 haben sich des öftern das Hirn zermartert, warum man aus einem "Wahn" nichts verwertbares herausbringt.)
Nun, vielleicht gibt es gerade deshalb schon solange den Obstgarten, weil wir nie müde werden doch noch irgendwo der Person auf den Grund zu gehen bzw. auf die Schliche kommen zu können.
Abgesehen davon - es muss ja nicht immer Seelenstriptease sein, mancheiner (so wie ich) betreibt dieses Online-Tagebuch aus kathartischen Zwecken ... weil ab und zu der Kontakt zur Außenwelt doch schwer fällt und man sich nichtsdestotrotz irgendwie bemerkbar machen will - und außerdem: selten habe ich soviel gelacht!!
Ironie erkennen ja die wenigsten wenn sie ihnen gegenübersteht, aber wendet man sie derart gekonnt und fein gestreut an, wie es nur der "Wahn" kann ... tja dann möchte ich nur hoffen der Schreibstil bleibt auch die nächsten 100 Ausgaben so unterhaltsam (und natürlich auch informativ ;-).
Liebe Martina!
Vielen Dank für die Blumen und die treue Leserschaft. Aber nun zu deiner Anmerkung bzw. versteckten Frage: Ich denke schon, dass man eine ganze Menge über mich erfährt. Abgesehen von meinen Hobbys und anderem Alltagskram findet man genug darüber, welche Themen mir wichtig sind und wie ich die Welt sehe. Während ich mich für die Scherz-Blogs von Fundstücken inspirieren lasse, die mir zufällig unterkommen, sind die Themen der ernsteren Einträge alles andere als zufällig.
Wenn man mich als Privatperson nicht durchschaut (wieder ein anderes Thema), dann liegt das vor allem daran, dass ich das so will bzw. dass man sehr viel wissen müsste, um einzusehen, warum ich genau so agiere, wie ich das tue und gar nicht anders kann. Früher hatte ich einmal das starke Bedürfnis den anderen permanent zu erklären, warum ich was wie mache. Jetzt denke ich mir eher: Scheißegal, ich kann sowieso nur meinen Weg gehen, wie er ist. Wer sich ein bisschen dafür interessiert, kann ja mal vorbeischauen, aber das große Aha-Erlebnis wird ausbleiben.
Ich werde aber bei den nächsten Einträgen versuchen, ein bisschen mehr Privat und weniger Staat bzw. Salat reinzubringen.
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