Donnerstag, 2. Dezember 2010

Harry Potter 7

Liebe Potterianer,

ich habe vor kurzem Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (Teil 7) im Kino gesehen. Auf IMDb und anderen Seiten gibt es zahllose Rezensionen, die den Film für den besten der Serie halten. Dem kann man nur unter gewissen Vorbehalten zustimmen. Roger Ebert trifft, wie so oft, genau den Kern, wenn er meint, dass der Film für Nicht-Potterianer völlig sinnlos ist. Damit meine ich nicht nur das Interesse an der Serie prinzipiell, sondern vor allem das Potenzial des Films für sich alleine irgendeinen Sinn zu ergeben. Dieses ist nämlich nicht einmal ansatzweise vorhanden. Es handelt sich für Uneingeweihte um das absurdeste Sammelsurium von Szenen, die man sich nur vorstellen kann. Ständig tauchen irgendwelche Charaktere (dutzende!) aus dem Nichts auf, tun irgendetwas und sind schon wieder weg. Harry, Hermine und Ron sitzen den ganzen Film blöd herum und warten darauf, dass irgendetwas passiert. Dabei darf sie der Zuseher eingehend beobachten - lange Einstellungen völlig ohne Dialoge. Wer auch nur annähernd Film mit Bewegung assoziiert, wird hier eines Besseren belehrt: manche Diavorträge haben mehr Action als Potter 7.

Wie kommen also jene verwirrten Menschen auf die wahnwitzige Idee, es könnte sich um den besten der ganzen Serie handeln? Nun, wenn man den Film aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, fallen einem eine Reihe von Qualitäten auf, die man, ob der peinigenden Langeweile oder Konfusion, leicht übersehen könnte. Dazu gehört vor allem die Stimmung des Films, die schauspielerische Leistung der Jungdarsteller, und der Umstand, das hier etwas nachgeholt wird, das in allen bisherigen Verfilmungen fehlte.
Während die Romane dicke Wälzer mit mehreren hundert Seiten sind, muss eine Filmfolge mit maximal 2 1/2 Stunden auskommen. Deshalb fielen in den ersten Teilen oft die ruhigeren, persönlicheren, und tragischeren Momente der Romanvorlage in der Filmversion der Zeitbeschränkung zum Opfer. Da wurde lieber auf Action und comic relief gesetzt. Dieser Film liefert all diese Momente in einer zweieinhalbstündigen Elegie nach. Potter 7 ist ein Film über traumatisierte Jugendliche, die alles verloren haben und lange vor ihrer Zeit erwachsen geworden sind. Dass die Schaupieler viel älter als ihre Figuren sind, stört gerade hier nicht. Es zeigt eher, wie groß der Unterschied zwischen biologischem und sozialem Alter ist. Am Ende ihrer Ausbildung als Magier, wenn sie mit einem Wink ihres Zauberstabs töten können, erscheinen sie als die macht- und hilfslosesten Kreaturen überhaupt. Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint sind nun auch alt genug, um das überzeugend spielen zu können. Deshalb beinhaltet der Film einige der besten Szenen in der ganzen Serie. Daran besteht kein Zweifel.
Das Hauptproblem des Films ist jedoch, dass er wie ein einziger reaction shot auf Umstände wirkt, die im Film selbst nicht gezeigt werden. Selbst für diejenigen, die mit der Gesamterzählung vertraut sind, kann das ein wenig mühsam sein. Die Dramaturgik des Films widerspricht eigentlich jeder Daumenregel des Drehbuchschreibens, z.B. der Tod einer Figur bewegt die Zuseher nur dann, wenn diese ordentlich eingeführt wurde. Dazu kommt noch, dass es nur der erste Teil des siebten Bandes ist und somit keinen ordentlichen Schluss hat, ein weiteres no-go für jeden Film. Die paar wenigen Details, die die Handlung tatsächlich vorantreiben, hätte man locker in den nächsten Film integrieren können. Die Gewichtung der gezeigten Elemente stimmt nicht mehr: Mad-Eye Moody taucht kurz auf und ist gleich tot, der ältere Weasley Bruder taucht kurz auf und heiratet, Ginny taucht kurz auf und küsst Harry, Voldemort taucht kurz auf und plant Harrys Tod etc. Dutzende Figuren erscheinen für eine Minute und sind gleich wieder weg. Die restlichen zwei Stunden sehen wir Harry, Hermine und Ron beim Davonlaufen und Leiden zu. Das geht so nicht. Das ist kein Film bzw. keine ordentliche Erzählung. Schon Teil 5 und 6 haben unter der Schwere der Gesamterzählung und der Masse der Charaktere gelitten, aber hier, im siebten Teil, wird es wirklich problematisch.
Mithilfe dieser Ausführungen wird hoffentlich klar, warum ich Potter 7 für den besten und schlechtesten Film der ganzen Serie halte. Was Steve Kloves (Drehuch) und David Yates (Regie) aus manchen Szenen herausholen, ist atemberaubend gut gelungen, aber leider verspielt der Film seine Wirkung in der Gesamtkomposition bzw. im Schnitt.      
Das persönliche Highlight für mich war Ben Hibon's animierter Kurzfilm "The Tale of the Three Brothers", der den Ursprung der Heiligtümer des Todes erklärt - ein kleines Meisterwerk, das dem Regisseur - völlig zurecht - bereits neue Angebote eingebracht hat. Interessanterweise haben die Heiligtümer des Todes, nach denen der Film ja eigentlich benannt ist, ebenfalls nur einen Kurzauftritt, was mich nicht wenig erstaunt. Worum geht es in diesem Film überhaupt?                          

Labels: