Donnerstag, 12. Mai 2005

Carnivàle - ein Nachruf

Liebe Varietékünstler!

Der Zirkus hat geschlossen! Die Zelte werden abgebrochen! Nach nur zwei Staffeln hat sich HBO dazu entschlossen, eine der interessantesten Serien der letzten Jahre nicht mehr zu erneuern.
Die technische Brillanz der Produktion steht ohnehin außer Frage: Carnivàle erhielt bei den letzten Emmy Awards im September 2004 5 Trophäen im Bereich Creative Arts, unter anderem für Cinematography. Seit es High Definition und Widescreen nun auch für Serien gibt, sehen viele Produktionen hervorragend aus, aber Carnivàle ist die Krönung. Alleine die Konsistenz in der stark reduzierten Farbpalette ist eine Meisterleistung. Viele Einstellungen könnte man ohne Bedenken rahmen und an die Wand hängen.
Nachdem ich mittlerweile süchtig nach Jeff Beals Soundtrack bin, bleibt mir sowieso nichts anderes übrig, als diesen besonders hervorzuheben. Schon in der Pilotfolge fiel mir auf, dass die Musik perfekt zur Serie passt. Den wirklichen Ausschlag gab aber der Schluss der siebten Folge: "The River". Brother Justin muss darin akzeptieren lernen, dass er schon als Kind diabolische Fähigkeiten hatte und seine Schwester davon wusste. Am Ende ruft er Iris an und konfrontiert sie mit dieser Tatsache. "Justin Calls Iris" klingt auf dem Soundtrack schon ziemlich schaurig-schön, aber in Kombination mit dem Film, wenn man eine Stunde lang seine Tortur miterlebt hat, ist es einfach eine Wucht.
"The River" ist für mich sowieso der Wendepunkt der Serie. Davor versuchen die beiden Gegenspieler verzweifelt ihrer Vorherbestimmung zu entrinnen. Der Zuseher wird mit äußerst schrägen Charakteren und unverständlichen, ominösen Begebenheiten und Visionen konfrontiert, die auf die Vergangenheit, aber auch auf kommende Ereignisse verweisen. Kennt man alle Folgen, versteht man auch, warum dieser Anfang gewählt wurde. Hier liegt aber vielleicht auch das große Problem der Serie: Beim ersten Ansehen ist man fast überfordert und muss sich durch die ersten Folgen hindurchkämpfen. Ben und Justin sind nicht gerade Identifikationsfiguren und die Zeichen und Wunder verwirren einen in dem Maße, wie sie einen anziehen. Bleibt man aber dran, wird man langfristig mehr als belohnt.
Carnivàle ist eine komplexe Geschichte, die wie keine andere den Zuseher herausfordert. Während Revelations, das wegen inhaltlicher Parallelen noch am ehesten als Vergleichsmaßstab dient, auf einfache Schwarz-Weiß-Zeichnung setzt und mit plakativen "revelations" punktet, ist Carnivàle viel subtiler. Die langsame Entwicklung der Charaktere zu beobachten ist definitiv anstrengender als ein Feuerwerk von Wundern präsentiert zu bekommen.
Ich werde Carnivàle auf jeden Fall vermissen. Vielleicht geschieht ja noch ein echtes Wunder und HBO ändert seine Meinung. Wäre nicht die erste Serie, die von den Toten wieder aufersteht.

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2 Comments:

At 12. Mai 2005 um 14:25, Blogger Christian Genzel said...

Genau, da war ja noch, äh, STAR TREK, und ... äh, ja. Jedenfalls muß ich mir die Serie doch wohl noch ansehen, um endlich herauszufinden, was Gut und Böse eigentlich gegeneinander haben.

 
At 2. Februar 2011 um 19:49, Anonymous schwarz said...

Jahre sind ins Land gegangen und jetzt hab ich mir das Vergnügen auch endlich zu Ende gegeben. Gewaltige Serie, ewig schade, dass es nicht weitergeht. Wobei - wenn man durchs Netz geistert findet man diverse Hinweise wie es weiter gegangen wäre und vorallem, dass die zweite Staffel ja so erzählt wurde als gäbe es eine dritte. Und mir war die 2. zum Schluss schon ein wenig zu plotgetrieben. Keine Ahnung was sie noch aufgemacht hätten, wahrscheinlich wäre aber aus Sofies Omega noch etwas sehr Interssantes geworden. Und so wies aussieht hätten sie ab Staffel 3 ja eh alles völlig auf den Kopf gestellt und uns wieder mit Riesenfragezeichenim Gesicht durch die Folgen tapsen lassen. Nein doch ich bleib dabei - es wäre großartig weitergegangen.

 

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