Donnerstag, 27. Juli 2006

Straßentheater

Liebes Publikum!

Beim Wort "Straßentheater" denkt natürlich jeder an den gelben Belag vor dem Festspielhaus (Hofstallgasse) oder zumindest an die Touristen, die sich sonnenstichgeschwächt durch die Altstadt schieben. Dabei gibt es eine Kulturinitiative "Salzburger Straßentheater" die seit 1970 auf einem pferdegezogenen Bühnenwagen (Thespiskarren) Stücke für die Allgemeinheit kostenlos zur Aufführung bringt. Stiegl Bier sei Dank!
Gestern begab ich mich also in den Lehener Park, um dem Spektakel beizuwohnen. Auf dem Programm stand Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais' La Folle Journée, ou Le Mariage de Figaro (1778; Uraufführung am 27. April 1784), das als Grundlage für Mozarts Le nozze di Figaro diente. Die Übersetzung lieferte der österreichische Lyriker H.C. Artmann (1921-2000).
Während dem Stück heutzutage jegliche politische Sprengkraft fehlt, kam die sechsjährige Zensur nicht von ungefähr. Figaro hält darin eine leidenschaftliche Rede über die Rücksichtslosigkeit des überprivilegierten Adels, dem alles in die Wiege gelegt ist. Ohne Eigenleistung stehen ihm alle Türen offen, während der Rest der Bevökerung nur unter Aufbietung aller Kräfte das eigene (finanzielle) Überleben sichern kann. Man darf ja nicht vergessen, dass kurz darauf die Französische Revolution über die Bühne ging (1789) und der Volkszorn schon Jahre davor schwelte.

Das Besondere ist jetzt nicht so sehr das Stück, sondern der back to the roots approach to acting, der in diesem Projekt zum Ausdruck kommt. Mit einfachsten Mitteln wird man hier in eine andere Welt versetzt. Wie im Mittelalter bzw. zu Shakespeares Zeiten gibt es nur eine spärlich dekorierte Bühne, kaum Requisiten, dafür aufwändige Kostüme und die Leistung der Schauspieler, besonders in stimmlicher und gestischer Hinsicht, da man im Lehener Park gegen den Lärm des Kinderspielplatzes anspielen muss. Dies alles haben die beteiligten Künstler hervorragend gelöst und ich habe mich sehr gut unterhalten.
Auf wunderbare Weise bekommt man hier einen Einblick, wie Theater ursprünglich Kunst für das Volk war und alle gleichermaßen ansprach. An der begeisterten Reaktion des gemischten Publikums konnte man ablesen, dass in Zeiten der high tech Blockbuster solche Formate immer noch funktionieren.