Donnerstag, 27. August 2009

Panadelsuppe

Liebe Gourmets!

Neulich, zu Besuch im Landeskrankenhaus Salzburg. Um die hirnzermarternde Langeweile etwas zu dämpfen, studiert man mit großer Hingabe jegliches Schriftstück, das man in die Hände kriegt, wie etwa den wöchentlichen Speiseplan. Dieser kündigte an jenem Tag eine Panadelsuppe an. Oha! Das hatte ich noch nie gehört! Kurze Umfrage im Zimmer: Wer sah sich schon einmal mit einer Panadelsuppe konfrontiert? Niemand. Auch die Schwester war ratlos: Sie werden's nicht glauben, aber das haben mich schon ein paar Patienten gefragt. Ganz im Gegenteil, das glaubte ich gerne. In einer Zeit, in der die Küche immer globaler wird und unzählige Fernsehköche auch noch den hartnäckigsten Knödelfresser zum Gourmet und Bon Vivant umerziehen, ist es schon ungewöhnlich, wenn man bei simpel klingenden Gerichten plötzlich stutzig wird. Wir reden hier ja nicht von einer Wonton Suppe mit Bok Choy, sondern einer Panadelsuppe. Das klingt doch irgendwie vertraut, um nicht zu sagen österreichisch. Panadel, Panadel, Panadel ...

Die Nudelsuppe kennt der Österreicher sehr gut. Neben der Grießnockerlsuppe und der Leberknödelsuppe gehört sie zu den beliebtesten Vorspeisen. Haben die sich etwa verdruckt? Sollte das Nudelsuppe heißen? Ein a statt dem u? Aber was ist dann mit dem Pa-? Hier könnte die Rechtschreibreform greifen. Da man "paar" eben nur als "pa" ausspricht, darf man das jetzt auch so schreiben. Folglich ist eine Suppe mit ein pa Nudeln gemeint. Vielleicht handelt es sich sogar um die ersten Anzeichen des Krankenhaussparpakets. Während man früher ganze Berge von Nudeln reinwürgen musste, um den flüssigen Anteil der Speise überhaupt zu Gesicht zu bekommen, gibt es jetzt nur mehr ein pa. Oder meinen die tatsächlich eine Nadelsuppe? Christbäume und ähnliches Gestrüpp hätten wir ja genug. Oder kochen die die Spritzen aus? Wiederverwenden dürfen sie diese ja nicht, aber wenn man sie auskocht? Ein bisschen Schnittlauch wirkt oft Wunder.

Nein, der Ansatz ist völlig falsch. Das L in diesem Wort ist das typische österreichische L am Wortende, wie etwa in Jackerl, ein bisserl, oder Hefterl - ein Diminutiv, wie der Linguist sagt. Damit wird das Hochdeutsche österreichisiert. Aus dem Sack wird ein Sackerl, aus der Lache ein Lackerl, aus dem Knack die Frau Knackal. Das gesuchte Wort lautet also: Panade. Aha! Das habe ich schon einmal gehört. Sagen die Deutschen nicht zur Panier Panade? Oh Schei..benkleister! Die werden doch nicht ...? Ein kurzer Blick auf den Speiseplan verrät, dass es in den letzten Tagen nichts Paniertes gab: keine Schnitzerl, keine Schwammerl, keine Knackerl. Haben die Wahnsinnigen etwa extra eine Panier gemacht, nur um damit eine Suppe anzurühren?

Da fällt mir altem Romanisten noch etwas ein: Panade kommt von 'pan' und so heißt das Brot noch immer im Spanischen. Also ist eine Panade etwas, das aus Brot gemacht ist, wie etwa die Panier, die ja auch aus zeriebenem Weißbrot besteht. Gleiches gilt für die Maskerade, die Schokolade und die Marmelade, die ja bekanntermaßen ... okay, vielleicht ein schlechtes Beispiel. Doch - Google sei Dank! - eine neue Wendung in den Ermittlungen: 'marmelo' kommt aus dem Portugiesischen und bedeutet 'Quitte'. Vielleicht haben diese alten Olivenzuzler tatsächlich Quitten dadurch haltbar gemacht.

Und plötzlich war es halb zwölf - Essenszeit! - und die Schwester brachte das Tablett herein. Ich war gespannt wie ein Drahtseil! Wie wird sie wohl sein, die mystery soup des LKH? Da sie ohnehin niemand haben wollte, konnte ich meiner wissenschaftlichen Neugier freie Bahn lassen. Zuvor noch schnell eine Probe entnommen, falls sich der Magen nicht damit anfreunden kann und der zuständige Arzt nachher wissen will, wie es zu der Vergiftung kam. Und dann die erste Kotz.. äh, Kostprobe: breiig, irgendwie doch wie Panier, aber als Suppe, so wie Grießsuppe, nur eben nicht mit Grieß, sondern mit Weißbrot.

Und das ist auch des Rätsels Lösung: Panade ist ein französisches Wort, das so viel wie 'Brotbrei' bedeutet und als Bindemittel für Füllungen aller Art eingesetzt wird. Das erklärt vieles, aber nicht alles: Warum kommt jemand auf die wahnsinnige Idee daraus eine Suppe zu machen? Antwort: Die Not macht erfinderisch. In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, wie etwa während des Krieges, griffen die Österreicher auf sehr einfache Rezepte zurück, wie etwa die Panadelsuppe. Dass nun diese vom LKH wiederentdeckt wurde, darf ruhig als Omen gesehen werden.