Donnerstag, 20. August 2009

WATCHMEN

Lieber Alan Moore Fanclub!

Ich habe es endlich geschafft WATCHMEN zu sehen. Wie schon bei 300 (2006) gelingt es Zack Snyder ein Comic detailgetreu (so weit als möglich) für die Leinwand umzusetzen. Dieser Film wirft aber - noch viel mehr als 300 - eine der Grundfragen der Filmadaption auf: Wie schaffe ich es einen zeitgeschichtlichen Stoff für ein zeitgenössisches Publikum aufzuarbeiten?

Im Gegensatz zu 300 ist WATCHMEN eben nicht einfach nur eine Geschichte, sondern engstens mit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts verbunden: Thatcher, Reagan, der kalte Krieg, die atomare Bedrohung, die Aushöhlung des Sozialstaats, Turbokapitalismus, der Aufstieg nationaler Konzerne zu internationalen Playern, Weltuntergangsstimmung, Verrohung der Sitten etc.
Darüber hinaus ist WATCHMEN ein Comic, das im Superheldengenre eine neue Ära einläutet, indem es konsequent seine Grundfesten dekonstruiert. Nur ein kleines Beispiel: Superheldencomics verwenden fast ausschließlich Primärfarben (rot, blau, grün) und die Sekundärfarbe gelb, was man an Supermans Outfit sehr schön sehen kann. WATCHMEN setzt diesem Phänomen eine Farbpalette entgegen, die auf Sekundärfarben, wie zum Beispiel violett, beruht. Neben vielen anderen technischen und strukturellen Neuerungen wird auch der Mythos des Superhelden grundlegend zerstört. Die typische Dichotomie von Superhelden und Superbösewichtern wird aufgehoben, indem Moore diese einfach gleichsetzt. Das führt zu der absurden Situation, dass sich viele Leser mit Rorschach identifizieren, den mit Abstand gestörtesten "Helden" dieser ohnehin kranken Ansammlung von übermächtigen Psycho- und Soziopathen. Für intelligente Comicsleser in den 80ern war WATCHMEN ein Paukenschlag, eine Sensation, eine Offenbarung. Deswegen ist von WATCHMEN als einer Einstiegslektüre in die Comicswelt mehrfach abzuraten, weil man sehr viel über die 80er wissen muss, um das Buch zu verstehen.

Nun, das Kinopublikum von heute versteht sehr wenig von den 80ern und wahrscheinlich gar nichts von der Geschichte der Comicsliteratur. Trotzdem entscheidet sich Snyder dazu das Buch so umzusetzen, wie es ist. Das führt nun dazu, dass der Film ähnlich befremdlich auf die Zuseher wirkt, wie das Comic auf zeitgenössische Leser. Alan Moore zog seinen Namen von diesem Projekt zurück, weil er schon mit den Filmadaptionen von FROM HELL, THE LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN, und V FOR VENDETTA schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
Snyder hätte also die Chance gehabt eine radikale Adaption vorzulegen, die den Kern des Comics bewahrt und auf aktuelle Ereignisse eingeht: Amerikas Superhelden verbünden sich mit George W. Bush, gewinnen den Afghanistan und Irak Krieg, schlagen Demonstrationen für Umweltschutz und Frieden blutig nieder, verwüsten halb Südamerika, um die Drogenbanden zu bekämpfen und errichten am Schluss einen christlich-faschistischen Staat mit Bush als Diktator. Zu radikal? Wäre es nicht interessant zu sehen, wie Superman, Batman, Hulk, die Fantastischen Vier, und Captain America eine ganze Hochzeitsgesellschaft im Irak hinmetzeln, um einen Rebellenführer zu fassen?

Wie schon 300 vor ihm ist WATCHMEN ein Film, dessen Botschaft/Sinn/Bedeutung keiner versteht. Beide beruhen auf ideologisch völlig konträren und nicht unproblematischen Ideologien (Frank Millers tendenziell faschistische Comics, Alan Moores sozialistisch-anarchistische Arbeiten in den 80ern), aber Snyder bezieht keine Stellung. 300 ist wenigstens noch ein ästhetisch interessanter Sandalenfilm für die Freunde gepflegten Gemetzels, aber WATCHMEN ist gar nichts. In den drei Stunden, die der Film dauert, sieht man eine makellose visuelle Umsetzung des Comics, die aber alles sein und einarbeiten möchte und gerade dadurch im Kern nichts mehr ist.

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