Samstag, 24. September 2005

Global Village People

Liebe Onliners!

Im dritten Teil der Bildungs-Misere (kurz für: Miniserie) geht es um sogenannte Laptopklassen. Dabei handelt es sich um einen Zweig in der Handelsakademie, in dem die Schüler in jedem Fach online sind und der Unterricht fortwährend auf Material aus dem Internet zurückgreift. "Coole Sache!" denken sich da viele, denn hier scheint die Schule endlich einmal am Puls der Zeit zu sein. Denkt man aber ein bisschen länger darüber nach, kommen schnell Zweifel auf.

Die meisten Firmen spionieren bereits ihren Angestellten hinterher, weil diese reihenweise den Versuchungen des Internets erliegen. Dabei muss es sich ja nicht gleich um "Lesbenpeitschinferno 9" handeln. Viele laden sich nur ihre Lieblingsmusik runter, gehen schnell mal bei Amazon einkaufen, lesen die neuesten Klatsch- und Tratschgeschichten oder beantworten private Mails. Während man also in der Privatwirtschaft den freien Internetzugang einschränkt oder den Missbrauch unter Strafe stellt, führt man ihn in der Schule als neues, supermodernes Unterrichtsmittel ein. Natürlich haben sich pubertierende Jugendliche in der Schule viel besser im Griff als Erwachsene im beruflichen Umfeld, aber sollten wir unsere kleinen Engel wirklich mit diesem Instrument des Teufels in Versuchung führen?

Wie früher die Gruppenarbeit wird heute das Internet als Allheilmittel für den Unterricht gehandelt. Dabei wird immer übersehen, dass das Internet an sich ja gar nichts kann, außer wahllos Texte und Bilder zur Verfügung zu stellen, die irgendjemand aus oft unerfindlichen Gründen auf irgendeinem Server deponiert hat. Die Fehlerhäufigkeit ist riesengroß und so sollte auch das Misstrauen des einzelnen Users sein. Aber genau dieses russische Roulette der Wissensvermittlung halten unsere Bildungsverantwortlichen für das Non Plus Ultra im modernen Unterricht. Masse statt Klasse. Dabei besteht die Kunst des Unterrichtens doch gerade in der richtigen Auswahl und Dosierung.

Die Schlüsselfigur in diesem ganzen Spiel ist folglich immer noch der Lehrer. Dieser steht aber vor einem schwierigen Problem: Entweder er übt verstärkt Kontrolle aus und gibt die relevanten Internetseiten für eine Stunde einfach vor - dann könnte er sie gleich ausdrucken, kopieren und austeilen. Oder er läßt dem bunten Durcheinander freien Lauf und verbringt die ganze Stunde damit, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wie bei allen anderen Neuerungen im Schulsystem kommt natürlich noch hinzu, dass der Lehrkörper nicht dafür geschult wird. Das beste Beispiel sind die Integrationsklassen. Würde ein Lehrer die Herausforderung wirklich annehmen, seinen ganzen Unterricht auf Internet und Computer aufzubauen, säße er wahrscheinlich jeden Tag stundenlang davor, um sich selbst halbwegs einen Überblick zu verschaffen und seinen Unterricht den sich ständig ändernden Bedingungen anzupassen. Denn nichts ist so unbeständig wie eine Internetseite.

Vielleicht ist ja jemand so nett und erklärt mir die Bedeutung des Computers für den Unterricht. Und wenn wir schon dabei sind: Wie verbessert der Taschenrechner eigentlich den Mathematikunterricht? Das habe ich nämlich auch noch nie kapiert.

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1 Comments:

At 26. September 2005 um 21:40, Anonymous Anonym said...

Ohne Taschenrechner müssten die Mathe-Lehrer wahrscheinlich in den Maturaklassen noch das kleine 1x1 und die Punkt-vor-Strich Regel in Gleichungen wiederkäuen.
Er ist ein definitives Zeitersparnis, denn bei den algebraischen Fähigkeiten der heutigen Schüler und Studenten kämen die Lehrer wahrscheinlich nicht mal mit einem Drittel ihres Pensums durch.
Wir sind viel zu langsame und faule Kopfrechner geworden; um diesesn schwarzen Punkt auf unserer PISA-Weste zu verschleiern gibts vielleicht bald Taschenrechner für Volksschüler.

 

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