Dienstag, 27. September 2005

Wirt des Jahres

Liebe Freunde der Hausmannskost!

Soeben ist Christoph Wagner und Klaus Egles "Wo isst Österreich? 2005/2006" bei Pichler erschienen. Dieses Standardwerk der österreichischen Kulinarik listet auf 640 Seiten die 1200 besten Wirtshäuser in Österreich, Friaul, Istrien, Slowenien, Südtirol und Ungarn.



Auf dem Coverfoto sieht man die Wirte des Jahres 2005 und somit Preisträger des Römertopfs 2005, der höchsten Auszeichnung dieses Führers. Die Geschwister Sonja und Richard Rauch (20) sind Sprößlinge der Fleischhauerdynastie Rauch in Trautmannsdorf (Südsteiermark). Onkel Johann Rauch, der Erfinder des weltberühmten Johann-Schinkens, ist nicht nur Schlächter und Verwurster, sondern auch Ernährungsberater. Auf seiner Homepage gibt er folgende Empfehlung ab:



"Unser Körper ist der Einzige, den wir haben. Deshalb sollten wir ihn nur mit qualitativ hochwertige Produkte verwöhnen. Mit Fleisch- und Wurstköstlichkeiten aus dem Hause Rauch." Diese werden natürlich nach strengsten EU-Richtlinien hergestellt. Hier sieht man, wie Johann der Kantwurst die Temperatur abnimmt:



Seines Bruders Kinder sind lebendige Zeugen dieser Lebensphilosophie. Das Schmalz ist hier noch Energie-, Wärme- und Trostspender - ein altösterreichisches Lebenselixir. Zwar schlägt sich der übermäßige Genuss auf das Hirn (insbesondere das Sprachzentrum), aber der ungezügelten Freude über die Auszeichnung tut dies keinen Abbruch:



Auf steiermark.orf.at äußert sich Richard über die möglichen Schattenseiten des Erfolges: "Wenn man sich einen Druck macht, dann ist das schon ein Druck; aber so kocht man einfach einen jeden Tag so dahin, und man köchelt so dahin, und die Gäste freuen sich." Seine Philosophie: "Bodenhaftung und Höhenflüge schließen einander nicht aus". Dass der Richard über Bodenhaftung verfügt, nimmt man ihm sofort ab. Seiner Kreativität lässt er dann in der Küche freien Lauf, wo er, in höheren Sphären schwebend, "Traditionelles ambitioniert verfeinert und kombiniert".

Auf der Heimatseite des "Steirawirts" (www.steirawirt.at) präsentiert sich das Gasthaus selbst und plaudert über seine Besitzer. Über seine Wirtin weiß es folgendes zu berichten:

"Sie ist ein echtes Kind der Steiermark, die Sonja Rauch. Aufgewachsen zwischen Brotbackofen, Bauerngarten, selbstgemachtem Topfen und Nusspotitze hat sie so viel Tradition eingeatmet, dass sie mit ihrer Heimat ebenso verwurzelt ist, wie ich, ihr Wirtshaus. Und dann noch die Tatsache, dass bereits der Großvater Fleischhauer war und der Vater, genauso wie heute der Bruder Johann ... Seit meine Wirtin denken kann, gehören Räucherkammer und Bauerngarten zu ihrem Leben, der Herd in Großmutters Küche war niemals kalt und jede Zeit brachte kulinarische Rituale mit sich, an die sie sich heute noch gerne erinnert. Wenn ein solchermaßen lustvolles Geschöpf sich als Wirtin verdingt, und wenn diese Wirtin die Herausforderung liebt, den Wein und den Genuß, dann ist das für ein leidenschaftliches Wirtshaus wie mich Grund zu großer Freude. Und für unsere Gäste hoffentlich auch."

"Lustvoll", "verdingen", "Wein", "Genuß", "leidenschaftlich" etc. Die Signalwörter sind alle da. Hier ist also eine Wirtin, die keine halben Sachen macht. Während sich die verwirrte Städterin im Fitnessstudio einen runterhampelt, zählen hier noch die alten Werte. Stolz berichtet uns das alte Gemäuer, dass sich bei der Sonja seit frühester Kindheit (seit sie denken kann!) alles nur ums Essen gedreht hat. "Der Herd in Großmutters Küche war niemals kalt." Hier wurde also rund um die Uhr gebacken, gebraten, gegart, gedünstet und gekocht. Während die kleine Sonja selig schlummerte - die feisten Ärmchen um Caroline Kant, die wohltemperierte Spielzeugwurst, geschlungen - zauberte die Omi schon wieder neue Köstlichkeiten.
Die Kinder wuchsen mitten im Brauchtum auf: Augenzeugen berichten, dass die kulinarischen Rituale der Familie Rauch dem Orgienmysterientheater in nichts nachstanden. Während die Kinder noch knietief im Blut wateten, gab es schon die ersten Leckerlis direkt aus dem noch warmen Tier. Auf der Heimatseite betont das Gasthaus auch besonders diese Unmittelbarkeit: "Denn was bei uns auf den Tisch kommt, kennt keine lange Anreise."
Während wir degenerierten Städter bald das Schicksal der Dinosaurier teilen werden, ist es für die Menschheit insgesamt noch nicht vorbei. Denn die Trautmannsdorfer verfügen über ein Zaubermittel, das sie vor allen Widrigkeiten des Lebens schützt: das Schmalz. Deshalb setze ich mich jetzt ins Auto, fahre in die Südsteiermark und mache meiner Sonja einen Heiratsantrag.


So fesch!

2 Comments:

At 28. September 2005 um 08:46, Anonymous Anonym said...

Mach vorher einen Zwischenstopp bei einem steirischen Winzer und nimm uns Städtern ein paar Doppler Sturm mit.

Was sind den Nusspotitzen?

 
At 29. September 2005 um 17:39, Anonymous Anonym said...

Nusspotitzen (ein selten schwachsinniger Name für eine Nachspeise) sind eine Steirer Spezialität. Im Internet findet man Rezepte, aber leider keine Bilder.

 

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