We need men like you
Liebe Softies!
Wäre ich im Bereich Gender Studies und Masculinities (der Plural ist hier ganz wichtig!) eingelesen, dann könnte ich jetzt profund über die Serie 24 und die Konstruktion des von ihr propagierten Männlichkeitsideals philosophieren. Da es mir aber am wissenschaftlichen Hintergrundwissen mangelt, muss ich mich auf meinen gesunden (?) Hausverstand verlassen.
Das Besondere an 24 ist, dass neben den üblichen Idealen wie körperliche Fitness, Härte, Durchhaltevermögen, Entschlussfreudigkeit und Verlässlichkeit hier vor allem die Bereitschaft zählt, sich im Dienst der höheren Sache (z.B. "saving millions of lives") über rechtsstaatliche Grundsätze hinwegzusetzen. In einer schweren Krise hat der Staatsdiener nicht nur das Recht, sondern scheinbar auch die Pflicht, Menschenrechte außer Acht zu lassen und z.B. einen Zeugen auf jede nur erdenkliche Weise zu foltern, um Informationen aus ihm herauszuquälen, oder Unschuldige zu erschießen, um die eigene Identität nicht preisgeben zu müssen (in undercover Einsätzen).
Natürlich wird die gegenteilige Position von mehreren Figuren in der Serie vertreten. Auffallend ist nur, dass diese fast durchgehend negativ besetzt sind. Das krasseste Beispiel ist sicherlich der Sohn des Verteidigungsministers, Richard Heller. Während er am Anfang der vierten Staffel seinem überaus dominanten Vater noch halbwegs Paroli bieten kann, entpuppt er sich schlussendlich als pazifistisches, leichtgläubiges Weichei, dessen Coming Out eigentlich nur mehr bestätigt, dass er kein richtiger Mann ist. Ein Vertreter von Amnesty Global, der auf den Menschenrechten eines Gefangenen beharrt, wurde vom Superterroristen nur benutzt, um die good guys lange genug aufzuhalten. Präsident Logan, der einmal sagt "This administration will not condone murder" und erhebliche Bedenken gegenüber gewissen illegalen Machenschaften vorbringt, ist die Witzfigur schlechthin. Auch Frauen und Jugendliche sind, mit wenigen Ausnahmen, tendenziell schwach und reagieren oft zu emotional.
Die interessante Folge dieses Männlichkeitsideals ist es, dass Jack Bauer und Marwan, das terroristische Superhirn, sich derselben Methoden bedienen, um in ihrem fanatischen Eifer irgendwelche großen Ziele zu erreichen. Aug um Aug, Zahn um Zahn. Und das darf man in der Welt von 24 ruhig wörtlich nehmen. Um Verbrecher effektiv bekämpfen zu können, muss man selbst zu Greueltaten bereit sein. Wie sagt Rambo so schön? "Man muss selbst zum Krieg werden." Die beiden unterscheidet also nur die ideologische Ausrichtung. Weil aber Jack Bauer für die Guten (=Amerikaner) kämpft, wird ihm alles verziehen. Der Präsident wird's schon richten.
Die Serie suggeriert ständig, dass unsere westliche Zivilisation von den Mächten der Finsternis bedroht ist und, genau genommen, nur Männer vom Schlag Jack Bauers uns letztendlich retten können. Dieser braucht aber, um seinen Job zu erledigen, Hochtechnologie und Waffen vom Feinsten. Menschenrechte und Pazifismus mögen zwar als Ideale ganz nett sein, aber in der rauhen Wirklichkeit taugen sie nicht viel.
Erinnert das nicht ein bisschen an unseren Lieblingspräsidenten?
Ich möchte hier der Serie unterstellen, dass sie nicht zufällig auf FOX läuft. Rupert Murdoch, Medienmogul und Besitzer von FOX Television, ist ein bekennender Republikaner und hat sich in allen Wahlkämpfen aktiv für die Konservativen eingesetzt (auch schon für Thatcher in den 80ern). FOX NEWS ist mittlerweile nichts anderes mehr als eine Bush Propagandamaschine. Wahrscheinlich werden jetzt einige einwenden, dass The Simpsons, Family Guy und Malcolm in the Middle auch auf FOX laufen, die ja bekanntermaßen subversiv sind und äußerst kritisch mit der amerikanischen Familie bzw. Gesellschaft ins Gericht gehen (ganz in der Tradition von Married ... with Children, das ebenfalls auf FOX ausgestrahlt wurde). Da würde ich entgegnen, dass diese Serien harmloser sind, als man glaubt. 24 hingegen trägt als high profile show entscheidend zur Senderlinie bei.
Was mache ich also als Wehrdienstverweigerer, Pazifist, Literaturstudent und somit totales Weichei? Mit großer Begeisterung 24 schauen, weil es im Moment einfach eine der besten Serien ist. Ich habe auch immer ohne Bedenken in Computerspielen auf pixelige Menschen geschossen. Ich glaube, dass man Unterhaltung und Realität ganz gut trennen kann. Was will er uns also mit diesem Eintrag sagen? Selbst wenn 24 als actiongeladene Unterhaltungsserie daherkommt, ist sie natürlich stark ideologisch gefärbt, wie das meiste, das aus dem republikanernahen Hollywood kommt. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein.
P.S. Kann sich noch jemand an EINE FRAGE DER EHRE (A Few Good Men) erinnern? Dieser Film spielt teilweise auf Guantanamo, wo die Amerikaner noch immer 24 in Echtzeit durchziehen. Col. Nathan R. Jessep (Jack Nicholson) regiert dort wie Jack Bauer in CTU und nimmt den Tod eines Soldaten in Kauf, um die Disziplin der gesamten Einheit aufrecht zu erhalten. Der verweichlichte Lt. Daniel Kaffee (Tom Cruise), der noch nie einen Kampfeinsatz mitgemacht hat und nicht versteht, dass die Marines uns tagtäglich gegen die Mächte der Finsternis schützen, bringt den Col. zu Fall. Er selbst verdient sich den Respekt der Angeklagten und des Publikums und steht am Schluss als strahlender Held da. Der Film ist 13 Jahre alt. Heute würde Jack Bauer Lt. Kaffee alle Finger einzeln brechen und dann vom Präsidenten begnadigt werden, weil er einer Schwuchtel gezeigt hat, wozu echte Männer fähig sind.
Labels: TV
2 Comments:
Daß du EINE FRAGE DER EHRE anführst, ist nicht nur witzig, weil ich ihn erst letztes Wochenende mit meinem Dad wieder geschaut habe, sondern weil ja auch Jack Bauer himself, der schneidige Kiefer, mitspielt: "Auf meinem Nachttisch liegen zwei Bücher: Das Operationshandbuch der Marines und die heilige Bibel." (Ob er dann irgendwann "NOW!" sagt, konnte ich in der deutschen Fassung leider nicht eruieren.)
Darauf habe ich ja völlig vergessen. Der junge Jack Bauer in einer Nebenrolle als Kiefer Sutherland.
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