Mittwoch, 25. Oktober 2006

Chinas Tibet-Kulturwoche 2006

Liebe Freunde des Volkskongresses der Volksrepublik China!

Den meisten Österreichern ist nicht bewusst, dass gerade (vom 18. bis 29. Oktober 2006) die sogenannte "Chinas Tibet-Kulturwoche 2006" stattfindet, die von der Chinesischen Gesellschaft für internationalen Kulturaustausch, der Botschaft der Volksrepublik China in Österreich und der Organisation zur Unterstützung der Österreichisch-Chinesischen Wirtschaftsbeziehungen organisiert wird. Dies geschieht zum Anlass des 35-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Österreich.

Für den politisch Interessierten müssten jetzt eigentlich schon die Alarmglocken läuten. Warum, um alles in der Welt, suchen sich die Chinesen gerade Tibet aus, um ihre Kultur im Ausland zu präsentieren? Die Antwort ist relativ einfach. Nachdem der Dalai Lama, der alte Schuft, sich mit seiner Mitleidstour beim Westen voll eingeschleimt und mit seiner miesen Anti-China Propaganda die Herzen der spiritualitätshungrigen Westler vergiftet hat, muss nun das offizielle China diesem Wahnsinn ein Ende bereiten und Tibet so präsentieren, wie es wirklich ist: ein paradiesisches Gebirgsland, in dem ein sozialistisches Bergvölkchen munter vor sich hin arbeitet und den Rest des Tages vor überschwänglicher Freude tanzt und singt. Diese Begeisterung über Tibets Einbindung in die Volksrepublik China lässt sich für ein westliches Publikum am besten in Form eines Musicals veranschaulichen.

Als ich am Abend des 24. Oktobers vor dem Salzburger Kongresshaus erschien, wusste ich nur, dass eine Bekannte Karten für einen tibetischen Folkloreabend gewonnen hatte. Wurscht, kost' ja nix, da schau'ma einfach hi. Da war ich natürlich nicht wenig erstaunt, als mehrere Polizisten vor dem Gebäude Wache hielten und drinnen bereits die ersten security checks im Gange waren. What the hell ...? Einige Tibeterinnen der Gruppe SAVE TIBET - ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT ZUR HILFE AN DAS TIBETISCHE VOLK verteilten ganz friedlich Flugzettel, auf denen folgendes stand:

"Eine Reihe chinesischer Organisationen mit Unterstützung von Land und Stadt Salzburg organisieren diesen 'Tibet-Kultur-Abend'. Wir protestieren gegen diesen Missbrauch der Tibetischen Kultur! Diese unfreiwillige Vereinnahmung tibetischer Kultur unter gleichzeitiger Unterdrückung des Tibetischen Volkes von seiten der Volksrepublik China führt in letzter Konsequenz dazu, dass die tibetische Kultur aufhört zu bestehen."

Drinnen hatten die Chinesen riesige Tische aufgebaut, auf denen sie hochwertige Taschen mit der Aufschrift "Chinas Tibet-Kulturwoche 2006", DVDs und Hochglanzbroschüren gestapelt hatten, die sie großzügig herschenkten. In den einleitenden Worten der honorigen Gratulanten, sowohl im Programmheft als auch später auf der Bühne, ging es natürlich um die Freundschaft zwischen dem chinesischen und österreichischen Volk, unsere tollen Wirtschaftsbeziehungen und die kulturellen Schätze der beiden Länder. Nur Qianba Puncog, der Vorsitzende der Volksregierung des Autonomen Gebiets Tibet, lässt ein bisschen durchblicken, worum es eigentlich geht:

"Tibet ist ein untrennbarer Bestandteil Chinas. Die tibetische Nationalität ist ein wichtiges Mitglied der großen Familie der chinesischen Nation. [...] Nach der friedlichen Befreiung Tibets vor 55 Jahren ist Tibet von einer feudalen Gesellschaft der Leibeigenschaft, die bei weitem hinter der Entwicklung der Zeit hinterblieb, in eine moderne sozialistische Gesellschaft eingetreten."

Im Veranstaltungssaal nahmen wir dann unter den anderen 300 Gästen Platz, die ebenfalls Karten gewonnen hatten. Nach einer neuerlichen Runde von Dankesworten, unter anderem von Bürgermeister Schaden, ging es endlich los. Das "Gesangs-und Tanz-ensemble der tibetischen Nationalität des Bezirks Qamdo in Tibet" brachte das "tibetische Gesangs-und Tanzgedicht Wunderbare Heimat" zur Aufführung. Kelsang Lodro, Leiter des Ensembles und "staatlich anerkannter Schauspieler zweiten Grades, sowie Deng Lin, Choreograph und "staatlich anerkannter Regisseur ersten Grades", hatten ganze Arbeit geleistet. Nachdem der Westen auf Musicals, Bollywood-Kitsch und japanische Trommlerformationen abfährt, wurde einem genau das geboten. Dieses Tibet-Musical hatte so viel mit Tibet zu tun, wie Das Herbstfest der Volksmusik mit Österreich. Wir wurden also mit eingängigen Musicalmelodien, absurden und knallbunten Kostümen und Formationstanzeinlagen gestraft.

Das Programmheft beschreibt den Handlungsort des Stückes folgendermaßen:

"Die sich hinschlängelnde kräftige Gebirgskette trägt ein großartiges Volk, die sich unaufhaltsam vorwärtswälzenden Flüsse haben die Weisheit der Weisen hervorgebracht. In den endlosen Glückverheißenden Wolken tanzt der heilige und reine Reiz. Im unübersehbaren Himmelsgewölbe ist der blaue Traum eingelegt. Die Sonne, der Mond und die Sterne fliegen gemächlich über unsere Köpfe. Von Not und Elend befreit sind wir nicht mehr Leibeigene. Unter dem hellen Himmel atmen wir frei. Hier ist ein phantastisches, heiliges und reines Land."

Aber auch die Schauspieler sprechen ähnlich poetisch. So meint etwa Chonyi, die weibliche Hauptfigur:

"Heute, unter der strahlenden Sonne, sind wir in eine neue Epoche getreten. Ein Morgen voller in rot getauchter Wolken, eine Zukunft so warm wie im Frühling."

Man muss kein Literaturwissenschaftler sein, um zu sehen, wie massiv hier auch im Text Propaganda betrieben wird.

Des langen Blogeintrags kurzer Sinn: Es muss uns völlig klar sein, dass der österreichische Staat aktiv eine chinesische Imagekampagne in unserem Land unterstützt, die den Anschluss Tibets an die Volksrepublik China als Befreiungsakt bezeichnet. Dies geschieht ausschließlich zur Wahrung unserer wirtschaftlichen Interessen in der Volksrepublik, die neben Nordkorea und Kuba eine der letzten kommunistischen Diktaturen ist.

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