The Medium is the Message
Liebe Medienfans!
Marshall McLuhan gilt noch immer als einer der großen Propheten des Medienzeitalters. In den 60er Jahren wurde er kultisch verehrt und seine Bücher werden bis heute immer wieder neu aufgelegt. Routledge, ein renommierter Londoner Universitätsverlag, hat vor kurzem McLuhan's "Understanding Media" (1964) in seiner Klassikerreihe des 20. Jahrhunderts rausgebracht, wo sich sonst nur die ganz Großen ein Stelldichein geben: Einstein, Foucault, Freud, Piaget, Sartre, oder Wittgenstein. Überraschenderweise läßt sich seine gesamte Theorie in einem einzigen Satz ausdrücken: "The Medium is the Message." Für eine sinnvolle Erklärung werde ich allerdings etwas mehr als 5 Worte benötigen.
McLuhan geht zuerst einmal davon aus, dass ein Medium jegliches Hilfsmittel ist, das unseren Aktions- und Erfahrungsradius erweitert. Da gehört ein Presslufthammer genau so dazu wie ein Buch. Der Einfachheit halber beschränkt er sich aber meistens auf Kommunikationsmedien. Bei diesen stellt er fest, dass die eigentliche Botschaft (z.B. der Inhalt eines Buches) gesamtgesellschaftlich gesehen keine Bedeutung hat. Viel entscheidender ist, wie das Medium an sich die Gesellschaft verändert. Die "Message" des Buchdrucks (oder der Gutenberg-Technologie, wie McLuhan sie nennt) ist eben gerade nicht die Bibel, Shakespeare's Plays oder Dieter Bohlens Autobiografie, sondern die Notwendigkeit Realität in kleinste Sinn- und Erlebniseinheiten zu zerlegen, die dann in langen verknüpften Kausalketten abgehandelt werden. Diese Zerstückelung unserer Erfahrungswelt spiegelt sich nun in allen unseren Lebensbereichen wieder: das Fließband, die Bauanleitung eines Ikeakastens, die Organisation einer Powerpointpräsentation, ein Kochrezept, Harry Potter Teil 6, ein Aufsatz über die Ursachen des 2. Weltkriegs - sie alle basieren auf dem selben Grundprinzip von Fragmentierung und Sequenzierung. Gutenbergtechnologie kostet sehr viel Zeit, weil sie die Gleichzeitigkeit der Erfahrungswelt in endlose Ketten von Einzelaspekten zerlegt. Die beiden Grundfertigkeiten, die man für die (De)kodierung dieses Systems beherrschen muss, sind Lesen und Schreiben.
Bei der Gleichzeitigkeit der Erfahrungswelt hakt McLuhan ein. Nach Jahrhunderten der Fragmentierung und Spezialisierung hat unsere Technologie, die noch immer auf Gutenberg basiert (der binäre Code der Computer) einen Level erreicht, der mittel- bis langfristig die Fundamente unseres Systems erschüttern wird. Die Rede ist von der Instantgesellschaft. In unserer umtriebigen Zeit werden Ruhe, Geduld, Konsequenz und Fokus, die einem Lesen und Schreiben abverlangen, immer mehr als Bürde gesehen. Die neuen Medien erlauben nach Jahrhunderten wieder eine Gleichzeitigkeit des Erlebens. "Multitasking" und "Instant" sind die großen Zauberworte. Alles muss schnell und gleichzeitig gehen. Das Internet erlaubt unmittelbaren Austausch mit der ganzen Welt und wer nicht ständig online ist, fühlt sich von der "wirklichen" Welt abgeschnitten. Wie sagte Botho Strauß nochmal so schön: "Das Globale ist uns längst vertrauter als das Häusliche. Im herdlosen Raum wächst nun das Fernweh nach vertrauten Verhältnissen."
Die wahre Tragödie besteht aber darin, dass wir restlos überfordert sind. Der Zwang im global village zu leben führt dazu, dass wir weder dort noch hier zu Hause sind. Die Wahlmöglichkeiten explodieren, während die Entschlussfreudigkeit dramatisch sinkt. Die Vielfalt und Gleichzeitigkeit des Angebots suggerieren, dass unsere momentane Lebenssituation inadäquat ist und wesentlich bessere Umstände irgendwo da draussen auf uns warten. Das Leben im Transit (auf der Überholspur) wird schnell zum LOST IN TRANSLATION.
Deshalb möchte ich mit einem weiteren Satz von Botho Strauß schließen, den ich schon an anderer Stelle zum Besten gab: "Fortschritte machen beim Sichern der eigenen Begrenzung."
Labels: Journalismus
1 Comments:
Hmmm, darüber schreiben die nie was in diesen Filmzeitschriften ...
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