Samstag, 25. Juni 2005

Purity and Danger

Liebe Putzteufel!

Nach Marshall McLuhans "Understanding Media" (1964), widme ich den heutigen Beitrag einem weiteren Buch aus der Reihe Routledge Classics, nämlich Mary Douglas' "Purity and Danger" (1966).
Im Wesentlichen geht es um Dreck. Während wir unter Dreck bzw. Schmutz die Verunreinigung einer Oberfläche im häuslichen Umfeld verstehen (Boden, Möbel, Kleidung etc.), geht Douglas als Sozialanthropologin einen Schritt weiter und definiert Schmutz als Unordnung. Das klingt jetzt banal, hat aber weitreichende Konsequenzen.
Jede Gesellschaft schafft sich ein eigenes Ordnungs- oder Klassifizierungssystem, dass durch ihre Institutionen (Familie, Gericht, Schule, Kirchen, Polizei, Regierung, Verbände, Vereine etc.) gefestigt und verteidigt wird. Man kann auch einfach soziale Ordnung dazu sagen. Alles, was nicht erwünscht ist, wird mit einem Verbot bzw. Taboo belegt - besonders im menschlichen Miteinander (oder hier auch Gegeneinander). Eine Unordnung im sozialen Bereich (moralische Übertretung) wird interessanterweise mit Schmutz assoziiert. Das wird besonders im Englischen deutlich: "dirty" bedeutet eben nicht nur "schmutzig", sondern auch "ungezogen" (dirty boy), "unanständig" (dirty joke), "moralisch verwerflich" (dirty old man), "unehrlich" (dirty trick), "beschmutzt" (I feel dirty.), "Scheiß- bzw. Sau-" (dirty weather) etc. "Dreck" bedeutete ja ursprünglich "Exkrement", was im Wort "Scheißdreck" noch erhalten ist.
Das Entfernen von Schmutz - auch in diesem weiter gefassten Sinn - bedarf immer einer Reinigung. Deshalb haben die meisten Religionen Waschrituale, die mit einer Verschmutzung im engeren Sinn ja gar nichts zu tun haben. Es handelt sich um eine symbolische Wiederherstellung der Ordnung. Im Weiß des Hochzeitskleids trifft sich das Saubere mit dem moralisch Korrekten (Jungfräulicheit in diesem Fall). Das "saubere Madl" hat sich nicht nur hinter den Ohren gut gewaschen, sondern ist auch anständig. Genauso sagen manche Bayern noch heute "sauber" für "super" oder "gut gemacht".
Es ist ja auch kein Zufall, dass man von Psychohygiene spricht. Man muss eben die Unordnung, den Schmutz, wieder aus dem System rauskriegen. Viele Menschen mit einer seelischen Störung entwickeln deshalb auch einen Putz- oder Waschfimmel und oft einen übertriebenen Ordnungssinn. Wenn man in sich das Chaos trägt, beruhigt wenigstens die äußere Ordnung, die ja wesentlich leichter herstellbar ist.
Nachdem ich "purity" schon angesprochen habe, fehlt jetzt noch "danger". Das Wort hat ja auch eine Doppelbedeutung: "gefährlich" und "aufregend". Die Überschreitung einer gesellschaftlichen Norm übt ja oft eine große Anziehung (bzw. Ausziehung) aus. Für eine soziale Ordnung bedeuten Ausstieg, Veränderung und Taboobruch immer eine Gefahr. Deshalb ist die Funktionstüchtigkeit einer Gesellschaft am besten daran ablesbar, wie sie mit Außenseitern, neuen Ideen und moralischen Übertretungen in der Grauzone zwischen Recht und Unrecht umgeht. Denn die Ausnahme von der Regel ist mindestens genau so wichtig, wie die Regel selbst.

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1 Comments:

At 26. Juni 2005 um 10:25, Anonymous Anonym said...

Ich würde jetzt gerne etwas total Schlaues zu dem Thema sagen, aber mir fällt nichts ein. Es bleibt also bei einem "interessant!".

 

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