Donnerstag, 27. Jänner 2011

AVATAR

Liebe Freunde des Animationsfilms,

gleich vorweg gesagt: Ich gehöre zu der Gruppe von Fans, die AVATAR ohne Einschränkungen verteidigen.
Deshalb halte ich auch die Kritik an dem einfachen Erzählmuster und den stereotypen Figuren für völlig unangebracht. Im Misch-Genre Science Fiction/Fantasy/Märchen/Parabel/Mythos, das vor allem von George Lucas' STAR WARS geprägt wurde, gelten völlig andere Kriterien für Charakterzeichnung und Handlungsentwicklung. Da muss man sich Tzvetan Todorov, Wladimir Jakowlewitsch Propp, Joseph Campbell, Victor Turner, und andere Narratologen ansehen, die aus der Ethnologie/Folkloristik-Ecke kommen. Dass AVATAR große Ähnlichkeiten mit POCAHONTAS oder DER MIT DEM WOLF TANZT aufweist ist ein ebenso sinnloses Argument wie Goethe vorzuwerfen, dass sein FAUST große Ähnlichkeiten mit Christopher Marlowes FAUST aufweist, oder Shakespeares ROMEO UND JULIA mit Ovids PYRAMUS UND THISBE. Viel wichtiger als die Frage, welche Bausteine ein Künstler verwendet, ist die Frage, was er daraus macht. Erst vor kurzem hat der Chef des Hamburger Balletts, John Neumeier, im
Hamburger Abendblatt (20. Jänner 2010) gemeint, BLACK SWAN sei ein ganz schrecklicher Film, weil er die Welt des Balletts völlig falsch zeichne. Niemand hat behauptet, dass BLACK SWAN eine Dokumentation über die zeitgenössische Ballettszene sei, genauso wenig, wie Cameron ein realistisches Sozialdrama verfilmen wollte. Man sollte Werke immer nach dem beurteilen, was sie sind, und nicht, was sie sein hätten können.  
Es stört mich auch nicht im Geringsten, dass Cameron ein Egomane und Perfektionist ist. Erstens hat die Persönlichkeit des Regisseurs nur bedingt mit dem Film als eigenständigem Werk zu tun, und, zweitens, kriegt man ein Projekt dieser Größenordnung nicht zustande, wenn man nicht einen eisernen Willen und fast unmenschliches Durchsetzungsvermögen hat. Ich halte James Cameron für einen der großartigsten Regisseure unserer Zeit, besonders was das visuelle Erzählen in (massentauglichen) Kinofilmen angeht.
Worauf ich aber eigentlich hinaus will ist, wie der Film gemacht wurde. Ich habe mir alle Featurettes auf der Bluray angesehen und dann noch das MAKING OF AVATAR Buch reingezogen. Obwohl ich seit einigen Jahren Film für Anfänger unterrichte und mich privat sehr für das Filmemachen interessiere, hatte ich größere Schwierigkeiten mir vorzustellen, wie das genau ging. Jedenfalls ist der Prozess nicht mehr mit Filmemachen im klassischen Sinn zu vergleichen.
Der wichtigste Unterschied ist zuerst einmal der, dass Cameron für die Pandora-Szenen, also den Hauptteil des Films, keine Filmszenen im klassischen Sinn drehte. Bei STAR WARS: EPISODE III gab es auch kaum noch Sets und viele animierte Charaktere, aber die Szenen mit menschlichen Schauspielern erscheinen im Film so, wie sie am Set gedreht wurden. Da gab es noch richtige Kameras, Einstellungen, Beleuchtung, Kostüme, Make-Up, Darsteller, etc. Cameron hingegen drehte eine elaborierte Previz Version seines Films, die erst dann in einen Animationsfilm von WETA DIGITAL umgewandelt wurde. Das Entstehen dieser Previz Fassung hat aber nichts damit zu tun, wie sonst Previz eingesetzt wird.
Bei früheren Produktionen arbeitete man sich von Konzeptillustrationen über Storyboards und Animatics schließlich zu Previz vor, einer simplen 3D Version des Films, die für komplexe Szenen vorweg klärte, wie sie im fertigen Film funktionieren sollten. Diese Veranschaulichung des Films vor Drehbeginn wurde vom Art Department bzw. dem CGI Department erstellt. Diese Previz Version hatte der Regisseur, etwa Peter Jackson bei LORD OF THE RINGS oder KING KONG, als fertige Animation am Set mit dabei.
Cameron hingegen hatte eine interaktive Previz Version auf einem Display, auf dem zunächst nur ein simpler Hintergrund zu sehen war. Diese Hintergrundelemente konnten während der Dreharbeiten sofort angepasst werden, meistens um den Bedingungen am Set zu entsprechen. Die Schauspieler trugen Mocap-Anzüge, wobei ihre Bewegungen in Echtzeit auf eine animierte Version ihrer Figur übertragen wurde, die dann Cameron, wiederum in Echtzeit, in den bereits existierenden Hintergrund integriert sehen konnte. Dafür wurden nur die wichtigsten Bewegungsdaten aus der Aufzeichnung verwendet. Das komplette Datenset, zusammen mit herkömmlichen HD-Video Aufzeichnungen, wurden dann an WETA DIGITAL, zusammen mit Camerons Previz geschickt. In diesem Mocap Studio gab es natürlich keine Filmbeleuchtung, keine Kostüme, etc. aber auch noch keine fertigen Shots - und das ist das wirklich Revolutionäre. Da eine 3D Umgebung aufgenommen wurde, konnte sich Cameron Monate später die low res 3D Szenen auf die Kamera laden und dann erst die Shots aufzeichnen. Er lief also mit einem kameraähnlichen Gerät in einem völlig leeren Raum herum und drehte die Einstellungen. Da man in einer 3D Umgebung die Kamera überall positionieren kann, konnte er sich da die besten Einstellungen raussuchen. Das ist natürlich kein Schnitt wie im üblichen Sinn, weil es ja noch nicht einmal fertige Szenen gibt. Es geht hier um völlig virtuelles Filmemachen. Während Cameron diese Einstellungen filmte, schnitten die beiden Cutter die Performances der Schauspieler, das Material der zahllosen HD Kameras. Da ging es aber nicht um Einstellungen, sondern um reine schauspielerische Leistungen. Am Schluss landeten dann drei unterschiedliche Datensätze bei WETA DIGITAL: Camerons Previz, das geschnittene Material von den HD Kameras und die kompletten Datensätze aus dem MoCap Prozess. Diese Elemente führten die Animateure zu einer fertigen Szene zusammen, wobei hier noch kräftig nachjustiert und nachkorrigiert werden musste. Die schauspielerische Leistung wurde möglichst genau umgesetzt (HD Referenz/MoCap), aber es konnte auch noch korrigiert werden.
Cameron hat diese Vorgehensweise erst beim Filmen von AVATAR erfunden. In gewisser Weise befreit es den Filmemacher von den meisten Schwierigkeiten, weil er sich, zum Beispiel bei der Arbeit mit den Schauspielern, nur auf die Performance konzentrieren muss und mit einem kleinen Team auskommt. Andererseits müssen die Darsteller ein enormes Vorstellungsvermögen haben. Sie können sich zwar ihre Darstellung als live aufgenommene Previz sofort ansehen, aber das verlangt ein nicht minder großes Vorstellungsvermögen.
Es ist noch ganz schwer abzuschätzen, ob AVATAR in dieser Hinsicht eine extreme Ausnahme bleibt. Menschen sehen als Animationen immer noch ziemlich unglaubwürdig aus. In TRON: LEGACY spielt Jeff Bridges sein jüngeres Selbst mittels MoCap, aber das ist auch im Film eine computergenerierte Version seiner selbst, also passt das ganz gut. Den einzigen Schluss, den ich im Moment ziehen kann ist der, dass Camerons visuelles Vorstellungsvermögen ungeheuerlich sein muss. Man weiß zwar, dass Regisseure oft in fertigen Filmszenen denken, noch lange bevor das Projekt angefangen hat, aber Cameron hatte während der ganzen Dreharbeiten kein einziges fertiges Element in seinen Szenen. Alles war nur vorläufig, Previz eben. Jedenfalls bin ich schon gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren weiterentwicklen wird. George Lucas möchte wahrscheinlich auch noch ein Wörtchen mitreden und dreht, Gerüchten zur Folge, nun doch noch eine weitere Trilogie. Da werden wir noch viel zu lachen haben.                               

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Freitag, 21. Jänner 2011

Schweigegeld?

Liebes Jungvolk,

keine andere Bevölkerungsgruppe wird so in die Pflicht genommen wie die Jugend. Im Moment läuft die Debatte, ob man alle jungen Österreicher und -Innen zum verpflichtenden Sozialjahr einziehen soll, denn wir brauchen dringend billige Arbeitssklaven für unser Sozialsystem. Primarärzte, Krankenhausdirektoren, und Pharmavertreter sind bestürzt, dass die Jugend teilweise Unwillen signalisiert, ein Jahr ihres Lebens zu opfern, um den Lebensstandard der Götter in Weiß und ihrer 'Geschäftsfreunde' zu sichern.
Andererseits kann sich die Generation Praktikum mit dem Sozialjahr gleich einmal daran gewöhnen, dass man mit Arbeit kein Geld verdienen kann. Wenn es nach den Entscheidungsträgern in Österreich geht, soll die Jugend ihr Studium selbst finanzieren, um dann mit dem Eintritt ins Berufsleben - ohne fixe Anstellung und 60 Stunden Wochenarbeitszeit, versteht sich -  einen riesigen Schuldenberg abzubauen und drei Beamte zu erhalten, die dank der Hacklerregelung mit 50 abschlagsfrei in Pension gegangen sind. Aber das haben sie sich auch verdient, denn als sie jung waren mussten sie unter Kreisky fürchterlich leiden und, wie alle Pensionisten, Österreich nach dem 2. Weltkrieg wieder aufbauen.
Das Erstaunliche ist, dass sich dagegen niemand wehrt. Selbst bei den Studentenprotesten gegen die wahnsinnigen Ideen dieser Nicht-Regierung (NGO) gingen nur ein paar hundert von zigtausenden Studenten auf die Straße. Wie kann man sich das erklären? Mangelndes Bewusstsein? Ohnmachtsgefühle? Schweigegeld? Regt man sich nicht auf, solange der Papa brav die Eigentumswohnung am Studienort kauft und alles zahlt? Nachdem in Österreich die meisten Studenten reiche Eltern haben, sind sie immer auch Nutznießer dieses Umverteilungssystems. Sie sind zwar alle irgendwie links und liberal, aber wirklich engagieren zahlt sich nicht aus. Die rechten Jugendlichen glauben sowieso an das System und hoffen in wenigen Jahren selbst davon profitieren zu können. Warum sollten die daran etwas ändern wollen? Also bleiben nur ein paar ganz linke Spinner übrig, die dann noch von anderen Studierenden angepöbelt werden, weil sie lieber lernen sollen, als blöd auf der Straße herumzusitzen.
Ich vermute, den meisten geht es immer noch viel zu gut. Ich mache mir da keine Sorgen, denn ich bin schon auf der Seite der Gewinner. Dann verplempere ich eben euer Geld auch weiterhin und freue mich, dass ich mich in keinster Weise einschränken muss, denn ihr seid die Deppen, die alles zahlen müssen.