Montag, 30. Jänner 2006

Im Supermarkt

Episode I: Der Wecker

Letzten Freitag fiel mir zufällig ein Flyer des Zielpunkt-Supermarktes in die Hände, in dem mein absoluter Traumwecker angepriesen wurde. Also eilte ich tags darauf in diesen Hofer für leicht gehobene Ansprüche und sah ihn mir aus der Nähe an. In Wahrheit war der Wecker noch wunderbarer als es die Werbung erwarten ließ. Chinesische Qualitätsarbeit vom Feinsten, rumänischer Großhändler und dann noch zwei Jahre Garantie - da konnte wirklich nichts mehr schief gehen. Dieses Wunderwerk der Technik zeigt nicht nur funkferngesteuert die Zeit, sondern auch noch das Datum, die Raumtemperatur und die Mondphasen an. Bei den Sonderfunktionen kommen da noch Fieberthermometer, Funkgerät und Geigerzähler hinzu. Praktisch ein Schweizer Armeewecker. Das alles plus zwei Batterien um schlappe 9,99 Euro. Das Ding musste also her. Da man angeblich Dinge herschenken sollte, an denen einem selber etwas liegt, landete der Wecker schlussendlich als Geburtstagsgeschenk bei Kollegin Elisabeth.

Episode II: Arbeiten Sie hier?

Auf dem Weg zur Kassa blieb ich kurz beim Weinregal stehen, um zu sehen, für welchen Fusel auch das kleine Geldbörsel noch reicht. Da trat plötzlich eine ältere Dame an mich heran und fragte, ob ich Zielpunktmitarbeiter sei. Das gab mir natürlich zu denken. Ich blickte kurz an mir runter: schwarze Winterjacke, braune Weste, blaue Jeans, Halbschuhe. Trugen die Angestellten nicht orange Poloshirts? Vielleicht verriet mich mein Dreitagebart als Regaleinräumer. Oder mein interessierter Blick auf die Ein-Euro-Weine - einerseits rein beruflich (Muss ich da noch nachschlichten?) oder auch die Abendunterhaltung betreffend (Mit welchem Verschnitt aus EU-Weinen schieße ich mich heute noch ins Nirwana?). Jedenfalls verneinte ich sehr höflich ihre Anfrage und ging zur Kassa um beim Kollegen zu zahlen.

Episode III: Der Taschenrechner

Wenn man neben einer der größten Hauptschulen der Stadt wohnt und in der BILLA-Filiale seine Einkäufe tätigt, in der sich auch die lieben Kleinen verpflegen, so kann man relativ unbemerkt die Hoffnungsträger Österreichs aus der Nähe studieren. Besonders beeindruckend fand ich, wie schon alleine die Aufmachung Durchhaltevermögen und Präzisionsarbeit signalisierte. Das eine Mädchen - nennen wir sie Jaqueline - war offenbar metabolistisch auf Kohlehydrate spezialisiert. Ihre Jeans hatte sie sicherheitshalber zwei Nummern kleiner genommen. Alleine die Ausdauer, die vonnöten war, am Morgen mit diesem Teil eine so enge Beziehung einzugehen! Da könnten selbst Latex-Fetischisten noch so einiges lernen! Um ihre ausdruckslosen Augen besonders hervorzuheben, hatte sie diese schwarz umrandet, was der guten Frau natürlich einiges an Fingerfertigkeit abverlangt hatte. Alles Schlüsselqualifikationen für die ganz große Karriere! Jedenfalls stellte sich Jaqueline mit ihren zwei Freundinnen Dominique und Desiree bei der Wursttheke ihres Vertrauens an und erwarb eine Semmel samt dünn geschnittener Tierleichen. Das machte 1,38 Euro. Diese Semmel teilten sie anschließend durch drei, was zu folgender mathematisch komplexen Rätselaufgabe führte: Wieviel Geld mussten Dominique und Desiree Jaqueline bezahlen, wenn sie die Kosten der Wurstsemmel drittelten? Da soll noch einer behaupten, dass der Matheunterricht nicht praxisnah wäre! Die Lösung des Problems ließ auch nicht lange auf sich warten: "Wasd wos: Mir gem da 's Göd in da Schui, wei do hauma an Doschnrechna." Ganz schön clever die Kleinen!!

Freitag, 27. Jänner 2006

Auf der Post

Liebe Freunde des Dienstleistungssektors!

Ja, es gibt sie noch immer, die geschützten Werkstätten dieser Republik, diese Oasen der Geruhsamkeit, wo brave Gewerkschaftsmitglieder ihre Pension bereits im beamteten Berufsleben genießen dürfen und sich nur ab und zu von lästigen Kunden aus dem wohlverdienten Halbschlaf reißen lassen. Dabei haben es sich die verschiedenen Regierungen seit den frühen 90er Jahren zum Ziel gesetzt, die Staatsbetriebe auf Vordermann zu bringen, effizienter zu gestalten und konkurrenzfähig zu machen. Da gab es natürlich Heulen und Zähneknirschen, als der Arbeitstag plötzlich nicht mehr mit dem Mittagessen endete und die gemütliche Kartenpartie am Nachmittag der nostalgisch verklärten Vergangenheit angehörte. Selbst das Bundesheer, dieses letzte Auffangbecken für Kleingeister, Glöckner und Lichtscheue, für Sideshow Acts und Zirkusattraktionen, wird im Moment völlig umgekrempelt. Deshalb beruhigt es mich sehr, dass einige Filialen der Post den Geist früherer Tage bewahrt haben und weder mit Skurrilitäten noch kabarettistischen Einlagen geizen.
Als ich vor kurzem ein Postamt in der Innenstadt betrat - also ein richtiges Postamt und nicht die Niederlassung eines Floristen, Eisenwarenhändlers oder Totengräbers, der sich als Postpartner ein Zubrot verdienen will - wurde ich von einer Angestellten in Empfang genommen, der man erst auf den zweiten Blick ansah, dass nicht sie es war, die dem Betrieb die Zahlung einer Geldstrafe für ein behindertenfeindliches Arbeitsumfeld ersparte. Ich erklärte ihr, dass ich gerne Geld auf ein ausländisches Bankkonto überweisen wollte. Der schmerzverzerrte Gesichtsausdruck der Frau verhieß nichts Gutes. Instinktiv wandte sie sich ihrer Kollegin Gerlinde zu, die gerade Lotto-Scheine durch die Maschine ließ. "Gerlinde! Gerlinde!" Diese ignorierte die flehentliche Anrufung und verkaufte den beiden Herren noch ein paar Rubbelllose. Daraufhin wandte sich die offensichtlich ratlose Angestellte wieder mir zu und ersuchte mich ich möge mich doch bei der Kollegin anstellen. Gesagt, getan. Während Gerlinde noch ein paar Schatztruhen abriss, trat ein Postangestellter links von mir an den Counter und lud mich freundlich ein näher zu treten. Ich tat ihm mein Anliegen kund und merkte sofort wieder, dass ich auch diesen Mitarbeiter mit meinen Sonderwünschen innerlich quälte. Da wandte er sich auch schon nach links um und rief der Kollegin zu: "Gerlinde! Gerlinde!" Da wurde die Gerlinde etwas sauer und meinte: "Du siehst doch, dass ich Kundschaft habe! Ich kann nicht drei Sachen gleichzeitig machen." Dabei ließ sie demonstrativ einen Toto-Schein durch die Maschine rasseln und fragte die Kundschaft, ob sie Euromillionen wolle. Also musste mein neuer Ansprechpartner selbst mit dem Problemfall fertig werden. Er ging zu einem Kasten, zog ein Formular heraus und schüttelte den Kopf. Daraufhin kramte er ein weiteres hervor, schien nicht besonders davon überzeugt zu sein, nahm es aber trotzdem mit. "Jetzt brauche ich da den IBAN und den BIC-Code." Diese identifizierte er dann auf meinem Lieferschein und trug sie in das Formular ein. "Das müssen Sie nochmals kontrollieren." - "Und hier setzen Sie den Betrag ein." Auf dem Überweisungsschein war der Betrag in Euro anzugeben. Ich wollte aber 95 Pfund loswerden. "Ui, da müssen wir umrechnen. Karl! KARL!!" Ein weiterer Postangestellter trat von weiter hinten an den Counter. "Wir müssen Pfund in Euro umrechnen." - "Das machst du mit dem Computer." Die beiden Herren beugten sich über die Tastatur und drückten mehrere Tasten. Dann drehten sie sich um und warteten. "Spinnt der Drucker wieder!" Dann tippte der eine ein paar Zahlen in eine Rechenmaschine und meinte dann zu mir: "Das sind 66 Euro." Als Beweis drehte er die Rechenmaschine zu mir hin, sodass der Betrag in grünen Ziffern auch für mich lesbar war. Ich wies ihn freundlich darauf hin, dass das nicht stimmen konnte, da der Betrag ungefähr 140 Euro ausmachen müsste. "Aha!", meinte er, "Da haben Sie wohl Recht!" Daraufhin rechnete er noch einmal und kam auf 136,40 Euro. Das leuchtete ein. Da ich den Rest selbst ausfüllen konnte, zog ich mich zu einem der Tische zurück, die für solche Fälle aufgestellt waren. Als ich fertig war, ließ mich der freundliche Postbeamte gleich vortreten. Ich hatte noch immer den Lieferschein in der Hand, auf dem er jetzt entdeckte, dass ich auf der Anglistik arbeitete. "Ah! Sie sind auf der Anglistik. Da gibt's doch den einen ... Sie wissen schon ... Ach geh, jetzt ist der Name weg ... dieser ... Gleich fällt's mir ein ... so einer, mit schwarzen Haaren." - "Görtschacher?" - "Ja, der Görtschacher, der Wolfi. Der war oft bei uns da, als ich noch in der Filiale im Nonntal war."
Hier muss ich kurz unterbrechen und erklären, warum es mir zu diesem Zeitpunkt wie Schuppen aus den Haaren fiel. Diese Filiale in der Nonntaler Hauptstraße kannte ich noch aus eigener Erfahrung. Im Vergleich zu den Gestalten, die dort drinnen hausten, war es leichter einen Außerirdischen oder Schwerverbrecher nach 30 Jahren Haft sozial zu integrieren. Die Eingangstür ins Postamt war wie der Kasten in DIE CHRONIKEN VON NARNIA. Sobald man hindurchtrat war man nicht nur in einer anderen Welt mit ganz eigenen Gesetzen, sondern auch von Fabelwesen umgeben, die man noch nie im (richtigen) Leben gesehen hatte. Dort jedenfalls verbrachte mein Ansprechpartner die prägenden Jahre seines Berufslebens. Aber nun zurück zur Erzählung.
"Der Görtschi war doch laufend bei uns auf Besuch. Meine Freundin hat nämlich auch Anglistik studiert. Das waren noch Prüfungen bei Prof. Klein! Dieser Landeskundetest über die Zugverbindungen in Großbritannien ... und die Bergwerke erst ..." Ich drehte mich um und starrte in die zerknirschten Gesichter mehrerer Postkunden, die teils hinter mir, teils bei Kollegin Gerlinde warteten, um endlich ihre Briefe und Lottoscheine aufzugeben. Einigen blitzte der Groll schon aus den Augen. Ich wandte mich wieder dem Small Talk zu.
"Ihr habt's doch noch so einen kleinen Inder." - "De Silva." - "Ja, genau. Ich kenn halt auch nur mehr die Leute von früher. Meine Freundin hat nämlich Anglistik studiert und da kriegt man schon so einiges mit. Ich habe ja auch schon überlegt, ob ich nicht selbst ..." Gerlinde schob gerade wieder ein paar Schatztruhen über den Counter. Warum verkauft die Post eigentlich die STAR WARS: EPISODE III DVD? Das Gebrummel hinter mir nahm an Lautstärke schon etwas zu.
"Hier haben Sie Ihren Beleg. Haben Sie die Codes noch einmal kontrolliert?" Ja, das hatte ich. "Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag." Oder was davon noch übrig war.

Donnerstag, 26. Jänner 2006

Konsenssucht

Liebe Gleichgesinnte!

Wir verstehen uns ja alle so toll und wenn wir uns nur ein bisschen Mühe geben, dann wird auch noch der letzte begreifen, dass wir im Grunde unseres Herzens ja alle Menschen sind und die scheinbaren Unterschiede nur auf Oberflächlichkeiten beruhen. Wie warm wird einem ums Herz, wenn wieder einmal alle gleicher Meinung sind, die selben Filme, Bands und Bücher toll finden und auf den bösen Kapitalismus als Wurzel allen Übels schimpfen. Bei manchen Menschen muss man schon eine Zeit lang suchen, bis sich die erste Parallele erschließt. Dann kann man aber getrost einen weiteren Verbündeten für das große, allumfassende Konsensprojekt hinzuzählen.

And I said "What about Breakfast at Tiffany's?"
She said "I think I remember the film
And as I recall, I think we both kinda liked it"
And I said "Well, that's the one thing we've got"

In Zeiten der political correctness und Weltverständigung darf das Fremde nicht mehr fremd sein. Und da spreche ich noch nicht einmal von anderen Kulturen oder Religionen. Bereits der bzw. die nächste ist mir eigentlich völlig fremd. Wie sollte es auch anders sein? Blickt doch der bzw. diejenige auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in einer mir fremden Welt zurück. Doch die ersten Anknüpfungspunkte sind schnell gefunden. Small Talk heißt die Königsdisziplin der Gleichgesinnten und Zustimmungssüchtigen. Schnell hat man vieles gemein.
"Die meisten Überzeugungsträger, die sich heute vernehmen lassen, scheinen ihren Nächsten überhaupt nur als den grell ausgeleuchteten Nachbarn in einer gemeinsamen Talkshow zu kennen. Sie haben offenbar das sinnliche Gespür – und das ist oft auch: ein sinnliches Widerstreben und Entsetzen – für die Fremdheit jedes anderen, auch der eigenen Landsleute, verloren." So schreibt Botho Strauß in "Anschwellender Bocksgesang" (1993). "Auch das Missverständnis, sogar das Missverständnis wird einem menschlich teuer – es ist nahezu aufgelöst im Verkehr der öffentlichen Meinung. Jeder Meinende versteht den anderen Meinenden. Da gibt es nichts zu deuten. Die Öffentlichkeit fasst zusammen, sie moduliert die einander widrigsten Frequenzen – zu einem Verstehensgeräusch." – "Der Widerstand ist heute schwerer zu haben, der Konformismus ist intelligent, facettenreich, heimtückischer und gefräßiger als vordem, das Gutgemeinte gemeiner als der offene Blödsinn, gegen den man früher Opposition oder Abkehr zeigte."
Wie geht man um, mit dem Fremden, das zwischen einem selbst und der nächsten Person steht? Ist es ignorier- bzw. vernachlässigbar, wenn nur genügend Gemeinsamkeiten oder eine herbeigeredete Basis vorhanden sind? Oder besteht sogar eine Chance darin sich des Fremden langsam anzunehmen? Es geht ja nicht nur um die Andersartigkeit des Gegenübers. Man ist sich ja auch des eigenen Fremden bzw. Befremdlichen sehr bewusst. Wann ist der richtige Moment gekommen das feine Gespinst des leicht erwirkten Konsenses zu zerstören, indem man das Fremde plötzlich dazwischenstellt? Wieviel davon kann und darf man zumuten?

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Dienstag, 17. Jänner 2006

Die Dauerdröhnung

Liebe Kopfhörer!

Wie ich stehen und sitzen allmorgendlich unzählige Jugendliche - aber auch Erwachsene - im Bus rum und lauschen den Wohlklängen aus ihren aufgemotzten I-Pods. Dagegen ist ja prinzipiell nichts einzuwenden, denn der Alltag ist grau genug, die Busfahrt lang und öde und die anderen namenlose Gesichter in der Menge. Da braucht man einfach die wohlvertrauten Klänge aus der privaten Jukebox, die einen stimmungsmäßig aus dem Tief reißen, Energie spenden und einer ansonst sinnlosen Anreise etwas Farbe verleihen. Der Tag ist meist zugeplant und so hat man wenigstens im Bus die Gelegenheit, sich die musikalischen Neuerwerbungen in Ruhe reinzuziehen. Am besten man setzt sich die Kopfhörer gleich zu Hause auf und nimmt sie erst direkt vor dem Ziel wieder runter, damit man ein, zwei Nummern mehr hören kann. Auf dem Rückweg ist es noch besser: Da kann man sie gleich aufbehalten. Der Player wandert von der Jacken- in die Hosentasche und schon geht's weiter.
Der Griff zum Player wird zum Automatismus. Man schließt die Wohnungstür ab und die Hand wandert bereits wie von selbst in die Innentasche der Jacke. Früher nützte ich oft kürzere und längere Wege um mir über gewisse Dinge klar zu werden, aber jetzt neble ich mich mit Musik ein. Damit ist man immer leicht auf Drogen und die Gedanken verlieren sich auf sehr angenehme Weise im Nichts.
In der Arbeit sitzt man vor dem Computer, privat vor dem Fernseher oder Laptop und auf den wenigen Strecken, die durch die Stadt führen, zieht man sich in seine musikalische Alternativwelt zurück. Der Input ist stets virtuell und maschinell. Ich erspare mir hier ein Plädoyer für mehr soziale Kontakte und setze mir lieber die Kopfhörer auf.

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Mittwoch, 11. Jänner 2006

Heile Welt Haushalt

Liebe Hauspersonen!

(Da ich so überaus politically correct bin, möchte ich nicht von Hausfrauen und Hausmännern sprechen.)

Seit ich in eine größere Wohnung umgezogen bin, darf ich mich nun endgültig der Gruppe der Hauspersonen zugehörig fühlen. Dafür hat mich ein Putzmarathon qualifiziert, den ich in der letzten Woche mit Bravour gemeistert habe - möchte ich einmal einfach so behaupten.
Nun ist das Hauspersonendasein in unserer Gesellschaft leider sehr negativ besetzt. Viele meinen man würde dabei vertrotteln oder es wäre sowieso minderwertige Arbeit, die auch keinen echten Lohn verdiene. Deshalb möchte ich in diesem Eintrag dieser scheinbar bemittleidenswerten Existenz als Hausperson ein paar positive Seiten abgewinnen.
In unserer zunehmend komplexer werdenden Lebenswirklichkeit bieten sich kaum einfache Lösungen an. Wie sagte Umberto Eco so schön: "Ein komplexes Problem hat immer eine einfache Lösung, und die ist falsch." In der leicht überschaubaren Welt des Haushalts hingegen gibt es noch diese einfachen Lösungen: Ein Gegenstand befindet sich am falschen Platz. Ich nehme ihn, räume ihn weg und das Problem ist gelöst. Am Boden sammelt sich Staub. Ich sauge ihn weg. Problem gelöst. Auf diese Weise habe ich in den letzten Tagen dutzende Probleme bewältigt und mich sehr gut dabei gefühlt. Während meine beruflichen Aufgaben immer mehrere Tage in Anspruch nehmen um eine halbwegs akzeptable Lösung zu finden, kann ich hier oft in Sekunden zu einem perfekten Ergebnis kommen. Läuft der Haushalt nur nebenbei, dann fällt einem das gar nicht auf, aber wenn man sich voll darauf konzentriert, wird einem das Glückspotential des Haushaltens bewußt.
Zweitens hat es etwas Meditatives. Die Ostasiaten haben vor langer Zeit einfache Tätigkeiten und Bewegungsabläufe als Grundlage für meditatives Handeln erkannt. Man werkelt entspannt vor sich hin, ist immer schön beschäftigt und hat Zeit über alle möglichen Dinge nachzudenken. In Bewegung denkt es sich bekanntermaßen ja viel besser.
Ich vermute jetzt einfach mal, dass es genau deshalb so viele Putz-, Wasch- und Ordnungssüchtige gibt, weil sich im Haushalt die perfekte Ordnung und Sauberkeit annähernd herstellen lässt - wahrscheinlich besser als in jedem anderen Bereich. Sie mögen zwar stundenlang schuften, aber das Ende ist absehbar und die Befriedigung für mehrere Stunden gewährleistet. Es ist schon immer eine Theorie von mir gewesen, dass Personen, die das innere Chaos nicht ertragen können, neurotisch die äußere Ordnung herzustellen versuchen.

Freitag, 6. Jänner 2006

Die Heiligen Drei

Liebe Schutz- und Hilfesuchende!

Die Heiligen Drei Könige - Placido Domingo, José Carreras und Luciano Pavarotti ... okay, nochmal von vorn: Die Heiligen Drei Könige - Kaspar, Melchior und Balthasar - sind die Superstars unter den Heiligen. Nur die Heilige Maria Mutter Gottes hat eine breitere Fanbasis. Das lässt sich natürlich so erklären, dass sie verwandtschaftsbedingt den direktsten Draht zu Gott hat. Bei der Heiligen Familie wird es so laufen wie überall: Jeder darf seine Meinung sagen, aber Mama bestimmt, wo's langgeht. Aber zurück zu den Königen.
Desto länger man sich mit den Heiligen Drei beschäftigt, desto größer werden die Zweifel an ihrem Ruhm. Nicht umsonst sind sie in Heiligenkreisen als die Milli Vanilli der Szene bekannt und so mancher Märtyrer fragt sich zu Recht, was denn nun so toll sein soll an drei stinkreichen Ölscheichs, die dem Jesuskind ein paar Gaben hinlegen, die sie sowieso in Hülle und Fülle haben. Sagt nicht Matthäus in Kapitel 19, Vers 24, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr passt, als dass ein Reicher in den Himmel kommt?
Wir wollen uns der Sache aber nun wissenschaftlich nähern und nicht einfach Behauptungen aufstellen. Was steht denn in den Quellen drinnen, bei Matthäus, Kapitel 2, Verse 1-2, 10-11:

(1) Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:
(2) Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
(10) Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut
(11) und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Da geht einem selbst schnell ein Licht auf: Erstens waren und sind sie nicht heilig, zweitens waren es nicht drei, und drittens handelte es sich nicht um Könige. Da stehen auch keine Namen. Alles fake. In welcher Krisensituation soll ich denn diese drei Goldhemdenträger anrufen? Die anderen Heiligen haben hingegen durchaus einen praktischen Nutzen:

Oh Heiliger Sankt Florian,
schon' unser Haus, steck' and're an!

Da darf man schon stolz sein auf den Schutzpatron von Oberösterreich und Linz, der noch dazu, rein geographisch gesehen, Österreicher war. Die Heiligen Drei Könige kann ich schon auch anbeten, nur nutzen tut's halt nichts. Ich möchte deshalb zum Ausgleich heute einige meiner persönlichen Lieblingsheiligen vorstellen, die mir schon durch dick und dünn geholfen haben.

Zuerst wären da einmal die Eisheiligen: Pankratius, Servatius, Bonifatius und die Kalte Sophie. Dem leidenschaftlichen Eisliebhaber stehen diese vier treu zur Seite. Sie machen das Eis löffelweich, lassen nie das Cremissimo ausgehen, wenden Salmonellen ab und schonen Stirnhöhlen und Zähne. Wer mit ihnen Kontakt aufnehmen will, braucht einen Liter Eis und drei Hohlhippen. Zuerst gräbt man sich ein wenig in das Walnusseis ein und dann steckt man sich eine Hohlhippe als Sprachrohr in den Mund und das andere Ende in das Eis. Die beiden anderen Röhrchen formen den Feldstecher für die Augen. In Eisdessert, Pistazieneis und Packungen unter einem Liter kommen sie aus Prinzip nie vor.

Eine noch viel wichtigere Gruppe sind die Kloheiligen Cosy, Mississippi und Ferguson. Der Heilige Cosy verhindert, dass das Papier reißt, Mississippi hält die mächtigen Wogen in Zaum und der Heilige Ferguson lässt die Schüssel nicht bersten. Gemeinsam haben wir schon so manche kritische Situation überstanden. Jetzt werden natürlich einige die Nase rümpfen und das alles für völligen Schwachsinn halten, aber wenn das nächste Mal am Altar der Stürme die Krise ausbricht, dann werdet auch ihr zu den mächtigen Drei flehen.

Dienstag, 3. Jänner 2006

Gigantomanie

Liebe Freunde des Spektakels!

Im Lauf der Geschichte erlagen schon viele Wahnsinnige der Illusion, dass die Größe der Unternehmung mit ihrer Bedeutung gleichzusetzen ist. Unser Landsmann Adolf Schicklgruber (aka Hitler) gehört wohl zu den bekanntesten Vertretern dieser Zunft. Alleine die Baupläne für Berlin (Germania) und Linz hätten ihm einen Platz im Pantheon der ganz großen Irren eingetragen.
Nun gibt es Maßlosigkeit aber nicht nur in der Politik, sondern auch im Film. Meistens landet ein aufstrebender Regisseur einen Bombenerfolg und erhält dann für den nächsten Film - sein Traumprojekt - so viel Geld vom Studio, dass es kein Halten mehr gibt. Da unzählige Beispiele vorliegen, sei hier nur Roberto Benigni genannt. DAS LEBEN IST SCHÖN erhielt 1998 3 Oskars (Actor in a Leading Role, Foreign Language Film, Music) und spielte in den USA - als ausländischer Film! - 60 Millionen und weltweit 230 Millionen Dollar ein. Daraufhin gab man dem guten Roberto nicht nur 45 Milionen Dollar, sondern auch freie Hand für sein nächstes Projekt PINOCCHIO (2002). Es lässt sich gar nicht in Worte fassen, wie grottenschlecht dieser Film ist. Die Referenzklasse sind natürlich Verhoevens SHOWGIRLS und Travoltas BATTLEFIELD EARTH. Da ich letzteren nicht kenne, kann ich nur folgendes sagen: SHOWGIRLS ist ein cineastischer Augenschmaus im Vergleich zu Benignis qualvoller und äußerst befremdlicher Adaption des Kinderbuchklassikers. Zu Recht wurde er von den Kritikern in der Luft zerfetzt und mit mehreren Razzies ausgezeichnet.
Aber nun zum eigentlichen Thema: Nach Peter Jacksons Triumph DER HERR DER RINGE, gab man ihm das größte bisher dagewesene Filmbudget (207 Millionen Dollar exklusive Vermarktungskosten - SPIDY 3 und SUPERMAN RETURNS, by the way, haben Budgets von 250 Millionen Dollar, kommen aber erst raus) und ließ ihm ebenfalls freie Hand. KING KONG, Jacksons Jugendtraum, ist ein Triumph der Maßlosigkeit. Bereits bei DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS, als der Erfolg der Trilogie schon lange gesichert war, verlangte er vom Studio extra Geld, um die Effektsequenzen noch spektakulärer zu gestalten. Während die Schwachkopfskis bei MATRIX 2 und 3 genau daran scheiterten (zu viel Budget, zu viele Effekte, zu wenig Menschliches), ging Jacksons Rechnung mit KING KONG erneut auf. Dabei ist der Film in jeglicher Hinsicht überbordend, um nicht zu sagen wahnwitzig. Das beste Beispiel ist vielleicht JURASSIC PARK 4: SKULL ISLAND, aka der Mittelteil des Films. Was als direkte Anspielung beginnt, endet in zwei Effektsequenzen, die, rein logisch gesehen, hirnrissiger nicht sein könnten: die Flucht vor der trampelnden Dinosaurierherde und die Allosaurus-Hochseiltrapeznummer. Völlig ungläubig sitzt man im Kino und freut sich wie ein kleines Kind über eine Sache, die es eigentlich nicht geben dürfte. Und da wären wir auch schon beim Kernstück des Films: Noch unglaublicher als die Monstershow ist die Vorstellung einer tragischen Liebesbeziehung zwischen einer Frau und einem 8 Meter großen Gorilla. Die Wahrscheinlichkeit, dass es lächerlich oder künstlich wirkt, ist riesengroß. Aber genau das ist es, was an diesem Film am besten funktioniert. Naomi Watts schafft es durch ihre außergewöhnliche Darstellung der Ann Darrow den Wahnsinn der Effektsequenzen in Vergessenheit geraten zu lassen. King Kong selbst ist neben New York City die wahre CGI-Meisterleistung des Films und spielt mehr als überzeugend. Damit gelingt, was bereits in HERR DER RINGE funktionierte: neben dem pompösen Effekteklamauk gibt es immer noch glaubwürdige Charaktere, auch wenn es sich um einen 8-Meter Gorilla handelt. Deshalb drehen Peter Jackson und James Cameron auch bessere Filme als George Lucas.

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