Samstag, 27. August 2005

talk talk talk

Liebe Freunde der gepflegten TV-Unterhaltung!

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit einer Bekannten über das Thema Talk- und Gerichtsshows. Im Rahmen des Gesprächs äußerte sie sich erstaunt darüber, dass ein Sender wie PRO 7, der selbst diesen Krempel zeigt, die Metashow "talk talk talk" im Programm hat, die explizit diesen Schwachsinn verhöhnt. (Man möge mir hier den Verzicht auf den Konjunktiv in der indirekten Rede verzeihen, aber in der gehobenen österreichischen Umgangssprache reicht der Indikativ.) Diese Theorie einer Metaebene innerhalb des Mediums Fernsehen ist ein exzellenter Ausgangspunkt, um über das Wesen von "talk talk talk" nachzudenken.

Sonya Kraus' Moderation ist von zwei zentralen Elementen geprägt: Während sie sich verführerisch auf einer plüschbezogenen Sitzgelegenheit räkelt, kommentiert sie geistreich die Absurditäten des Hausfrauenfernsehens. Hier wird scheinbar auf zweifache Weise eine Metaebene eingezogen: In visuell-ästhetischer Hinsicht überflügelt der blonde Engel mit seiner strahlenden Schönheit und der ausgefallenen Abendgarderobe die Häßlichkeit der in Fetzen gehüllten Prolos. In verbal-intellektueller Hinsicht heben sich Hochsprache und die darin verpackten, geschliffen-formulierten Kommentare deutlich vom Umgangston ab, den die auszubildende Friseuse mit ihrem langzeitarbeitslosen Elektrikerfreund pflegt. Der Zuseher der Talkshows wird bei Sonya Kraus vom individuell und direkt reagierenden Voyeur zum Mitglied eines virtuellen Kollektivs, das die Distanz und Herablassung gegenüber den vorgeführten Idioten des Bügelfernsehens als wöchentliches Ritual zelebriert.

Sieht man nun aber genauer hin, beginnt diese Fassade der ästhetisch-moralischen Überlegenheit gehörig zu bröckeln. Das zentrale Element der Sendung sind ja eigentlich nicht die bescheuerten Ballermannfritzen und Arschgeweihträgerinnen der gezeigten Clips, sondern eher Sonyas Titten. (Man möge mir das Wort "Titten" verzeihen, aber es ist meine Pflicht, in sprachlich angemessener Weise den Phänomenen der modernen Fernsehunterhaltung gerecht zu werden.) Dieser vordergründige Fokus auf die körperlichen Attribute der Moderatorin ist insofern erstaunlich, als die Sendung ja vorgibt, hintergründig die Banalitäten der Fernsehunterhaltung aufzuzeigen. Die scheinbar cleveren Kommentare und Anmoderationen entpuppen sich bei genauerem Hinhören auch schnell als redundantes Geschwafel. Der Sendungstitel "talk talk talk" ist somit eher als unfreiwillig-ironische Anspielung auf den Moderationsstil zu begreifen als ein Kommentar zur Banalität der gezeigten Ausschnitte.
Obwohl ich mich nun des Verdachts des Brustfetischismus aussetze, möchte ich noch mal zum Thema "Titten" zurückkehren. In der Sendung vom 8. Mai 2004 macht sich Frau Kraus offensichtlich über die Brustfixierung der proletarischen Kleingeister lustig:



In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Nachricht aus der Klatschpresse hinweisen, die ich bei www.fatnews.de wiederentdeckt habe:

Ist der Busen von Sonya Kraus nun echt oder nicht?
Seitdem Kollege Andreas Türck (33) die Behauptung über Sonya Kraus' Brüste aufstellte: "Die hat ja solche Dinger, die sind doch gemacht!", hat die blonde Buchstaben-Fee und Moderatorin ("Glücksrad", "talk talk talk") Ärger. Alle fragen sich: Hat Sonya nun Silikon im Busen? Und wenn ja, wieviel?

Sonya Kraus bringt selbst des Rätsels Lösung:
"Ja, ich helfe mit Silikon nach!" Der Clou: Sie trägt die Silikonkissen außen und nicht innen: "Ich habe normalerweise Körbchengröße 75 B. Vor der Kamera trage ich aber immer abnehmbare Silikonauflagen, die meinen Busen auf 75 C vergrößern." Alles andere dahinter ist echt, beteuert Sonya Kraus.

Ich würde diesen hier mehrfach explizit als auch implizit vorkommenden Sexismus ziemlich traurig finden, wenn sich Sonya Kraus nicht mit solcher Überzeugung als Quotennutte prostituieren würde. Mittlerweile moderiert ihr Vorbau schon jede zweite Sendung auf PRO 7. Dabei bin ich fest davon überzeugt, dass die Frau hinter der Moderatorin keineswegs blöd ist.
Fazit: "talk talk talk" ist um keinen Deut besser als der übliche Fernsehtrash. In ihrer ästhetischen und verbalen Künstlichkeit verspielt die Sendung jegliche Relevanz und erstarrt in ihrer nicht überschminkbaren Oberflächlichkeit. Das Fernsehen kennt eben weder Vielfalt noch eine zweite Ebene. Im größten Recyclingprozess, den dieser Globus kennt, wird das gerade schwer Verdaute ständig nach oben gewürgt und wiedergekäut. Die leichten Variationen in der Präsentationstechnik versuchen nur darüber hinwegzutäuschen, dass die Inhalte immer dieselben sind. Wie eine riesige Bürokratie verwaltet das Fernsehen nur mehr sich selbst. Es ist sein eigener Inhalt geworden.

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Donnerstag, 25. August 2005

Freizeitbeil

Liebe Axtmörder!

Die Firma FISKARS bietet über mehrere Internetversandhäuser, aber auch Supermärkte wie etwa unseren allseits geliebten Hofer, ein Werkzeug an, dessen Produktbezeichnung mich nicht mehr loslässt. Es handelt sich dabei um ein für den Outdoorbereich speziell gefertigtes Spaltutensil, das den vielversprechenden Namen Freizeitbeil trägt.



Mit dieser Wortkreation werden gleich auf zweifache Weise die üblichen Assoziationsketten beim Anblick eines solchen Gerätes gesprengt. Der attributiv gebrauchte erste Teil dieses Kompositums, "Freizeit", lässt keinen Zweifel daran, dass es sich hier eben nicht um ein beruflich nutzbringend zu verwendendes Werkzeug handelt. Weder der Holzfäller, noch der dem Kriegshandwerk zugetane Germane findet in diesem schmucken Objekt eine treue Begleiterin. Das zweite für diese Wortneuschöpfung gewählte Substantiv, "Beil", erinnert mit Nachdruck daran, dass sich für den geschulten Blick hinter dieser scheinbar weiblichen Axt ein neutrales Beil versteckt.
Bei Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Beil) erfährt man dann auch, dass das Beil nichts anderes als eine einhändig geführte Axt ist, die beim Arbeiten und Morden einen höheren Grad an Präzision zulässt als seine fürs Grobe zuständige größere Schwester. Trotzdem interessiert es jetzt unsereinen, in welchen kritischen Situationen sich die Mitnahme eines Freizeitbeils als Gottes Segen herausstellt. Die Produktbeschreibung verrät nicht allzu viel:

Freizeitbeil 500 Premium
Ideales Beil für alle Outdoor- und Trekking-Freunde, klein und leicht mit praktischer Canvas Tasche zur Befestigung an Gürtel oder Rucksack.
Länge: 22 cm. Gewicht: 530 g.

Was macht der gut gerüstete Naturfreund in seiner Freizeit mit diesem kleinen, leichten Beil jetzt genau? Holz? Kotelettes? Verletzte? Liebe Leser: Lasst eurer Fantasie freien Lauf! Schließt eure Augen und stellt euch vor, was ihr mit einem supergeilen Freizeitbeil alles machen würdet. Dann setzt euch schnell zum Computer und schickt euren Vorschlag. Der Gewinner erhält einen kleinen, leichten Freizeitschuhlöffel.

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Dienstag, 9. August 2005

Der Suppenkult

Liebe Hobbyphilosophen!

Wie heißt es so schön am Anfang von "Lords of Magic"?
"Der Kreislauf des Lebens hat weder Anfang noch Ende. Beginnt nun eure Reise ins Ungewisse. Wählt euren Kult und gestaltet euer Schicksal selbst."
Bei "Lords of Magic" kann man zwischen acht Kulten wählen: man verehrt das Leben, die Erde, das Chaos, das Wasser, den Tod, die Luft, die Ordnung oder das Feuer. Im richtigen Leben sind andere Kulte populärer: viele verehren den Fussball, das Bier, den Fernseher, das Geld, den Kühlschrank, die Technik, den Schminkkoffer und ganz besonders den (An)schein.
Ich persönlich bin vor einigen Jahren zum Suppenkult konvertiert. Dieser beruht auf der Lebensweisheit einer alten weisen Frau im Geburtsort meiner Mutter: "A Rua is a a guade Supp'n." (Für unsere deutschen Freunde: "Wenn man's schön ruhig hat, ist's wie lecker Suppe essen.") So wie die Ursuppe die ideale Voraussetzung für die Entstehung des Lebens war, so ist auch heute noch die Suppe das Um und Auf für eine erfolgreiche und friedliche Existenz. Ganz wichtig ist, dass man sich die Suppe ausschließlich selbst einbrockt. Es laufen nämlich reihenweise Hobbyköche herum, deren eigene Suppe oft ungenießbar ist (Packerlsuppe, wenn nicht noch schlimmer) und die sich trotzdem mit Leidenschaft auf fremde Suppentöpfe stürzen und wild zum Herumwürzen anfangen. Jeder kennt irgendeine ganz tolle Zutat, die man unbedingt reinrühren muss, damit die Suppe so richtig toll schmeckt. Ich sag's nur einmal: Hände weg von künstlichen Geschmacksverstärkern! Apropos Geschmacksverstärker: Frauen sind natürlich das Salz in der Suppe. Nur ein jeder, dem schon mal der Salzstreuer ausgekommen ist, weiß wie schnell die Sache ins Gegenteil umschlagen kann!
Eine wichtige Maßeinheit zur Beurteilung richtiger und falscher Verhaltensweisen ist der sogenannte Suppenfaktor. Hier zwei Beispiele:
Suppenfaktor 0 (äußerst unentspannt): Man steht unter Zeitdruck, weil man dringend eine Arbeit abliefern muss, und wird gleichzeitig mit Alltagsgeschichten bombardiert ("Stell dir vor: jetzt hat der Hund von den Nachbarn ins Stiegenhaus gekackt und die Frau Müller ist mitten reingestiegen.)
Suppenfaktor 10 (totally relaxed): An einem lauen Sommerabend sitzt man spät abends draussen im Garten, trinkt Rotwein und plaudert mit einem lieben Menschen.

Nun ein Test: Welchen Suppenfaktor haben die folgenden Situationen? (Lösung ganz unten)

1) Man fährt nach einem langen Abend mit dem Auto nach Hause. Das Wetter ist scheußlich, man ist hundsmüde und die eigene Frau erzählt einem im Detail, was jeder der 150 geladenen Gäste angehabt hat.

2) Heute hat der Briefträger die aktuelle Ausgabe des Lieblingsmagazins gebracht. Man setzt sich also am Abend in den Lesesessel, wirft eine chill-out Jazz-CD in die Anlage und beginnt zu blättern.

3) Nach drei Stunden Shoppingextravaganza fällt einem metrosexuellen Bekannten ein, dass im Esprit auch noch Ausverkauf ist. Dort probiert er dann das halbe Geschäft durch, kann sich aber nicht wirklich für irgendeine Sache entscheiden. Man selbst wird ständig als Ratgeber beansprucht, aber letztendlich nicht ernst genommen.

4) Am Ende eines langen Arbeitstages lässt man sich ein Bad ein.

5) Als man im Zugabteil gerade zu seinem Buch greifen will, beginnt die ältere Dame von gegenüber zu sprechen. Früher war alles besser und die heutige Jugend ...

Jetzt noch 5 Sprichwörter des Kultes:

Wer die Suppe will, muss selbst zur Suppe werden.
Wer den Löffel abgibt, kann nicht mehr umrühren.
Je größer der Topf, umso dünner die Suppe.
Wer rührt, ruht nicht.
Kocht die Suppe, keucht der Koch.

Und hier die Lösung des Tests:

1) Faktor 2-3
2) Faktor 8-9
3) Faktor 0-1
4) Faktor 6-7
5) Faktor 3-4

Und nie vergessen: "A Rua is a a guade Supp'n!"