Mittwoch, 25. Februar 2009

Die böse Lawine

Liebe Skifahrer!

Schon im Geografieunterricht in der Schule hat mich eine Sache total irritiert: der strikt anthropozentrische Blickwinkel auf die menschliche Umwelt. Die Po-Ebene, kann ich mich noch gut erinnern, war immer ganz brav und kooperativ, weil sie für fruchtbare Felder sorgte, aber die Wüsten der Erde, der eisige Norden, oder die Gebirgslandschaften waren gar nicht nett. Ohne mit der Wimper zu zucken legten sie den armen Menschen, die dort lebten, ein Hindernis nach dem anderen in den Weg. Für unsere Geografielehrerin zählten nämlich nur fruchtbare Felder und Bodenschätze. Die Landschaften der Erde hatten für sie keinen Sinn, wenn sie nicht irgendeine Form von Profit versprachen.

Rückblickend wundert es mich wenig, dass ich mich von klein auf für Biologie interessierte und Geografie immer hasste. Die Biologen nämlich vermittelten ein Bild von diesem Planeten das zunächst einmal gar nichts mit den Menschen zu tun hatte. Ganz im Gegenteil: unser Bio-Lehrer regte sich immer fürchterlich über die Tiersendungen im Fernsehen auf, die ständig eine menschliche Sichtweise präsentierten.

In diesen Tagen muss ich wieder eine Nachrichtensendung nach der anderen über mich ergehen lassen, in der das tragische Schicksal bedauernswerter Menschen beklagt wird, deren Haus von Schneemassen und Lawinen bedroht wird, oder die eine hinterhältige Lawine einfach von hinten ansprang und fast in den Tod riss. Selbst in der Arbeit entkomme ich diesen Tragödien nicht: unsere Sekretärin wird noch wochenlang unter größten Schmerzen im Krankenhaus verbringen müssen, weil beim Abstieg vom Tourengehen plötzlich eine Eisplatte wie aus dem Nichts vor ihr auftauchte und der Sturz unvermeidlich war.

Interessanterweise wird die wichtigste Frage in all diesen Beiträgen niemals gestellt: Wie sind Sie auf die wahnsinnige Idee gekommen Ihr Haus in einen Lawinenhang zu bauen? bzw. Wie blöd sind Sie eigentlich, dass Sie sich in einer stark abschüssigen Schnee- und Felswüste zwei rutschige Bretter auf die Füße schnallen und ohne ausreichende Kenntnis der Bodenverhältnisse diese mit erhöhter Geschwindigkeit hinunterrutschen? Mein Mitleid ist nicht endenwollend, sondern gar nicht vorhanden.

Nun gut, in einer freien Gesellschaft darf jeder mit seinem Leben machen, was er will. Das ist nur fair. Aber dann bestehe ich nachdrücklich darauf, dass alle Such-, Transport-, OP- und Behandlungskosten von den Unfallopfern – ein absurder Begriff in diesem Zusammenhang, denn es handelt sich um eine mutwillig herbeigeführte Selbstgefährdung – selbst getragen werden. Skifahren ist ein Privatvergnügen und soll es auch bleiben. Wenn sich jemand einen so teuren Sport leisten kann, dann muss auch das Geld für eine Privatversicherung bzw. die vollständige Übernahme der Krankenkosten möglich sein.

Das Perverse an der momentanen Situation ist nämlich, dass die Skifahrer auf Staatskosten vom Berg geholt, operiert, und wochenlang behandelt werden. Das zahlen alles wir. Aber die Wahrheit dahinter ist eine ganz andere: Das Skifahren ist wie das Rauchen. Natürlich belasten beide das Gesundheitssystem, aber insgesamt verdient der Staat eine Unmenge Geld damit. Das Zusammenflicken dieser Deppen nimmt man gerne in Kauf, denn ein Zusammenbruch der Ski- und Tourismusindustrie wäre viel fataler. Das sehe ich alles ein. Aber dann soll halt wenigstens diese elende Mitleidsheischerei endlich ein Ende haben. Wenn die nächste böse Lawine auf heimtückische Weise ein unschuldiges Menschenleben fordert, dann kotzte ich ungehemmt auf den Bildschirm.

Dienstag, 24. Februar 2009

The 'CSI EFFECT'

Liebe Gerichtsmediziner!

Bereits im Mai 2005 habe ich mich mit dem Phänomen CSI näher auseinandergesetzt, wobei es mir vor allem darum ging, die generelle Hirnrissigkeit der Serie aufzuzeigen:
http://obstgarten.blogspot.com/2005/05/csi-miami.html
Heute steht aber ein ganz bestimmter Teilaspekt der Serie im Vordergrund, nämlich der CSI Effekt. Eigentlich ist die ganze Angelegenheit so lächerlich, dass man gar nicht weiß, was man sagen und wo man beginnen soll. Also zuerst die Fakten: Obwohl CSI so viel mit Gerichtsmedizin zu tun hat wie STAR TREK mit Weltraumfahrt, ... okay, das war jetzt nicht fair: Obwohl der Umgang mit Gerichtsmedizin in CSI die Technik in STAR TREK als greifbare Errungenschaft erscheinen läßt, glauben die amerikanischen Fernsehzuseher, dass hier ein realistisches Bild des Polizeialltags vermittelt wird. Das wäre an sich noch nicht so schlimm, denn die Amerikaner glauben so manchen Scheiß und CSI ist noch einer der harmloseren Irrtümer.
Nun ist es aber so, dass der amerikanische Staatsbürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat, und dazu gehört neben dem Steuerzahlen auch sein Einsatz als Geschworener. Seit drei Jahren häuft sich nun der Verdacht, dass die Geschworenen zunehmend ihre bei CSI erworbenen Fähigkeiten und Einsichten auf die reale Welt anwenden. STAR TREK ist als Science Fiction/Fantasy Serie als Bezugspunkt aus dem Rennen, und niemand würde im Gerichtssaal Beamen als mögliche Erklärung für das spurenlose Eindringen des Täters in Erwägung ziehen. Da aber CSI so super realistisch ist und die Drehbücher ausnahmsweise nicht von Autoren, sondern von echten Gerichtsmedizinern geschrieben werden, stimmt natürlich alles, was da so als Errungenschaften der modernen Technik und Chemie vorgeführt wird. Geschworene zeigen sich zunehmend erstaunt, dass die Forensik nicht bessere Ergebnisse liefern konnte bzw. dass nicht sofort jedem im Umkreis von 100 Kilometern eine DNA Probe entnommen wurde. Der Grund für die Gerichtsverhandlung kann ja nur darin bestehen, dass die forensic task force versagte und die entscheidenden Spuren nicht fand. Wie bei Sherlock Holmes sind Polizei und Richter bei solchen Detektivfantasien auf unbedeutende Randerscheinungen reduziert, die am Schluss kurz auftauchen, den Täter abführen, schnell verurteilen, und einsperren.
Der CSI Effekt wirkt sich aber auch auf Täter aus, die nachweislich größere Anstrengungen unternehmen, um ihre Spuren zu verwischen, und auf Schulabgänger, die plötzlich alle forensic science studieren wollen. Das Lustige dabei ist, dass man sich über Kinder amüsiert, die in Hogwarts Zauberei studieren wollen, aber recht viel Unterschied besteht da nicht. Die Wissenschaft hat längst der Magie den Rang abgelaufen als die generell akzeptierte Form der Zauberei.

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Mittwoch, 18. Februar 2009

Tri tra tralala

Liebe Kinder,

krawuzi kapuzi! Jetzt hätte fast das Krokodil beim Kasperltheater gewonnen! Aber mit vereinten Kräften ist es dann doch gelungen das Untier in die Schranken zu weisen. Also bleibt Gerhard Maria Wagner in Windischgarsten und alle Katholiken klatschen fröhlich in die Hände, weil die Geschichte wieder einmal gut ausgegangen ist.

So ähnlich kommt mir die jüngste Krise der katholischen Kirche in Österreich vor. Und genau so verliefen die anderen auch, zB bei Erzbischof Groer und Bischof Krenn. Weil der eine als Kardinal ein paar Buben vergenusszwergelte und der andere sein Priesterseminar in Schutz nahm, wo es - man höre und staune - zu homosexuellen Handlungen zwischen Seminaristen und zum Download von Kinderpornografie kam, obwohl doch die katholische Kirche für ihre gesunde Einstellung zur Sexualität bekannt ist. In allen drei Fällen regte sich das Kirchenvolk fürchterlich auf und setzte sich - erstaunlicherweise - jedes Mal gegen den Papst durch. Ein Weihbischof, der den Harry Potter nicht mag, ist halt untragbar.

Das wirklich lustige an der ganzen Geschichte ist, dass sie mit den eigentlichen Problemen der katholischen Kirche nur peripher zu tun hat. Das ist so, als hätte man George W. Bush während seiner Präsidentschaft dafür zur Rechenschaft gezogen, dass er als Gouverneur von Texas des öfteren falsch parkte und betrunken Auto fuhr.

Warum regt sich eigentlich niemand über die wirklichen Probleme auf? Warum tritt niemand aus, weil die Kirche zutiefst undemokratisch ist und die meisten Menschenrechte, wie etwa die Gleichbehandlung aller Menschen verletzt? Kirchen sind soziale Einrichtungen, die dem einzelnen seine Position im Gesamtgefüge der Welt stimmig erklären können und ihn über Rituale, in beiderseitigem Einverständnis, in die soziale Gemeinschaft integrieren. Aber das tut die Katholische Kirche schon lange nicht mehr. Die Rituale haben sich totgelaufen und die Gemeinschaft ist nur virtuell. Nur die Caritas und ähnliche Organisationen schaffen es noch, ein bisschen etwas vom sozialen Engagement zu retten.

Am liebsten wäre es der Kirche, wenn das Volk noch immer an Adam und Eva, das Herbeibeten von Regen und Marienerscheinungen glaubte. Dieser antiintellektuelle Volkskatholizismus, der erwachsene Menschen wie dumme, kleine Kinder behandelt, stößt mir noch immer sauer auf. Jede Warum-Frage, die man als Jugendlicher stellte, wurde mit einem Das-ist-halt-so beantwortet. Die Kirche war und ist wie Mathematikunterricht in der Oberstufe: keiner versteht, wofür der ganze Scheiß eigentlich gut sein soll, aber auf die Warum-Frage hört man nur: Klappe halten und brav die Formeln auswendig lernen.

Der Papst leidet unter der Wahnvorstellung, dass er alle christlichen Gruppierungen wieder zusammenführen will, in eine große Einheitskirche. Was wir brauchen ist aber nicht noch mehr Einheit, sondern eine größere Dezentralisierung, mehr Dialog, eine bottom-up Bewegung, nicht noch mehr top-down. Und wenn er schon die 'schwarzen Schafe' wieder an sich binden will, dann soll er doch bei den eigenen Leuten beginnen, bevor er die Ultrarechten mit ins Boot holt: Priester mit Lebensgefährtinnen, Geschiedene, Schwule.

Nachdem Homosexualität heilbar ist, erwarte ich mir schon des längeren einen päpstlichen Ratgeber, der die besten Behandlungsmethoden im Detail beschreibt. Ich tippe mal auf kalte Umschläge und das Fernbleiben von katholischen Bildungseinrichtungen.

Mittwoch, 11. Februar 2009

Geld

Liebe Sparefrohs!

Wie viele andere, die in der westlichen Welt aufgewachsen sind, habe auch ich die Werte des Kapitalismus (zwangsläufig) verinnerlicht und glaube fest an die Grundprinzipien dieser Ideologie. Trotzdem lüge ich mich sehr erfolgreich dahingehend an, dass ich eigentlich nicht wirklich Teil des Systems bin, da ich, erstens, Literatur und nicht BWL oder Jus studiert habe, dass ich, zweitens, Grün und nicht Schwarz/Blau/Orange wähle, und dass, drittens, Geld eigentlich gar nicht so wichtig für mich ist. Die übliche linke Augenauswischerei eben. Während man voller Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit über Politik und Wirtschaft schimpfen kann, genießt man gleichzeitig die Vorzüge dieser Weltordnung.

Als Student, in dieser Grauzone zwischen Kindheit und Erwachsenendasein, funktioniert diese Selbsttäuschung noch recht gut. Man hat noch keinen fixen Job, man zahlt keine Steuern, man schlägt sich irgendwie durch, man kann sich sein bescheidenes Leben finanzieren, man lässt die Politik Politik sein, man schimpft ein wenig über alles und jeden, man demonstriert, man kennt sich aber nicht wirklich aus, was nicht so schlimm ist, man fühlt sich ein wenig als Außenseiter, was auch ganz gut tut, man ist nicht so wie die anderen, man hat ganz andere Interessen etc.

Sobald man aber gezwungen ist aus dieser amorphen Grauzone herauszutreten und Konturen zu zeigen, sich endgültig festzulegen und einen bestimmten Weg einzuschlagen, dann kommt man um bestimmte Dinge nicht mehr herum. Die Desillusionierung ist zuerst groß, aber man lernt mühevoll und langsam nach den neuen Regeln zu spielen. Plötzlich erkennt man, dass Politik nichts mit Idealen oder Grundsatzdebatten, sondern sehr viel mit der Umverteilung von Geld zu tun hat, oder dass die Belohnungen im Leben oft nichts mit Leistung, sondern sehr viel mit Beziehungen zu tun haben.

Wenn ich in den kleinen Kreis jener aufsteige, die überhaupt Steuern und Gebühren zahlen, dann ist es mir plötzlich nicht mehr egal, was mit diesem Geld geschieht. Das fängt bei der Politik an und hört beim ORF auf. Gleichzeitig bleibt mir so viel Geld über, dass ich mich ständig damit beschäftigen muss, wie ich mich finanziell absichere. Plötzlich ertappt man sich dabei, dass man schnell online bei der Bank vorbeischaut, ob sich etwas tut. Früher war der monatliche Kontoauszug völlig ausreichend, heute muss es schon einmal pro Woche sein. Es entwickelt sich eine eigenartige Dynamik, die einen verstehen lässt, warum andere total auf solche Zahlenspielereien abfahren.

Aber mir kann so etwas gar nicht passieren, denn Geld ist eigentlich nicht wirklich wichtig für mich. Es gibt so viel wichtigere Dinge im Leben: Gesundheit, Umwelt, soziale Gerechtigkeit, Weltfrieden ... Ich geh mal schnell kotzen.

Dienstag, 10. Februar 2009

We don't need another hero

Liebe Helden,

auf MTV gab es vor Jahren die KING FOR A DAY, FOOL FOR A LIFETIME competition, möglicherweise zeitgleich mit dem Release des fünften Studioalbums von Faith No More (1995), das denselben Titel trägt. Die Gewinner durften einen Tag in Luxus schwelgen und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit genießen, um dann wieder, für den Rest ihres Lebens, in die Obskurität und Banalität ihres Alltags zurückzukehren. Im Gegensatz zum derzeitigen ORF Programm war das wenigstens eine klare Ansage. Unser geliebter Heimatsender kürt hingegen im Minutentakt immer neue Helden, deren Ablaufdatum nicht unmerklich länger ist als jenes der damaligen MTV Kings. Verschwiegen wird hingegen die FOOL FOR A LIFETIME Komponente, die gerade in Österreich nicht unterschätzt werden darf. STARMANIA, DANCING STARS, Sportberichterstattung, Werbung, Hauptabendnachrichten - man kann sich gar nicht mehr wehren gegen diese Flut von Helden und Superstars. Da wird einem Oliver Wimmer(l) als Sieger von STARMANIA aufs Aug gedrückt, der dann in Interviews von seinen Zukunftsplänen als Megastar sprechen darf. In der SPAR Werbung hüpft diese fürchterliche Mirjam Weichselbraun durch den Regen, die beliebteste Talk- und Showmasterin Österreichs und BRAVO-Girl 2000. (Apropos BRAVO: Hat da nicht der ORF die BRAVO abgelöst, die schon immer irgendwelche Ein-Hit-Wunder zu den ganz Großen der Musikszene hochstilisierte?) Im Sportprogramm ganze Heerscharen von Helden. Dann Chesley B. Sullenberger, der "Held vom Hudson", im Exklusivinterview, damit es nicht so aussieht, als wäre nur Österreich von Superhelden bevölkert. Die Skistars in der IGLO Werbung. Obama, der Messias, in den Nachrichten. Dabei vermischen sich die Formate zunehmends. In jüngster Zeit wird sogar bei der ZIB 1 für die aktuelle Eventshow des ORF geworben.

Dabei sieht eine österreichische Heldenparade immer so aus, als wären gerade die Kellertüren der Nation aufgegangen. Jede bleiche, degenerierte Amöbe wird da vor die Kamera gezerrt und ausgezeichnet, wenn sie nur irgendeine Sache halbwegs gut kann. Ich warte ja schon darauf, dass die Interviews mit unseren Volkshelden mit Untertiteln ausgestrahlt werden, weil ihnen die letzten Reste sprachlicher Artikulation abhanden gekommen sind.
Andi Goldberger ist ein Paradebeispiel dafür, dass jeder Wichser in Österreich zum Helden werden kann. Klickt man auf seiner Homepage auf "Biographie", bekommt man eine Liste seiner größten Erfolge als Skispringer. Das ist nur fair, denn da ist ja auch sonst nichts: kein Leben vor, während, oder nach dem Sport, keine besonderen Fähigkeiten oder Errungenschaften, keine Verdienste am Gemeinwohl, NICHTS. Was ist trauriger als eine Biographie in der nichts steht. Dabei kann der Andi gar nichts dafür: er war nur ein weiterer armer Affe, der vom österreichischen Skiverband dressiert und dann vom ORF als Held verkauft wurde. Ganz Österreich ist zugepflastert mit Ausbildungsstätten, wo die Weichbirnen der Nation zu sportlichen Volkshelden ausgebildet werden. Viele schaffen es nicht und scheitern. Aber ein paar dürfen dann doch ihre blöde Fresse in die Kamera halten.

Montag, 9. Februar 2009

Pretty Woman

Liebe Romantiker,

In der Freitag-Ausgabe der SALZBURGER NACHRICHTEN (6. Februar 2009, S. 10) findet sich ein Interview mit Christian Petzold, dem Regisseur von JERICHOW, das den Titel "Die Liebe in Zeiten des Kapitalismus" trägt. Zur Beziehung zwischen Geld und Liebe befragt, antwortet er:

"Je undurchlässiger eine Gesellschaft aber ist, umso mehr findet die Ideologie der Romantik im Film und in der Musik statt: Die Idee, dass alles möglich ist, auch ohne Geld, dass nur das Gefühl zählt. Und die Figur der Laura weiß davon zu berichten, dass diese Art von Romantik eben nur eine Ideologie ist, dass man sich verkaufen und seinen Preis hochhalten muss, um sich eine kleine Freiheit zu erarbeiten. Gerade für eine Frau mit 35 ist eine wirkliche Unabhängigkeit sehr schwierig."

Der Turbokapitalismus der 1980er und 90er Jahre, der soeben einen vorübergehenden Rückschlag erlitten hat, ist da ein sehr gutes Beispiel. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass Jane Austens Romane seit 15 Jahren eine ungeahnte Renaissance im Kino erleben. Die begeisterten Fans sehen nur die romantische Komödie in Pride and Prejudice, aber die Ehe zwischen Charlotte Lucas und William Collins ist großteils vom Wunsch Charlottes bestimmt sich finanziell abzusichern. Dafür muss sie sich eben an einen wenig begehrenswerten Mann verkaufen. Die Ehe als eine mögliche Form der Zwangsprostitution ist das Damoklesschwert, das über der Geschichte der Frauen durch die Jahrhunderte hinweg schwebt.

Das Hollywood Kino der 80er und frühen 90er ist voll von romantischen Komödien, die, ähnlich wie bei Jane Austen, die Ideologie der Romantik mit jener des Kapitalismus verknüpfen. Während Michael J. Fox in THE SECRET OF MY SUCCESS (1987) noch völlig unbedarft das System zu seinen Gunsten manipuliert, um ganz nach oben zu kommen und in Saus und Braus zu leben, wird er in DOC HOLLYWOOD (1991) eines Besseren belehrt und lernt die Vorzüge des Landlebens und der wahren Liebe schätzen.

Das interessanteste Beispiel ist aber PRETTY WOMAN (1990), die erfolgreichste romantic comedy aller Zeiten, die bei Produktionskosten von 14 Millionen Dollar 463 Millionen eingespielt hat. Das ursprüngliche Drehbuch $3,000 war ein düsteres Drama, das die wirtschaftliche Härte der Reagan/Thatcher Zeit widerspiegelte und eine billige Straßennutte mit einem rücksichtslosen Finanzhai zusammenbrachte. Da die Rechte bei Disney lagen, sprachen sich Produzentin Laura Ziskin und Studioboss Jeffrey Katzenberg (jetzt bei Dreamworks) gegen dieses Szenario aus, weil es nicht in die Disney Faserschmeichler-Linie passte. Also ließen sie das Drehbuch auf romantic comedy umschreiben. Das erklärt auch den völlig hirnrissigen Umstand, dass das überaus sympathische und romantische Traumpaar des Films die sozial bedenklichsten Berufe ausübt. Dazu kommt noch, dass der soziale Aufstieg der Vivian Ward nur über Äußerlichkeiten zustande kommt und sie die ganze Zeit von einem echten Arsch ausgehalten wird. Daher wundert es nur wenig, dass Daryl Hannah, Michelle Pfeiffer und Meg Ryan die Rolle ablehnten und den Film auch heute noch wegen seiner frauenfeindlichen Ausrichtung hassen. Während die ganze Welt nun endlich Topmanager verachtet, die Firmen ruinieren, Angestellte entlassen und sich dabei noch ganz unverschämt bereichern, wird bei Richard Gere gerne über solche Lapalien hinweggesehen. Kann mir jemand den moralischen Kern von PRETTY WOMAN erklären? Aber es ist ja nur eine romantische Komödie. Da geht es halt um andere Sachen. Trotzdem ist der Film hochpolitisch, ob man das wahrhaben möchte oder nicht.

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