Mittwoch, 31. Jänner 2007

Nespresso

Liebe Kaffeegenießer!

Im Zuge der neuen Bürgerlichkeit (siehe Wikipedia) bzw. des Neo-Biedermeiers, wie ich es nenne, arbeiten Vertreter der gehobenen Mittelschicht schon seit geraumer Zeit an einem neuen Lebensgefühl. Während wir im Bereich der sogenannten unteren sozialen Schichten und des Polit- und Geldadels noch immer eine ungebremste Akzeptanz der Eventkultur erleben (inklusive Massentourismus und Cluburlaub), besinnen sich die Jungakademiker schon längst auf die eigenen vier Wände. Als Gegenpol zum hektischen Arbeitsleben gewinnen Wohnen und Häuslichkeit erneut Bedeutung. Im Gegensatz zu früheren Generationen dient der (damals oft gekünstelte) Lebensstil nicht mehr irgendwelchen Repräsentationszwecken, um etwa die eigene Familie, den Chef oder Freunde zu beeindrucken, sondern alleine dem eigenen Wohlbefinden (Wellness). Dazu zählt vor allem Essen und Trinken. Es ist also kaum verwunderlich, dass Kochsendungen, -bücher, -utensilien und dergleichen hoch im Kurs stehen. Beim Trinken hingegen zeichnet sich ein neuer Trend ab: neben dem gepflegten Weingenuss ist plötzlich auch der Kaffee wieder in. Jeder, der etwas auf sich hält, wirft die alte Melitta Kaffeemaschine um 60 Euro auf den Müll und legt sich einen Saeco Kaffeevollautomaten um 600 Euro zu.
Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, hat da eine wahre Marktlücke entdeckt. Mit gigantischem Werbeaufwand (George Clooney!!) wird hier ein System gepusht, das totale Exklusivität verspricht (trotz Massenvertriebs in aller Herren Länder). Sieht man sich auf www.nespresso.com einmal um, fällt sofort auf, dass hier Kaffee wie Wein verkauft wird. Hier eine kleine Kostprobe:

"Schon bevor Sie die Lippen an die Tasse führen, riechen Sie die Aromen, die einem Espresso entströmen. Zuerst nehmen Sie die flüchtigen Aromen der leichteren Noten wahr: blumig beim Vivalto, zitrusartig beim Cosi, rotbeerig beim Decaffeinato. Rühren Sie jetzt mit einem Kaffeelöffel um. Nun kommen die schwereren, intensiveren Noten an die Oberfläche: Getreidearomen beim Capriccio, Holznoten beim Roma oder Kakaonoten beim Arpeggio."

Lifestyle pur ist super-in, um es dem Thema entsprechend auf Neudeutsch zu sagen, und viele folgen dem Ruf George Clooneys. Besonders die Frauen. Die haben in unseren Breiten sowieso eine ganz besondere Beziehung zu Italien und zur südlichen Lebensart. Der Schorsch passt da super dazu, weil der auch so rassig-italienisch aussieht. Wird man also vom neuen Bürgertum zum Kaffee geladen, heißt das mittlerweile immer Nespresso trinken. Da gibt's dann nicht nur exotische Flavours, sondern auch haufenweise Drumherum, wie eigene Tassen und Löffel, und die alles entscheidende Frage: "Und, wie schmeckt's?"
Als Gelegenheitskaffeetrinker schmeckt Kaffee für mich in erster Linie nach Kaffee. Bei Rotwein oder Tee könnte ich vielleicht noch sagen, ob die Flasche (bzw. 100 Gramm) 2, 12 oder 20 Euro gekostet hat und worum es sich ungefähr handelt, aber beim Kaffee bin ich echt überfragt. Soll ich da jetzt auch noch intensive Rotbeernoten und zitrusartige Abgänge rausschmecken, wo ich doch meistens nicht einmal weiß, wie sich Cappuccino und Espresso unterscheiden?
Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob diese neue häusliche Kaffeekultur eine Modeerscheinung ist, leichte Züge von Dekadenz aufweist, oder als wünschenswerter Versuch zu sehen ist, dem Alltagsleben eine besondere Note zu verleihen. Teuer ist das Vergnügen auf jeden Fall. Eine Kapsel kostet 35 Cent.

Freitag, 19. Jänner 2007

Rhematiker

Liebe Kommunikationswissenschaftler!

In der funktionalen Grammatik unterscheidet man zwischen dem Thema und dem Rhema eines Satzes. Das Thema - wer hätte das gedacht? - gibt an, worum es eigentlich geht (Kontext), und das Rhema bringt die neue Information (Text). Ein simples Beispiel:

Es war einmal ein König. Der hatte drei Töchter.

Im ersten Satz ist "ein König" Rhema (neue Info), während im zweiten Satz "Der" (gemeint ist der König) das Thema bildet und "drei Töchter" als neuer Inhalt dazukommt (Rhema). Alle Fürwörter sind somit thematisch, weil sie sich auf den Kontext vorheriger Sätze beziehen. So weit, so gut.

Nun gibt es aber Menschen, die prinzipiell auf das Thema bzw. den Kontext verzichten und gleich mit dem Rhema bzw. der neuen Information anfangen. Das hindert diese natürlich nicht daran haufenweise Fürwörter zu verwenden, die jetzt für Wörter stehen, die gar nicht da sind. Rhematiker fangen ihre Erzählungen folgendermaßen an:

"Sie hat es gleich dort noch probiert, aber es passte einfach nicht."
"Wenn er sich nicht beeilt, werden sie es verkaufen."
"Jetzt haben sie es schon wieder aufgestellt."
"Er wollte ja deswegen noch hin, aber extra zwei Stunden im Auto stehen auch nicht dafür."

Für Rhematiker eröffnet sich ein neues Thema als Gedankenblitz, vermutlich als visueller Eindruck. Anstatt für den Gesprächspartner dieses Bild in Sprache umzusetzen, damit er bzw. sie weiß, worum es geht, wird sofort die neue Info mitgeteilt. Da Telepathie nicht zu den Standardformen menschlicher Kommunikation zählt, hat vielleicht noch jemand aus dem engeren Familienkreis die Chance den Kontext des soeben Gesagten zu erraten. Wenn die Cousine demnächst heiraten wird, macht der Satz "Sie hat es gleich dort noch probiert, aber es passte einfach nicht." noch halbwegs Sinn, wenn man "dort" als Brautmodegeschäft interpretiert.

In meinem sozialen Umfeld bin ich mit zwei Rhematikerinnen der Spitzenklasse gesegnet. Es soll hier natürlich nicht der Eindruck erweckt werden, dass nur Frauen von diesem Phänomen betroffen sind. Ganz im Gegenteil: Ich möchte es als allgemein gültige Wahrheit verstanden wissen.
Meine Mutter spricht als grande dame des Rhematismus sowieso nur in Rätseln. Drei Sätze lang versucht man verzweifelt zu erraten, worum es gehen könnte, aber bei einer solchen Großmeisterin hat man sowieso keine Chance. Da hilft eben wirklich nur ein "Entschuldigung, aber wovon sprichst du überhaupt?". Manchmal lässt sie sich aber auch davon nicht irritieren und redet munter weiter: "Und dann mussten sie doch noch ins Krankenhaus. Du weißt ja, wie das ist. Stundenlang in der Aufnahme warten und das nur wegen dem gequetschten Daumen. Aber andererseits will man ja auf Nummer sicher gehen. Dann fängt das Ding drei Tage später zum Eitern an und dann hat man den Salat. Wenigstens waren die Kinder gerade bei der Tante. Du weißt ja, wie die Kleinen sind."
Meine Chefin ist ein ähnlich hartnäckiger Fall:
"Passau ist da."
"Jetzt haben sie doch noch den Antrag abgewiesen."
"Wahrscheinlich kommt er erst nächste Woche, aber trotzdem müssen wir uns um das Hotel kümmern."
"Das ist eine ganz eine nette. Die sollten wir auf jeden Fall dabei haben."

Es ist ja so schon schlimm genug, bei den wichtigen Dingen im Leben erraten zu müssen, was Frauen denken, aber wenn das zur täglichen Praxis wird, nimmt das Leiden kein Ende mehr.

Wer sich grammatikalisch noch vertiefen möchte:

http://de.wikipedia.org/wiki/Thema-Rhema-Gliederung
http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/lexikon%20der%20linguistik/t/THEMA%20vs%20RHEMA.htm

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Dienstag, 16. Jänner 2007

Regalos

Liebe Beschenkte!

Mit "regalos" ist nicht die Inneneinrichtung einer MacDonald's Filiale während der LOS WOCHOS gemeint, sondern nur das spanische Wort für Geschenke. Im letzten Teil meiner Weihnachtstraditionentrilogie möchte ich nämlich auf den unsinnigen, um nicht zu sagen unseligen Brauch mancher Mitmenschen eingehen, sich gar nichts mehr zu schenken.
Unsere Gesellschaft leidet unter der immer größer werdenden Diskrepanz, dass einerseits die Zahl der Fest-, Feier- und Gedenktage stetig zunimmt, andererseits aber der persönliche Bezug zu diesen sozialen Aktivitäten radikal abnimmt. Jeder versucht den Feiermarathon, der sich mittlerweile über das ganze Jahr hinzieht, möglichst unbeschadet zu überstehen. Da verstehe ich natürlich, dass man die Nase voll hat und nicht mehr will. Aber gerade bei Familienfeiern sollte man, meiner Meinung nach, nicht mit Zeitsparmaßnahmen beginnen.
Das Hauptargument gegen das Schenken ist ja nicht eine Protesthaltung gegen die totale Kommerzialisierung eines eigentlich religiösen Festes, sondern ein Mangel an Ideen, was man seinen engsten Freunden und Familienmitgliedern überhaupt schenken soll. Dies hätte ein stundenlanges und quälendes Suchen zur Folge, mit dem man sich nur die Samstage vor Weihnachten verscheißt. Deshalb verzichtet man lieber ganz darauf. Abgesehen davon, dass wir alle so aneinander vorbeileben, dass wir nicht einmal mehr mitbekommen, worüber sich die engsten Vertrauten freuen, kann man da ganz leicht Abhilfe schaffen. Jeder gibt eine Liste bekannt und keiner schenkt dem anderen etwas, das teurer als 20 EURO ist. Im Endeffekt freut sich dann doch jeder, wenn er etwas zu Weinachten bekommt.
Diese schrittweise Demontage des Weihnachtsfests hört ja nicht bei den Geschenken auf. Viele haben auch schon auf den Adventskranz, die Krippe und den Baum verzichtet. Der nächste logische Schritt ist dann natürlich ganz darauf zu verzichten. Am 24. geht man lieber abends fort oder man leistet sich gleich Weihnachten in der Karibik, wo es wenigstens schön warm ist. Vielleicht bin ich zu superkonservativ, um diese Haltung zu verstehen, aber wenn ich die paar Tage im Jahr, an denen ich ein bisschen mehr Zeit für Familie und Freunde hätte, auch noch weg bin, dann darf sich aber keiner mehr wundern, dass die sozialen Kontakte generell abreißen.
Ich will hier keine Rückkehr zum traditionellen Weihnachtsfest herbeischreiben, an dem die Tochter des Hauses die gesangesfreudige Familie am Klavier begleitet, aber jeder hat die Chance, sich sein Weihnachten selbst zu basteln. Nur weil alte Traditionen nicht mehr funktionieren, muss ich ja nicht gleich ganz darauf verzichten.

Freitag, 12. Jänner 2007

Weihnachtsindianer

Liebe Freunde der Panflöte!

Im Zuge meiner psychotherapeutischen Aufarbeitung der Weihnachtsfeiertage wende ich mich einer weiteren Tradition zu, ohne die die Adventszeit nicht mehr denkbar wäre. Geht man am letzten Einkaufssamstag sinnend durch die Gassen, tönt es laut von fern und nah: "Quetzalcoatl ist da, Quetzalcoatl ist da." An jeder Straßenecke steht Häuptling Klein Adlerauge mit seiner Combo und nimmt die verzauberten Weihnachtsshopper auf einen Rundflug über die Anden mit. Diese Latino Sternsinger sind längst schon in die Profiliga der Weihnachtsunterhaltung aufgestiegen: Der dezente Poncho wurde wohlweislich im Kleiderkasten hängen gelassen und stattdessen trägt der moderne Stadtindianer enge Lederfummel, Tierfelle, rote Kriegsbemalung und Federschmuck. Während bei den anderen Passanten endlich Weihnachtsstimmung aufkommt, plagt sich unsereiner mit der geografischen Zuordnung ab: Sind das jetzt Süd-, Mittel- oder Nordamerikaner? Während Panflöte und Muschelrassel eher Andenbewohner vermuten lassen, ist die Federhaube ein deutliches Signal für Häuptling Sitting Down, den großen Anführer der Hatschipratschis, die auf ihren gefürchteten Kriegsponys verängstigte weiße Siedler in der Prärie überfielen. Auch egal. Während also EL CONDOR PASA aus den Lautsprecherboxen dröhnt und ein paar begeisterte Zuhörer zu den semiprofessionellen CDs greifen, weil sie für die Tante Traudl noch immer kein Geschenk haben, fällt plötzlich der ganze kritische Zynismus von einem ab. Man schließt die Augen und entschwebt in höhere Sphären. Endlich ist man bei Weihnachten angekommen.

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Donnerstag, 11. Jänner 2007

Die Heiligen Drei B

Liebe Traditionalisten!

Im Gegensatz zu manch anderen Familien haben meine Leute keine besonderen Weihnachtstraditionen entwickelt: also keine Krippenspiele, keinen Wet T-Shirt Wettbewerb der Schwestern und Cousinen mit dem bereitgestellten Löschkübel, kein Wer-stemmt-die-Oma-bis-zur-Zimmerdecke-hoch?, und auch keine Fish & Chips. Natürlich gibt es Kekse, Weihnachtslieder, einen Baum samt Kerzen und Kugeln, Geschenke und viel entspanntes Herumhängen.
In den letzten Jahren - um nicht zu sagen Jahrzehnten - hat sich jedoch eine neue Tradition etabliert, die wir die "Heiligen Drei B" nennen: Bier, Baum und Boney M. Als mein Bruder und ich alt genug waren, um nicht mehr an die Heilige Hollywoodschaukel zu glauben, durften wir alsdann mit dem dienstältesten Oompa Loompa den Christputz aufbäumen. Dies findet immer am Vormittag des 24. statt. Zur musikalischen Untermalung dieses ehrwürdigen Rituals griff der Altvordere schon früher zur Boney M. Weihnachtsplatte, als die Segnungen der digitalen Technik noch nicht über uns gekommen waren. Somit waren Baum und Boney M. schon immer fixer Bestandteil des Weihnachtsfestes. Es schmerzt mich zutiefst, wenn andere Familien die Geburt unseres Herrn mit WHAM'S LAST CHRISTMAS entweihen, wenn sich Meisterwerke sakraler Kompositionskunst als Alternative anböten, wie zum Beispiel LITTLE DRUMMER BOY in der Bearbeitung von Frank Farian.
Doch erst das dritte B - der Weihnachtsbock - komplettierte als ritueller Spätzugang das Bier-um-Vier-at: drei Männer, drei Biere, drei B. Ohne Bier waren unsere Bemühungen nur banaler Blödsinn, aber plötzlich blühte das Behängen des Baumes zu einer beispielgebenden Beibehaltung alten Brauchtums auf. Auf halbnüchternem Magen setzt man mit einer hochprozentigen Halben schon morgens zum Höhenflug an, besonders wenn zwischendurch der CASALI Weihnachtsbaumbehang für feste Nahrung sorgt.
Somit freue ich mich schon auf den 24. Dezember 2007, wenn es um 10 Uhr morgens wieder aus den Boxen tönt: "Come they told me, pa rum pum pum pum". Zisch!