Freitag, 30. Juni 2006

Interface

Liebe Schnittstellen!

Die Frage WER BIN ICH? bzw. WO LÄSST SICH MEIN SELBST LOKALISIEREN? hat die Menschheit seit jeher beschäftigt. Individualität und Selbstbestimmung treten ja erst dann als Konzepte auf, wenn ich mich als fundamental anders als meine Umgebung empfinde. Die Grundvoraussetzung für das Selbst(wert)gefühl ist somit die Grenze bzw. die Selbstbegrenzung.

Die allererste Zelle trat erst dann als individuelles Lebewesen auf den Plan, als sie es schaffte, eine Membran um ihre Organellen zu bilden, die diese vom Ozean trennte. Diese Membran ist zwar durchlässig nach beiden Richtungen, aber die Idee eines Austausches (zwischen innen und außen) ist erst dann möglich, wenn die Zelle als vom Ozean zu unterscheidendes Phänomen auftritt. Diese Loslösung von der Umwelt wurde noch viel radikaler, als die ersten Lebewesen das Wasser verließen. Die Membran wurde zur Haut innerhalb derer der Ozean in Form der interzellulären Flüssigkeit mitgenommen wurde.

Es liegt also nahe den Menschen als biologisches Wesen zu definieren, dessen Haut das Selbst von der Umgebung trennt. Schneidet man ihn auf, fließt das Selbst - der Lebenssaft - heraus. Lange Zeit wurde Blut mit Selbst identifiziert und die Zeugen Jehovas glauben noch immer daran, dass eine Bluttransfusion zu einer Persönlichkeitsveränderung führt. Erst später kam man dazu das Selbst mit dem Gehirn in Verbindung zu bringen. Die grauen Zellen wurden zum Sitz der Identität und der Gehirntod zu deren Ende.

In neueren Theorien des Selbst geht man von der Lokalisierbarkeit des Selbst bzw. des Ichs völlig weg. In CONSCIOUSNESS EXPLAINED (1991) entwirft Daniel C. Dennett das Selbst als narratives Gravitationszentrum, um das Bilder, Geschichten und Ideen kreisen, das aber selbst keine Existenz hat. In "Emergent Self" (1996) argumentiert Francisco Varela in Anlehung an Dennett:
"Mein Selbstgefühl existiert, weil es mir eine Schnittstelle zur Welt verschafft. Ich bin 'ich' für Interaktionen, aber substantiell, in dem Sinn, daß es sich irgendwo lokalisieren läßt, existiert mein 'Ich' nicht."

Slavoj Zizek drückt dies so aus:
"Auf der Ebene der materiellen Realität (einschließlich der psychologischen Realität der "inneren Erfahrungen") gibt es definitiv kein Selbst. Das Selbst ist nicht der "innere Kern" eines Organismus, sondern ein Oberflächen-Effekt, d.h. ein "echtes" menschliches Selbst funktioniert gewissermaßen wie ein Computerbildschirm. "Dahinter" befindet sich nichts als das Netzwerk einer "selbst-losen" neuronalen Maschinerie." Das Gesicht ist wie ein Interface-Screen, mit dem man interagieren kann, aber dahinter existiert kein materielles Selbst. "Das "Subjekt" taucht dann auf, wen die "Membran", die Oberfläche, die die Innenseite von der Außenseite trennt, als ihr aktiver Vermittler zu fungieren beginnt, statt einfach nur das passive Medium ihrer Interaktion zu sein."

Einfacher gesagt: Das Selbst ist nicht einfach so da, sondern muss - wie ein Theaterstück - ständig zur Aufführung gebracht werden, um existieren zu können. Das Selbst ist performativ, also von der täglichen Performance abhängig. Da man aber für jeweils ein anderes Publikum spielt, ist auch das Stück immer etwas anders. Selbst bei einer Vorführung für den Eigenbedarf, bei der nur das ICH im Publikum sitzt, werden Inhalte auf eine innere Leinwand projiziert. Man ist nicht einfach nur da, sondern führt sich selbst Inhalte vor Augen, mit denen man sich intensiv auseinandersetzt.

Was das Ich / Selbst am meisten beschäftigt sind interessanterweise Oberflächenerfahrungen, also Interaktionen mit der Umwelt und insbesondere anderen Lebewesen. Dennett schreibt: "... all sensual pleasure consists in playing around with one's own boundary, or someone else's". Der Entzug dieser Erfahrungen spielt eine ebenso bedeutende Rolle.

Dies ist natürlich die genaue Umkehrung des buddhistischen oder christlichen Weltbildes. Dort wird man nämlich erst dann so richtig zu einer eigenen Persönlichkeit, wenn man sich der Verstrickung mit der Welt und der permanenten Interaktion entzieht. Religion ist immer essentialistisch und geht von einem Selbst aus, das sozusagen angelegt ist und unabhängig von der Welt existiert. Das wahre Selbst entsteht nicht erst in Interaktion mit der Umwelt, sondern muss in sich selbst als Reaktion auf die Welt entdeckt werden. Der Missionar drückt den Engeborenen also nicht eine christliche Identität aufs Auge, sondern hilft ihnen das christliche Selbst in sich zu entdecken. Im christlich-missionarischen Sinn sind wir einander Geburtshelfer, was das wahre Selbst anbelangt.

Ich kann jetzt auch keine Lösung anbieten, was die Entwicklung des Selbst anbelangt, aber vielleicht ist es ja interessant darüber nachzudenken.

Freitag, 23. Juni 2006

Guess Who's Back

Liebe Inspirierte!

Heute hatte ich ein so ungewöhnliches Erlebnis, dass ich unbedingt darüber schreiben muss. Nichtsahnend saß ich am Vormittag bei der J.M. Coetzee Tagung unseres Fachbereichs im Publikum und lauschte den Vorträgen und Diskussionen. Plötzlich fiel mir mein Onkel ein, der mir, meiner Mutter zur Folge, sehr ähnelte, als er noch am Leben war. Ich hatte trotzdem nie das Bedürfnis ihn näher kennenzulernen. Er war Pfarrer von Beruf und lebte weit genug weg, um nicht leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar zu sein. Und, wie gesagt, ich wollte auch gar nicht. Heute Vormittag hatte ich aber nicht nur die Idee, sondern auch den Wunsch, ihn direkt anzusprechen. Ich holte also meinen Block heraus und fing an zu schreiben. Im Hintergrund liefen die Vorträge und die Diskussion weiter und irgendwie strömten mir ständig Ideen, Stichworte und Konzepte zu, die ich unmittelbar brauchen konnte. Was mit ein paar Sätzen anfing, verwandelte sich plötzlich in ein obsessives Schreiben. Während ich früher oft Stunden brauchte, um ein paar Zeilen eines Gedichts hinzubekommen, kam ich heute fast nicht mehr mit dem Schreiben nach. Ich war hellwach und geistig präsent, wie schon lange nicht mehr. Nachdem mich meine Inspiration monatelang verlassen hatte, kam sie heute mit einer Wucht zurück, die mich völlig überwältigte. Die anderen sahen mich ziemlich erstaunt von der Seite her an, wie ich da manisch vor mich hinkritzelte. Nach zwei Stunden mussten wir zu einem anderen Vortrag. Ich musste mich regelrecht losreißen. Drüben angekommen hatte ich kurz darauf schon wieder den Block in der Hand und schrieb weiter - insgesamt 10 Seiten. Ich hatte früher auch schon so Phasen, aber das ist schon eine Ewigkeit her. Auf der Busfahrt von Cambridge nach London hatte ich letztes Jahr kurz so ein ähnliches Erlebnis. Ohne Papier musste ich auf meinem Lesezeichen in kleinster Schrift alles festhalten, was mir so in den Sinn kam. Es ist dabei völlig egal, ob man das Aufgeschriebene später brauchen kann. Viel wichtiger ist es, diese Momente momentaner Klarheit und Einsicht, also Klarsicht, überhaupt zu haben. Ich bin jetzt, Stunden danach, noch immer so gut aufgelegt, dass ich still vor mich hinstrahle. Wenn man eine Erleuchtung hat, leuchtet man wahrscheinlich noch eine Zeit lang weiter.

Donnerstag, 22. Juni 2006

PULP FICTION

Liebe Leser!

Es überrascht ja kaum noch, dass in der heutigen Zeit jeder halbgebildete Sprachvergewaltiger einen Verlag findet, der das hilflose Gestammel eines an den Massenmedien zu Grunde gegangen Geistes zu publizieren bereit ist. Das Erschütternde ist nur, dass Dan Brown mit SAKRILEG (THE DA VINCI CODE) Millionen von Lesern anspricht, die diesen billigen Banalitätenzirkus für einen hervorragenden Thriller halten. Dieser Fehleinschätzung erliegt man aber nur, wenn man auf Barbara Karlich, Vera Russwurm und Bügelfernsehen im Allgemeinen abfährt und THE DA VINCI CODE das erste Buch seit Zusendung des letzten Quellekatalogs ist.
Eigentlich bin ich ja ganz froh, dass es den guten Dan gibt. Als Literaturwissenschaftler kommt man ja manchmal in die Verlegenheit für Bekannte in drei Sätzen erklären zu müssen, worin der Unterschied zwischen Schundliteratur (pulp fiction) und Literatur im engeren Sinn besteht. Nun, am Beispiel von Dan Brown als Inbegriff des modernen Analphabetismus lässt sich wunderbar zeigen, wie ein Fäkalienalchemist zuerst Scheiße in Worte und dann Worte in Gold verwandeln kann. Ich möchte aber die Argumente nicht schuldig bleiben und präsentiere nun die Ergebnisse meiner qualvollen Leseerfahrung. Immerhin musste ich 600 Seiten Sprachverrohung bewältigen. Womit wir auch schon beim ersten Thema wären:

1) Sprache
Während sich der Ausdruck "pulp" in "pulp fiction" auf die Qualität des Papiers bezieht, ist er bestens als Beschreibung für Dan Browns Prosa geeignet: ein form- und farbloser Brei von Platitüden und Verbaldiarrhöe - halbverdautes und sofort wieder ausgekotztes Sprachfastfood aus Film und Fernsehen. Diese verbale Inkontinenz hat auch zur Folge, dass die äußerst dünne Geschichte über 600 Seiten zähflüssig dahinläuft. Alles wird dreimal wiederholt, damit auch der letzte Hugo noch kapiert, was gerade los ist.
"The fond memory caused Sophie a pang of sadness as the harsh reality of the murder gripped her again." Diese Trivialkollokationen überziehen den ganzen Roman wie eine Pilzerkrankung: fond memory, horrible death, deadly enemy, ancient secret, secret message, wide shoulders, broad chin, loyal servant, orgiastic rituals, a deep sense of loss, a roaring gunshot, a narrow crawl space, the nighttime breeze, the very foundation of, etc.

2) Superlative
In der Welt des THE DA VINCI CODE gibt es nur Superlative. Wie in Superheldencomics hat jede(r) genau eine Eigenschaft, in der er / sie am besten ist. Diese fast übermenschlichen Fähigkeiten braucht man auch, wenn man es mit den größten Verschwörungen, ältesten Geheimnissen und schwierigsten Rätseln der Welt zu tun hat: "Jacques Saunière was the only remaining link, the sole guardian of one of the most powerful secrets ever kept." Natürlich gibt es genau eine Person (his only chance, wie Jack Bauer sagen würde), die seine Lebensaufgabe fortführen kann: "..., and there existed only one person on earth to whom he could pass the torch."

3) Charakterisierung
Die meisten Seifenopern und Trickfilme haben komplexere Charaktere als THE DA VINCI CODE. Robert Langdon und die anderen Pappkameraden sind so seicht, dass im direkten Vergleich sogar Obelix, Homer Simpson und Al Bundy als vielschichtige Persönlichkeiten erscheinen. Über Bezu Fache, den ewig grantigen und hartnäckigen Bullen, erfahren wir: "His tone was fitting - a guttural rumble ... like a gathering storm. [...] Fache's enormous palm wrapped around Langdon's with crushing force. [...] Captain Bezu Fache carried himself like an angry ox, with his wide shoulders thrown back and his chin tucked hard into his chest. His dark hair was slicked back with oil, accentuating an arrow-like widow's peak that divided his jutting brow and preceded him like the prow of a battleship. As he advanced, his dark eyes seemed to scorch the earth before him, radiating a fiery clarity that forecast his reputation for unblinking severity in all matters." Manchmal weiß man einfach nicht mehr, ob Dan Brown es ernst meint oder bereits das Genre persifliert.

4) Lächerlichkeiten
THE DA VINCI CODE enthält so viele Blödsinnigkeiten, dass man selbst als halbgebildeter Leser ständig aus der Illusion gerissen wird. Die folgenden Beispiele sind nicht frei erfunden, sondern werden sogar als Schlüsselelemente oder Beweise für die Wahrheit der Geschichte angeführt:
a) Maria Magdalena war Jesus Christus' Frau und ist als Schwangere nach dessen Tod am Kreuz von Israel nach Frankreich geflüchtet, wo sie ihre Tochter Sarah zur Welt brachte - eine völlig verständliche Reaktion, so wie auch heute noch viele schwangere Vorderasiatinnen, deren Männer ans Kreuz genagelt werden, nach Frankreich auswandern.
b) ARIEL, die kleine Meerjungfrau, hat deshalb rote Haare, weil "throughout his entire life, Disney had been hailed as 'the Modern-Day Leonardo da Vinci'. Both men were generations ahead of their times, uniquely gifted artists, members of secret societies, [...] Like Leonardo, Walt Disney loved implanting hidden messages and symbolism in his art" und Ariel steht somit für Maria Magdalena, die ja bekanntlich auch rote Haare hatte, wie bereits Leonardo da Vinci in seinem Gemälde DAS LETZTE ABENDMAHL festhielt.
c) Englisch ist eine "lingua pura", denn "unlike French, Spanish, and Italian, which were rooted in Latin - the tongue of the Vatican - English was linguistically removed from Rome's propaganda machine, and therefore became a sacred, secret tongue for those brotherhoods educated enough to learn it." Da war ich natürlich ganz erstaunt, denn gerade beim Spanischlernen hat mir Englisch mit dem größten versteckten lateinischen Wortschatz aller Sprachen sehr geholfen. Selbst die einfachsten Körperteile haben im Englischen lateinische Namen: Mundhöhle - oral cavity, Rachen - pharynx, Kehlkopf - larynx, Zeigefinger - index finger, Großhirn - cerebrum, Wirbelsäule - spinal column, Bauchspeicheldrüse - pancreas, Blinddarm - caecum, etc.

5) Pseudointellektualität
So wie Banker und Anwälte glauben, daß Anzug, Krawatte, Rotwein, Zigarre und schweres Auto Lebensstil signalisieren (und über die Banalität der eigenen Existenz hinwegtäuschen), so meint auch Dan Brown, dass sein pseudointellektuelles Dahergeschwafle seine Leser beeindruckt. Der Veteran aus dem Algerienkrieg ist bei ihm "a veteran of la Guerre d' Algérie" oder der Polizeikommisar wird mit "my capitaine" angesprochen. Brown hat nämlich nicht nur die Sprache, sondern auch die ganze Lebensart der Europäer voll internalisiert, so wie die meisten Amerikaner eben. Ständig wohnt man, wie die klassisch doofe weibliche Hauptfigur, irgendwelchen Unterrichtsstunden bei, in denen die beiden "Wissenschaftler" in Stellvertretung des allwissenenden Autors dem schwer beeindruckten Leser ihr unendliches Wissen preisgeben. Die ganze aufgeblasene high tech Superverschwörung stellt sich im Endeffekt als banales Dreigroschenromanmuster heraus, in dem es wieder einmal um tragische Familienschicksale sowie Blut und Boden geht.

6) Cliffhanger
Fast allen einhundertundfünf Kapiteln geht ein Cliffhanger voraus. Es wirkt nämlich überhaupt nicht gezwungen, wenn im Minutentakt total aufregende Dinge passieren. Einzig die Werbung fehlt noch, die man sich vor lauter Aufregung wohl verdient hätte, um vom emotional high wieder runterzukommen. Aber Dan Brown ist gnadenlos und jagt den armen Leser 105 Mal über die Hochschaubahn. Da ist natürlich für Feinheiten und Details keine Zeit. In einer Hand das Buch, in der anderen der Kotzbeutel. Man weiß ja nie, ob es nicht einem doch noch den Magen umdreht.

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Freitag, 16. Juni 2006

Der Herausforderer

Liebe Unzufriedene!

Neben der im letzten Eintrag zitierten ÖSTERREICH-Werbung fand ich auch noch WIR ÖSTERREICHER - DAS BÜRGERMAGAZIN im Briefkasten. Da lächelt mir gleich ein sympathischer, gut aussehender Herr vom Titelblatt entgegen und darunter steht: "HC Strache ist: DER HERAUSFORDERER". Auf der Rückseite erfährt man auch den Kontext: Im "Duell um Österreich" fordert Strache Schüssel und Gusenbauer, die "Mächtigen", heraus. Denn Strache ist nicht Teil des Establishments, sondern einer von uns, geradezu der Robin Hood Österreichs: "Er kämpft Seite an Seite mit den Österreichern gegen die Mächtigen im Land, die unsere Heimat für ihre eigenen Interessen jeden Tag aufs Neue verkaufen und verraten." Interessante Wortwahl. Da schwingt ja bereits von der "Dolchstoßlegende" bis hin zu Hitlers und Göbbels Argument gegen das großkapitalistische Judentum eine ganze Menge mit. Strache sagt auch: "Der Mensch zählt mehr als der Profit." Die Mächtigen "tun alles, um Entscheidungen gegen den Willen der Bevölkerung durchzuboxen. Nur einer leistet entschieden Widerstand: HC Strache. Und immer mehr Menschen schließen sich ihm an." Der Wille des Volkes muss über der Politik stehen, aber das passiert nur, wenn sich alle dem Führer der Widerstandsbewegung anschließen.
"Österreich zuerst" lautet das "unmissverständliche Bekenntnis des 36-jährigen Obmanns der FPÖ. Und er lässt seinen Worten Taten folgen. Zum Schutz der Heimat legt er sich nicht nur mit den Mächtigen in Österreich an, sondern steigt auch der EU ganz ordentlich auf die Füße. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Denn 260.000 Menschen haben das FPÖ-Volksbegehren für die Freiheit Österreichs und gegen den EU-Wahnsinn unterzeichnet."
In der Spalte "Meinungen" sagt "Tom G.", was wir uns wirklich alle denken: "Ich kenne niemanden, der für den EU-Beitritt war. Ein Austritt wäre gut. Die EU hört einfach nicht auf die Menschen, sondern fährt drüber." Wir wollen und brauchen mehr Volkswillen und Freiheit. Und das Volk will einfach den Islam nicht. Deshalb sagt auch freedom fighter HC Strache: "Brennpunkt Islam: FPÖ für rot-weiß-rot", denn Religionsfreiheit und Demokratie sind nun einmal nicht miteinander vereinbar. "Österreich darf sich dem Islam nicht unterordnen", denn "Moslems erweisen sich als besonders integrationsunwillig" und "kaufen nur noch in Geschäften, die in moslemischer Hand sind." Dies alles ist ein "Schlag ins Gesicht der Kultur und Tradition des Gastlandes." Dazu kommt noch, dass die "Hälfte der Asylwerber in Österreich straffällig" ist, wie die KRONENZEITUNG am 28. April 2006 berichtete. Der gesunde Volkskörper Österreichs wird also nicht nur vom Krebsgeschwür des Islams aufgefressen, sondern auch noch von Schwarzafrikanern mit Drogen und Prostitution bedroht.
Deshalb ist es unsere vaterländische Pflicht, dass wir bei der nächsten Nationalratswahl für Österreich die richtige Entscheidung treffen und dem Wahnsinn ein Ende bereiten. Denn "SIE haben die WAHL", wie Strache richtigerweise sagt.

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Mittwoch, 14. Juni 2006

Österreich

Liebe Patrioten!

Vor einiger Zeit bedauerte ich den mangelnden Patriotismus der Österreicher und plädierte für einen österreichischen PATRIOT PARK. Als ich schon kurz davor war die wunderbare Idee einer österreichischen Leitkultur (AUSTRIA FIRST) zu Grabe zu tragen, wurde ich von zwei Postwurfsendungen eines Besseren belehrt. Zwei Mitstreiter erhoben ihre medialen Stimmen, um der Europäisierung und Globalisierung Österreichs kämpferisch entgegenzutreten. Bei diesen Lichtgestalten unter den heimischen Vordenkern handelt es sich um Wolfgang Fellner und HC Strache.

Wolfgang Fellner ist eine Schlüsselfigur bei Mediaprint, einem kleinen österreichischen Verlag, der mit journalistischen Mitteln aufklärerische Pionierarbeit leistet. In seinem auflagenschwachen Printmedium NEWS (von seinen Feinden abschätzig DIE GANZE WOCHE für Maturanten genannt), kämpft er unermüdlich für die Rückbesinnung des Österreichers auf sein Land und seine Leute. Jede Woche beweist er eindrucksvoll, dass Österreich so viele Themen zu bieten hat, dass sich der Blick über die Landesgrenze erübrigt. Wie jede große Nation interessiert uns nur das wirklich, was diesseits des Gartenzauns passiert. US-amerikanische Außenpolitik geht uns - berechtigterweise - vierspurig am A**** vorbei, aber die Sicherheitsmaßnahmen für den Besuch von George "Double Trouble" Bush in Wien sind definitiv ein Thema. Im aktuellen NEWS 24/06 erfahre ich auch, was ich von der ganzen Sache halten soll:

"So denken die Österreicher über Bush. Überhaupt haben die Österreicher ein ziemlich düsteres Bild von US-Präsident George W. Bush: Sie finden ihn laut jüngster NEWS-Gallup-Umfrage in hohem Maß unsympathisch, bezeichnen ihn als Gefahr für den Weltfrieden und würden, könnten sie’s entscheiden, lieber Hillary Clinton, die Gattin von Expräsident Bill Clinton, im Weißen Haus sehen."

Wir mögen den "Cowboy im weißen Haus" einfach nicht und wenn er zu uns auf Besuch kommt, dann werden wir ihm schon zeigen, wo der Bartl den Most holt. Aber nun zurück zum eigentlichen Thema:

Trotz seiner fortwährenden Selbstaufopferung musste Wolfgang Fellner einsehen, dass er mit einem Wochenmagazin nur ganz wenige Österreicher ereichen konnte. Deshalb hat er sich zu einem triumphalen nächsten Schritt entschlossen: ab 18. September gibt es NEWS auch als Tageszeitung!! Ich musste vor Rührung heulen, als ich den Titel dieses richtungsweisenden Blattes erfuhr: ÖSTERREICH!!

Vor kurzem flatterte eine erste Werbeschrift in meinen Briefkasten, die mich schlichtweg begeisterte. Auf der Titelseite steht in großen Lettern: "Österreich wird neu - Hans Krankl zeigt die neue Tageszeitung mit dem besten Sport". Auf der ersten Doppelseite wird diese erfreuliche Botschaft (Evangelium auf Griechisch) nochmals wiederholt und näher ausgeführt: "Krankl bis Polster: Die Sport-Profis schreiben im neuen Österreich. [...] Hans Krankl und Toni Polster führen ein Team von 20 Sport-Profis an: Die Besten der Besten analysieren für Sie die großen Sport-Events. Das bietet das neue Österreich." Endlich hat sich ein Printmedium dazu durchgerungen auf inkompetente Sportjournalisten zu verzichten. Denn wer könnte mit größerer Kompetenz über Fussball berichten als die wo selbst schon als kleiner Bub dem Ball haben nachlaufen tun.

Einmalig ist natürlich auch, dass das neue Österreich gleich drei Zeitungen zum Preis von einer bringt. Also:

"Zeitung 1: Die Österreich-Zeitung
Die 1. Zeitung ist Österreichs neues Qualitätsmedium. Die aktuellen Tagesthemen in großer Optik. Spannend. Politik und Weltgeschehen. Alles über Österreich. Viel Wirtschaft. Und den besten Sport - mit Hans Krankl und Toni Polster."

Als ob die "Tagesthemen in großer Optik" und "spannend" nicht genug wären, steckt da noch viel mehr drinnnen:

"Zeitung 2: Ihre Regional-Zeitung
Die 2. Zeitung bietet täglich (!) eine eigene Voll-Zeitung mit allen regionalen News. Mit Kultur, Events, Lokalsport. Worüber man in Ihrem Bundesland spricht, lesen Sie im neuen Österreich."

Nachdem ich schon in der Österreich-Zeitung "Alles über Österreich" gelesen habe, kann ich mich hier noch informieren, was in meiner geliebten Heimat Salzburg die Tagesthemen sind. Das beste aber kommt noch! Weil sich Frauen beim Lesen oft sehr schwer tun und nicht, wie wir Männer, komplexe Zusammenhänge begreifen können, gibt es für sie einen Extra-Teil:

"Zeitung 3: Hochglanz-Zeitung
Die 3. Zeitung ist die Sensation: Die erste Tageszeitung mit Hochglanz-Magazin-Qualität. Speziell für Frauen und junge Leser. Die großen Frauen-Themen jedes Tages. Lifestyle. Mode. Medien. Kino."

Um EUR 9,90,- kann man Österreich einen Monat lang praktisch gratis testen und man bekommt noch einen Flat-TV um EUR 299,- dazugeschenkt. Also ich werde sofort abonnieren.

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Donnerstag, 1. Juni 2006

Save Our Souls

Liebe Kapitalisten!

In der englischen Sprache tritt das seltsame Phänomen auf, dass "to save" sowohl "sparen" als auch "erretten" bedeutet. Das kommt daher, dass das Lateinische "salvare" "aufbewahren, sichern, (be)schützen" bedeutete. Der Safe ist also jener Ort, an dem man seine Wertgegenstände vor dem Zugriff durch Bösewichte und Unbefugte schützt. Gleichsam bringt Gott seine Schäfchen ins Trockene, indem er sie in den Himmel holt, einen sicheren Ort, den man sich als Tresor der Seelen vorstellen kann, wo diese vor dem Zugriff durch den Teufel sicher sind.

Diese Wortspielerei ist nicht reiner Selbstzweck, sondern verknüpft über das englische Zeitwort "to save" zwei Bereiche, den Kapitalismus und die christliche Heilsvorstellung bzw. Moral, die aus naheliegenden Gründen als ideologisch konträr gedacht werden.
Dabei gehen gerade in unserer westlichen kapitalistischen Gesellschaft christlich-puritanische Vorstellungen und die Ideologie des freien Marktes, also des ungezügelten Waren-, Geld-, Dienstleistungs- und Personenverkehrs, eine perverse Allianz ein. Es wird eben nicht, wie in den Vereinigten Staaten, jener Menschentypus idealisiert, der sein Geld unmittelbar in materielle Güter umsetzt, an denen er sich erfreuen kann, sondern jener, der seinem Reichtum einen moralischen Überbau verpasst. Das Leben wird nicht einfach in Saus und Braus gelebt, sondern als kostbarstes Gut in den Tresor gesperrt und mehrfach versichert. Die Selbstkasteiung, also der freiwillige Verzicht auf Genuss und unmittelbares Erleben, gilt als moralisch überlegen. Deshalb sind die Krankheitsbilder in unserer Gesellschaft auch so stark polarisiert: die einen konsumieren zu viel (Fettleibigkeit, Bulimie, Drogen, materielle Güter etc.) und die anderen zu wenig (Magersucht, krankhafter Geiz, Moralapostel etc.). Während sich die erste Gruppe heimlich nach der Askese sehnt (Wie gerne würde ich es schaffen nichts mehr zu rauchen, keine Süssigkeiten zu essen etc.), sehnt sich die zweite nach dem Exzess, nach der Orgie.
Unser Konsumverhalten ist ja eigentlich ziemlich krank. Es wird ja kaum gekauft, was man braucht und will, sondern was gerade im Angebot ist. In Die gnadenlose Liebe (Suhrkamp, 2001) schreibt Slavoy Zizek: "Der Kapitalismus wurzelt in der Sünde des Geizes, dem Hang zu übermäßiger Sparsamkeit." (S. 15) Der Spargedanke (Geiz ist geil!) ist so allgegenwärtig, dass wir ihn gar nicht mehr hinterfragen. "... Konsum ist nur insoweit gestattet, als er wie die Erscheinungsform seines Gegenteils [der Sparsamkeit] funktioniert." (S. 20)
Wenn wir durch unsere gezielten Einkäufe so viel Geld, und mit jeder technischen Neuerung so viel Zeit sparen, wo kommt dann die ganze Zeit und das viele Geld hin? Sparen wir uns nicht in einen immer größer werdenen Mangel an Zeit und Geld hinein? Michael Ende hat mit Momo eine wunderbare Parabel über den Wahn geschrieben, ständig Zeit sparen zu wollen. Man muss härter und effizienter arbeiten, um später genießen zu können. Nur leider hat die Sache, selbst wenn sie funktionieren sollte, einen gewaltigen Haken. Durch die ständige Entsagung muss die Belohnung umso größer und genialer ausfallen. Wir wollen doch keine normale Frau (bzw. keinen normalen Mann) oder einen durchschnittlichen Urlaub. Wir sehnen uns nach der Traumfrau und dem Traumurlaub. Nach 5 Tagen Arbeit muss die Party am Wochenende der große Bringer sein, weil sonst das Leben überhaupt keinen Sinn mehr hat. Durch dieses Denken wird alles zum Fetisch erhoben. Meine Klage über die Banalität des Daseins passt hier sehr gut rein. Nur die ultimativen (endgültigen) Dinge zählen noch. Das Normale hat ausgedient.
Ich plädiere hier keineswegs für den Exzess. Ich schlage aber schon vor, dass man nicht nur jeden Tag etwas Verrücktes machen sollte (wie eine gute Freundin immer betonte), sondern sich auch jeden Tag etwas gönnen sollte (und wenn es nur eine Kleinigkeit ist). Es zahlt sich wirklich aus darüber nachzudenken, welche Kleinigkeiten das eigene Leben lebenswert machen. Sonst warten wir alle noch auf die große wundersame Erlösung von außen, die niemals kommen wird.

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