Mittwoch, 29. November 2006

Der Fluch der Unterbrechung

Liebe Bürohengste!

Treffen sich zwei Beamte am Gang vor ihren Büros. Sagt der eine: "Kannst du auch nicht schlafen?"
Das waren eben noch die guten alten Zeiten des sozialistischen Büroalltags in den Beamtenburgen diverser Staatsbetriebe. Da ging man nicht zur Arbeit, um Leistung zu bringen, sondern um soziale Kontakte zu pflegen. Den Vormittag brachte man mit ein wenig Bürokratie und viel Kaffee rum, um nach einer ausgedehnten und wohlverdienten Mittagspause sich dem Kartenspielen zuzuwenden. Als technologiefreie Zone war das Büro ein Hort der Geruhsamkeit und Beschaulichkeit, eine Oase des Friedens im hektischen Arbeitsalltag der anderen. Doch die Zeiten ändern sich. In "Der Fluch der Unterbrechung" (DIE ZEIT, Nr. 46, 9. November 2006, S. 73-4) schrieb Jürgen von Rutenberg vor kurzem:

"Nie gab es so viele Unterbrechungen wie heute, eine logische Folge der Vernetzung durch Internet und Mobilfunk. Seit alle allen jederzeit etwas mitteilen können, tun sie es auch. Unterdessen verschwinden die letzten Bastionen der Unerreichbarkeit. Die Funknetze weisen immer weniger weiße Flecken auf, die ersten Fluglinien wollen den Handybetrieb demnächst auch im Himmel zulassen."

Gloria Mark von der University of California untersuchte 2004 mit ihren Studenten eine kalifornische Hi-Tech-Firma, um herauszufinden, wie lange ein Angestellter an einer Sache durchgehend arbeiten konnte:

"Elf Minuten. So lange kann sich den einschlägigen Studien zufolge der durchschnittliche Büroarbeiter mit einem Thema beschäftigen, bevor er unterbrochen wird. Elf Minuten, das mag erst mal gar nicht so dramatisch klingen. Doch je näher man hinsieht, desto verrückter erscheint unsere ganz normale Arbeitswelt.
[...]
Nach jeder Unterbrechung, so fand sie heraus, wendet sich der Büroarbeiter im Durchschnitt mindestens zwei anderen Aufgaben zu, bevor er zur ursprünglichen Tätigkeit zurückkehrt – etwa 25 Minuten später. Nach so vielen Ablenkungen dauert es natürlich, bis er sich wieder in die alte Aufgabe hineingedacht hat. Der Schreibtisch ist mittlerweile von neuen Papierschichten überlagert, die Fenster auf dem Monitor müssen neu zurechtgezogen werden. Und was war das noch mal für ein Geistesblitz vorhin, kurz bevor es an der Tür klopfte? Er ist wahrscheinlich dahin. Das so genannte Arbeitsgedächtnis des Menschen kann zwar, wie der Arbeitsspeicher eines Computers, Informationen sehr schnell prozessieren, speichert sie aber nicht dauerhaft. So kann jede Unterbrechung das kunstvoll errichtete Gedankengebäude zum Einsturz bringen.
Bis der moderne Held der Arbeit wieder die Konzentration erreicht hat, die er vor der Unterbrechung hatte, vergehen rund acht Minuten. Bleiben noch drei Minuten effektive Arbeitszeit bis zur nächsten Unterbrechung.
[...]
Innerhalb der 11-Minuten-Phasen zerstückelt sich die Aufmerksamkeit noch mal in Abschnitte von durchschnittlich drei Minuten – so oft wechselt der Held der Arbeit die Art der Tätigkeit, beispielsweise vom Lesen eines Papiers zum Verfassen einer E-Mail.
[...]
Der durchschnittliche Büroarbeiter unterbricht sich selbst genau so oft, wie er von außen unterbrochen wird.
[...]
Die Arbeit kommt ihm immer anstrengender vor, sein Einsatz immer größer, während er immer schneller auf der Stelle tritt."

Diese stete Ruhelosigkeit, gekoppelt mit dem dumpfen Gefühl, dass man trotz vollen Einsatzes eigentlich nichts weiterbringt, ist mittlerweile ein Dauerzustand. Die ständigen Unterbrechungen führen auch dazu, dass man in Zeiten der Stille diese gar nicht mehr erträgt:

"Das zersplitterte Bewusstsein der Unterbrochenen ist inzwischen die herrschende Geisteshaltung unserer Zivilisation."

Sitzt man einmal zehn Minuten entspannt im Lesesessel, muss man schon wieder aufspringen und sich künstlich ablenken. Viele amerikanische Fernsehserien, wie die SIMPSONS, laufen nur mehr 20 Minuten lang. Ich ertappe mich zunehmend dabei, dass ich bei Sendungen, die eine halbe Stunde oder mehr dauern, manchmal leicht unruhig werde: Wie lange geht denn das noch? Die härteste Probe ist aber der Umgang mit Kindern, die prinzipiell kein Zeitgefühl haben.
Als ich vor ein paar Jahren mit meiner Nichte spazieren war, blieb sie plötzlich auf einer Brücke stehen und starrte in den Bach. Nach endlosen fünf Minuten fragte ich einmal vorsichtig, ob sie nicht weitergehen wollte. "Nein. Es ist so schön hier." Also stellte ich mich neben sie und sah ebenfalls dem Dahinplätschern des Wassers zu. Jetzt wird sich jeder eine buddhistische Lehre aus diesem Erlebnis erwarten, aber die könnt ihr euch ja selbst zusammenreimen. Während ich mich sonst als sehr geduldig einschätzen würde, setzte mir diese unerträgliche Ruhe gewaltig zu. Ich bin eben auch ein Kind meiner Zeit.

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Montag, 20. November 2006

Nachspeisen

Liebe Naschkatzen!

Im Kontakt mit fremden Kulturen und unbekannten Lebensformen stößt man hin und wieder auf Verhaltensweisen, die einem höchst eigenartig erscheinen. Dies trifft vor allem auf den Umgang mit Frauen zu. Weil man als Mann ständig bemüht ist die Rechenleistung seines Gehirns niedrig zu halten um seinen jämmerlichen Arbeitsspeicher zu schonen, dringen viele Phänomene der Außenwelt gar nicht ins Bewußtsein vor. Erst in der direkten Auseinandersetzung mit bis dato unbekannten, um nicht zu sagen unheimlichen Vorgängen, wird man auf diese aufmerksam. Aus einer Fülle von denkbaren Beispielen wähle ich ein konkretes aus, anhand dessen sich, wie bei allen kulturellen Praktiken, die Eigentümlichkeiten von Denk- und Verhaltensweisen sehr schön aufzeigen lassen. Es geht, wie im Titel bereits angekündigt, um Nachspeisen.

Nähert man sich dem Phänomen der Nachspeise einmal möglichst objektiv an, stolpert man rasch über die ersten Widersprüche. Warum kommt jemand auf die wahnsinnige Idee und möchte nach der Hauptspeise, die vermutlich so genannt wird, weil man da einen Großteil seines täglichen Kalorienbedarfs abdeckt, noch etwas zu sich nehmen? Und zwar nichts Leichtbekömmliches, sondern die süßesten Leckerlis dieser Welt: Schokotorte, Topfenknödel mit Kompott, Heiße Liebe und ähnliche von hausbauenden Zahnärzten empfohlenene Kalorienkonzentrate.
Man löffelt sich also brav durch die Suppe, bestellt sich einen Teller voll von köstlichem Essen, trinkt etwas dazu und wenn man dann so richtig satt ist, kommt einem plötzlich die zündende Idee: Wenn ich schon mal hier am Tisch sitze, könnte ich ja gleich noch Eispalatschinken reinwürgen, denn bekanntlich hat der Mensch fünf Minuten nach Abschluss des Mittagessens den größten Hunger.
"Halt!" ruft da die Freundin des süßen Danachs. "Ich plane ja voraus. Beim Essen darf nämlich nichts dem Zufall überlassen werden! Zuerst suche ich auf der Karte die Nachspeise aus und entscheide dann, was vorher dazupasst."
Die Nahrungsaufnahme der Frau ist wie das Sonarsystem des Wals: beides hochintelligente Wesen, die einen Großteil ihrer Rechenkapazität für einen bestimmten Teilbereich ihres Lebens einsetzen. (Magersüchtige sind das extremste Beispiel: die essen gar nichts mehr, denken aber gleichzeitig ausschließlich an ihre Essstörung.) Männer haben in der Regel kein Problem, weil sie ganz einfach essen, wenn sie Hunger haben oder plötzlich Lust auf etwas verspüren. Das Großhirn, um etselbiges nicht zu überlasten, ist beim Nachspeisenbestellen nur für Sekundenbruchteile peripher tangiert: will Eis haben - "Ober, Bananensplit!" - mission accomplished. Frauen haben es da nicht ganz so leicht, weil ihr Essverhalten von tausend Regeln bestimmt ist, von denen ich nur die zwei einfachsten Prinzipien präsentieren möchte:

1) Ich darf nicht außerhalb der von mir fix eingeplanten Zeiten Nahrung zu mir nehmen - Hunger hin oder her.
2) Ich darf nichts spontan essen, worauf ich gerade Lust habe, weil jede Kalorie genau in meinen faschistischen Diätplan passen muss. Wenn ich da einmal über die Stränge schlage, muss ich mich nicht nur vor anderen, sondern vor allem vor mir selbst rechtfertigen und für den ganzen Tag den Speiseplan umprogrammieren, weil am Ende wieder die selbe Kalorienmenge rauskommen muss.

Wenn Frauen aber gerne süße Sachen essen, tun sich folgende Probleme auf: Regel 1 verbietet, dass man außerhalb der kulturell sanktionierten Zeiten isst. Wenn man den Tag nicht gleich beim Frühstück mit einem Stück Kuchen beginnen will (den ganzen Tag lang ein schlechtes Gewissen), bleibt eigentlich nur die Nachspeise. Regel 2 besagt, dass man das Stück Kuchen nicht zusätzlich essen darf, also muss die Hauptspeise zur Nebenspeise degradiert werden, damit das Nullsummenspiel wieder stimmt. Das hat wiederum zur Folge, dass man gewisse Sachen auf der Speisekarte gar nicht bestellen darf, weil es keine Kinderportionen gibt und man nicht das halbe Essen stehen lassen will. Deshalb sind Frauen auch begeisterte Buffetesser, weil man sich da alles selbst aussuchen darf. Es hat auch noch den zusätzlichen Vorteil von überall ein bisschen was zu bekommen.
Dieses Buffetdenken überträgt sich leider auch auf die herkömmliche Restaurantsituation, in der eigentlich jeder für sich bestellen und mit seiner eventuellen Fehlentscheidung zurechtkommen müsste. Frauen neigen hingegen dazu, die Gabel über den eigenen Tellerrand hinauswandern zu lassen, um stichprobenartig alles zu probieren, was der Tisch, an dem man gerade sitzt, hergibt: "Mmmm. Was hast du denn da bestellt? Das sieht ja ganz besonders lecker aus. Dürfte ich da mal ...? Hmmm. Jetzt musst du aber auch bei mir kosten." Während Männer das Essen zum Anlass nehmen, um über andere Dinge zu reden, wird hier schon wieder über Essen geredet und nachgedacht: "Neulich, als wir beim neuen Italiener waren, da gab's so tolle Gnocchi, da müsst ihr unbedingt einmal hin." Und die andere sagt: "Jetzt habe ich mir dieses Bollywood-Kochbuch gekauft, weil mich das immer schon so interessiert hat." Und die dritte: "Also ich finde den Jamie Oliver immer noch am sympathischsten, obwohl er so fett kocht."
Wenn sich zu diesen neurotischen Tendenzen dann noch die echte Lebenskrise dazuschlägt, wundert es mich wenig, dass gerade der Bereich krankhaft wird, zu dem man schon die ganze Zeit ein gestörtes Verhältnis hat. Warum muss ich als Frau meinen morgendlichen Kalorienspiegel so niedrig halten, dass ich schon in der Früh der Mittagszeit entgegenfiebere, um endlich was essen zu dürfen? Wahrscheinlich sind wir Männer schuld, weil wir nur schlanke Frauen akzeptieren. Jedenfalls höre ich das immer wieder von Frauen, interessanterweise aber nie von Männern. Vielleicht bin ich aber auch in den falschen Kreisen unterwegs. Meines Wissens nach sind Beziehungen noch nie an einem Stück Schokotorte gescheitert.

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Montag, 13. November 2006

The Vending Machine

Liebe Hoffnungslose!

In der fünften Staffel meiner Lieblingsserie SIX FEET UNDER dreht sich eine Folge um Nates 40. Geburtstag. Aus gegebenem Anlass denkt er natürlich über sein bisheriges Leben nach. In einer der typischen "Geistererscheinungssequenzen" sieht er seinen toten Vater, der wie immer das ausspricht, was sich Nate Junior selbst denkt:

"Let's face it, buddy boy. There's two kinds of people in the world: there's you and there's everybody else, and never the twain [the two of them] shall meet." [Für Anglisten: Um welche literarische Anspielung handelt es sich hier? Die ersten fünf Anrufer bekommen eine Familienpackung Glückskekse.]

Ein bisschen später erklärt er Maggie, der Tochter seines Stiefvaters, was wirklich los ist:

"I feel like all I get out of this birthday is that your life is really fucking lonely. I just feel like all I do all day long is managing myself. Try to fucking connect with people. But it's like no matter how much energy you pour into getting to the station on time or getting on the right train, there's still no fucking guarantee that anybody's gonna be there for you to pick you up when you get there. You know what I mean?"

Darauf antwortet Maggie, die im Leben vielleicht schon mehr durchgemacht hat als er:

"Well, I know that if you think life's a vending machine where you put in virtue and you get out happiness, then you're probably gonna be disappointed."

Nate hat natürlich Frau und Kind und jagt wie immer dem perfekten Glück hinterher. Aber trotzdem ist etwas dran an der Tatsache, dass sich Scheitern, in welchem Bereich auch immer, oft nicht logisch erklären lässt. Wenn ich nichts lerne und beim Test versage, ist mein Weltbild immer noch in Ordnung. Wenn meine Beziehung scheitert, weil ich berufsbedingt ständig fort bin, stürzt mich das vielleicht in die totale Krise. Ich kann aber trotzdem nachvollziehen, was passiert ist.
Wenn ich mich aber ein ganzes Leben lang bemühe ein guter Mensch zu sein und alles, so weit es auch nur irgendwie geht, richtig zu machen und trotzdem dafür nicht belohnt werde, kommen irgendwann einmal Zweifel auf. Um es auf den Punkt zu bringen: Wozu reiße ich mir ein Leben lang den Arsch auf, wenn mir dann doch jeder (inklusive dem Leben an sich) auf den Kopf scheißt?
Unser Gerechtigkeitssinn verleitet uns nämlich ständig zu zwei fatalen Annahmen:
1) Ich muss mir meine Belohnungen im Leben nicht erkämpfen, weil die ja eigentlich selbstverständlich wären.
2) Die kleinen Hoffnungen, Versprechungen und Zeichen, die auf eine positive Weiterentwicklung hinweisen, führen zum Happy End.

Niemand hat diesen zweiten Denkfehler sarkastischer aufgedeckt als Philip Larkin in "Next, Please". Der Sprecher des Gedichts sitzt in typisch passiver Haltung auf einer Klippe am Meer und beobachtet eine kleine Flotte von sehr reizvollen Versprechungen, die sich ihm nähern, in letzter Sekunde aber immer abdrehen. Freudige Erwartung und unbrüchliche Hoffnung werden bis zuletzt enttäuscht. Am Schluss kommt nur mehr der Tod [Die sexuellen Anspielungen lasse ich mal "außen vor", wie die nördlichen Nachbarn sagen würden.]:

Next, Please
By Philip Larkin

Always too eager for the future, we
Pick up bad habits of expectancy.
Something is always approaching; every day
Till then we say,

Watching from a bluff the tiny, clear,
Sparkling armada of promises draw near.
How slow they are! And how much time they waste,
Refusing to make haste!

Yet still they leave us holding wretched stalks
Of disappointment, for, though nothing balks
Each big approach, leaning with brasswork prinked,
Each rope distinct,

Flagged, and the figurehead with golden tits
Arching our way, it never anchors; it's
No sooner present than it turns to past.
Right to the last

We think each one will heave to and unload
All good into our lives, all we are owed
For waiting so devoutly and so long.
But we are wrong:

Only one ship is seeking us, a black-
Sailed unfamiliar, towing at her back
A huge and birdless silence. In her wake
No waters breed or break.

Was bleibt einem also übrig, wenn das Glück nicht auf Besuch kommt? Wie beim American Football zieht man jeden Tag seine Rüstung an und geht raus, um jeden Meter Boden mühsamst zu erkämpfen. Wenn man sich dann, egal wie lange es auch dauert, Stück für Stück bis zum Touchdown vorarbeiten kann, nimmt man das alles gerne in Kauf.
Wenn ich aber jeden Tag rausgehe, Prügel einstecke und nicht weiterkomme, dann gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: entweder ich mache aus reinem Selbstschutz den Panzer noch dicker und werde dadurch noch unbeweglicher, oder ich laufe gar nicht mehr raus. Dann sitze ich wieder passiv rum und leide an der Ungerechtigkeit der Welt.
Wenn jetzt jemand "Neues Spiel, neues Glück!" sagt, trete ich ihm eigenfüßig in den Arsch.

PS. Keine Sorge! Ich leide gerade nicht an der Ungerechtigkeit der Welt. Ich habe nur versucht eine schwierige Frage möglichst plastisch darzustellen.

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Montag, 6. November 2006

Verstehen SIE Spaß?

Liebe HumorIstInnen!

Wie kommt es, dass Frauen zwar Spaß verstehen, aber diesen kaum kultivieren? Warum neigen Frauen zwar zum Sudern (wie alle Menschen, wohlgemerkt), setzen ihren Frust aber nur in den seltensten Fällen satirisch um? Warum sind Frauen die viel besseren BeobachterInnen, nutzen diese Gabe aber nur, um sich vom letzten Fest mit schier unmenschlicher Präzision zu merken, was die 150 geladenen Gäste – bis zur Sockenfarbe des dritten Kindes der Großcousine hin – trugen und – bis zur letzten Erbse genau – zum Essen bestellten? Oder anders gefragt: Warum gibt es keine weibliche Spaßkultur?
Das hätte ich nicht sagen dürfen. Worte der Entrüstung schlügen mir jetzt entgegen, äußerte ich auch nur eine dieser Frechheiten im Kreise illustrer FemInIstInnen. Wenn ich aber nun schon mal dabei bin, kann ich ja auch gleich weitermachen: Wer sind die großen Altmeister des (politischen) Kabaretts, des Slapsticks und der Satire? Wer sind die großen Comedians unserer Tage? Über wen lachen wir uns am ehesten kaputt? Da fallen mir spontan folgende Namen ein:
USA: Charlie Chaplin, Buster Keaton, The Marx Brothers, The Three Stooges, Dick und Doof, Bill Cosby, Tim Allen, Chevy Chase, Bill Murray, Steve Martin, Woody Allen, Mike Myers (Austin Powers), Trey Park und Matt Stone (South Park, Basketball, Team America), Leslie Nielsen samt Zucker Brüdern und Jim Abrahams, Al Bundy, Matt Groening und Homer Simpson, Larry David (Seinfeld, Curb Your Enthusiasm), George Bush, ...
Großbritannien: Monty Python, John Cleese, Matt Lucas and David Walliams (Little Britain), Rowan Atkinson (Mr Bean, BlackAdder), Ricky Gervais (The Office), Dylan Moran (Black Books), Billy Connolly, Margaret Thatcher, ...
Deutschland: Karl Valentin, Heinz Erhardt, Loriot, Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, Bruno Jonas, Mathias Richling, Volker Pispers, Urban Priol, Günter Grünwald, Michael Mittermaier, Dieter Nuhr, Tom Gerhardt, Edmund Stoiber, ...
Österreich: Ernst Waldbrunn und Karl Farkas, Hans Peter Heinzl und Peter Orthofer, Die Hektiker, Alfred Dorfer, Josef Hader, Lukas Resetarits, Andreas Vitasek, Gunkl (Günther Paal), Roland Düringer, Josef Cap, ...
Erst in der zweiten oder dritten Reihe kommen ein paar vereinzelte Frauen vor, die oft noch im Vergleich mit abgehalfterten Komikern wie Otto Waalkes, Mike Krüger oder Rudi Carrell müde aussehen. (Und ich weiß, dass Carrell tot ist.) Anke Engelke ist die meistüberschätzte Person im deutschen Unterhaltungssektor (und das ist ganz beachtlich bei dieser schier überwältigenden Konkurrenz). Wer bleibt also? Hella von Sinnen? Corinna Stratmann? Andrea Händler? Dolores Schmidinger und Lore Krainer fallen mir schon ein, nur wissen die unter Dreißigjährigen schon gar nicht mehr, wer die sind.
Man könnte jetzt argumentieren, dass die bösen patriarchalischen Strukturen keine Komikerinnen hochkommen lassen. Das kann ich mir kaum vorstellen. Es gibt nämlich einen Riesenmarkt für Frauenkabarett auf der Bühne, im Fernsehen, oder in gedruckter Form. Meistens muss sogar irgendeine halblustige Quotenfrau in eine Runde von männlichen Comedians gesetzt werden, damit halt eine aus dem weiblichen Lager auch mit dabei ist. Gute KabarettIstInnen würden doch überall mit Handkuss genommen werden. Warum gibt es keine?
Und wenn endlich einmal eine auftritt, dann kommen genau drei Witze in endloser Variation: der nutzlose Mann (begriffsstutzig, faul, ignorant etc.), die jüngere, aber dümmere Konkurrenz (der blonde Bimbo, die brustoperierte Tussi, die jüngere Freundin des eigenen Mannes etc.), die eigenen Unzulänglichkeiten (Aussehen, technischer Unverstand etc.) Immer und immer wieder. Gibt es keine Themen außerhalb des COSMOPOLITAN bzw. SEX IN THE CITY Universums?

Als konkretes Beispiel will ich jetzt noch die Uschi Fellner anführen, ihres Zeichens frühere Chefredakteurin von WOMAN und nunmehr Chefin der Klatsch & Tratschseiten bei ÖSTERREICH. In der gestrigen Sonntagsausgabe (LIFE&STYLE, 5. November 2006) schreibt sie in ihrer Kolumne "Kein Tag wie der andere" wieder einmal ihre ach so lustigen Alltagserfahrungen auf:
Der nette Herr Besaster mit B: Sind Sie technisch auch so hochbegabt wie ich?
Meine Kinder inklusive dem Winzling – was ich fast schon als demütigend empfinde – sind technische Genies. Wie übrigens auch alle andern Kinder, die ich kenne.
[Warum schreibt sie dann "Winzling"? Weil es doch irgendwie süß ist? Kinder sind keine technischen Genies. Frauen sind einfach zu faul, um sich die Bedienung von fünf Tasten am DVD-Player oder Computer zu merken. Ein Handy haben sie ja auch mit allen 30 Zusatzfunktionen innerhalb von kürzester Zeit durchschaut. Aber da geht es ja natürlich um lebenswichtige Dinge.]
Neue Technologien jeder Ausformung werden von Kindern spielerisch bedient, während die Großen oft nur Bahnhof verstehen. Meine Kinder sind mit dem Computer aufgewachsen, im Gegensatz zu ihrer Mutter, die seit vielen Jahren täglich facettenreich mit einem dieser Geräte umgeht.
[Eine erwachsene Frau hat also, trotz wiederholter Erklärungen und Vorführungen, extreme Schwierigkeiten einen Sachverhalt zu begreifen, den ein kleines Kind durch Versuch und Irrtum herausfinden kann? Als Chefin einer der größten Redaktionen Österreichs kann sie keinen Computer bedienen?]
Der Computer und ich, das ist ein langes, graues Kapitel in meinem Leben, und der einzige Silberstreif am Horizont ist seit Jahren der nette Herr Besaster. Kein Druckfehler, er heißt so. Besaster, mit B voran. Möglich natürlich, dass es ein Künstlername ist, damit Herr Besaster seinen allseits beliebten Eröffnungssatz "Na, um welches Disaster handelt es sich diesmal?" anbringen kann.
[Wahrscheinlich habt ihr euch auch gerade vor ungebremster Heiterkeit in die Hose gemacht. Da darf man es ruhig mal so richtig laufen lassen, wenn die Uschi ganz tief in die Trickkiste des feinen Humors greift. Herr Besaster, by the way, hat natürlich einen Künstlernamen, wie die meisten Informatiker. Man möge bitte auch die subtile Ironie goutieren, dass Herr Besaster "Disaster" und nicht "Desaster" sagt, also die englische Form des Wortes vorzieht. Jetzt ist die Hose aber wirklich schon pritschelnass vor lauter Lachen tun.]
Egal, ich hoffe jedesmal, wenn Herr Besaster das sagt, dass es sich endlich einmal um ein wirkliches Desaster handelt, oder zumindest um kein Pemperl-Problem. EINMAL nur eine kleine Computer-Katastrophe, die Herrn Besaster wirklich fordert, wäre schön.
[Es sein hier, stellvertretend für den Rest der Kolumne, angemerkt, dass die Uschi ein viel größeres Problem mit der deutschen Sprache haben tut, als wo mit den Computers.]
Mein Hoffen ist natürlich sinnlos. "Was funktioniert denn nicht?", fragt Herr Besaster, setzt sich lässig vor die Tastatur und bevor ich ihm die komplizierten Zusammenhänge des Nichtfunktionierens darlegen kann, sagt er: "Ah, ich seh schon!" Drückt auf zwei Tasten, und alles ist gut. "Was war es denn?", frage ich dann interessiert, aber ehrlich gesagt, nur der Form halber. So, Herr Besaster, jetzt wissen Sie's! Ich frag Sie immer nur der Form halber, was es war, es interessiert mich nicht die Bohne. Nett wie Sie sind, wären Sie aber eh nie auf eine andere Idee gekommen, oder?"
[Abgesehen davon, dass wir uns jetzt endgültig bis aufs Kreuz angewischelt haben, bleiben ein paar Fragen offen: Sind Frauen ohne männlichen Beistand wirklich hilflos? Sind Frauen tatsächlich blöder als Kinder? Oder was soll ich aus der Kolumne lernen? Ist das jetzt echter Frauenhumor oder einfach nur sauschlechter Journalismus?]
Also ergeht meine Bitte an die treue weibliche Leserschaft: Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ihr einen wunderbaren Sinn für Humor habt. Bitte tretet bei nächster Gelegenheit selbst auf einer Bühne auf. Ich zahle liebend gerne Eintritt, um euch zu hören. Denn solange Anke Engelke und Uschi Fellner für euch Comedy machen, werdet ihr auch weiterhin bei Mittermaier, Dorfer und Co. im Publikum sitzen und Männerkabarett bzw. –comedy hören. Wann tritt endlich einmal eine Frau auf, die neuen Wind in die ohnehin schon abgewirtschaftete Comedyszene bringt?

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