Donnerstag, 25. November 2010

Rainald Grebe

Liebe Humoristen,

ein englisches Sprichwort besagt: "German humour is no laughing matter." Das ist wie viele andere Vorurteile so natürlich nicht richtig. Deutschland hat zum Beispiel ausgezeichnete politische Kabarettisten, die regelmäßig in der ZDF Satiresendung "Neues aus der Anstalt" auftreten: Urban Priol, Georg Schramm, Hagen Rether, Volker Pispers, und auch Rainald Grebe. Letzerer wurde vor ein paar Jahren durch "NightWash" einem breiteren Publikum bekannt. Während Grebe am Anfang wild herumexperimentierte und vor allem seinen Anarcho-Humor zur Schau stellte, ist der gute Mann in den letzten Jahren nicht nur immer besser geworden, sondern auch viel politischer. Als Beispiel dafür möchte ich "Der Kandidat" aus seinem Album HONGKONGKONZERT (2009) anführen, das er in der letzten Folge von "Neues aus der Anstalt" (http://anstalt.zdf.de/; 16.11.2010) zum Besten gab:



Für mich ist das ganz große Kunst, denn oberflächlich passiert hier nicht viel Tiefgründiges. Je öfter man sich das aber ansieht, desto besser versteht man, wie geschickt Grebe hier die Figur zum Leben erweckt, oft mit Kleinigkeiten. Bevor ich jetzt aber anfange oberlehrerhaft irgendetwas zu erklären, kann jeder für sich selbst rausfinden, was er oder sie davon hält.

Labels: ,

Donnerstag, 9. September 2010

Xavier Naidoo

Liebe Xavianer!

Nach Steve Jobs und der Apple-Sekte wende ich mich heute dem nächsten Heilbringer zu: Xavier Naidoo. Auf den ersten Blick scheint es da kaum Übereinstimmungen zu geben, außer dass beide dick im Entertainmentbusiness sind, mörderisch Geld schäffeln, dabei den coolen Jungen raushängen lassen und kultisch verehrt werden. Dank meines Bruders hatte ich gestern die Gelegenheit den Xavier live in Linz zu sehen. In meinen Reaktionen bin ich etwas hin- und hergerissen, deshalb präsentiere ich beide Standpunkte hintereinander:

Der treue Fan spricht:

Eigentlich habe ich mich schon seit NICHT VON DIESER WELT (1998) sehr für XN interessiert. Das war damals etwas völlig Neues. Anspruchsvolle deutsche Musik (und Kinofilme) waren vor 15 Jahren nämlich die große Ausnahme. Man könnte behaupten, dass es die deutschen Rapper (Fanta4 und Rödelheim Hartreim Projekt) waren, die deutsche Texte wieder salonfähig machten. Nicht zufällig fing Xavier bei den Rödelheimern als Backgroundsänger an und wurde auch von Moses Pelham anfangs produziert. (Das waren die Sabrina Setlur Zeiten, wenn sich noch jemand erinnert.) Kraftvolle Stimme, interessante Texte, tolle Melodien - so wurde XN schnell zum Phänomen. Mir gefiel auch die Radikalität der nächsten Doppel-LP sehr gut, besonders DISC 2: ALLES FÜR DEN HERRN (2002). Damals war ich schon einmal bei einem Live-Konzert, das mir sehr gut gefallen hat. Danach verlor ich etwas das Interesse und bin jetzt erst wieder durch das Konzert in Linz up-to-date.

Das Wetter hielt sich trotz der Ankündigung von Regen schön zurück und die Stimmung war sowohl auf der Bühne als auch davor recht gut. Der Sound war hervorragend ausbalanciert und die Band super eingespielt. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass sich XN vor allem auf diesem Gebiet sehr gesteigert hat. Mit über zwei Stunden Konzert geizte er auch nicht mit seiner Präsenz, obwohl seine Show sicher anstrengend sein muss. Eine große Überraschung war das vorwiegend junge Publikum um die 20. Ich hätte eher mit einem 30er Schnitt gerechnet. Insgesamt war der Abend sehr gelungen, auch weil er mein Lieblingslied "Sie sieht mich nicht" am Schluss noch zum Besten gab.

Der zynische Analytiker spricht:

Vor acht Jahren sang XN in "Der Herr knickt alle Bäume" noch über die Apokalypse: "Man wird vor Leichen in den Straßen auf Stelzen gehn". Da war der gute Mann noch christlicher Fundamentalist und hatte Ecken und Kanten. Gestern hampelte dann ein Gute-Laune-Apostel über die Bühne, der super bei SEEED reinpassen würde: ein bisschen Reggae, ein bisschen Bläser, ein kleines Tänzchen auf der Bühne, Friede, Freude, Eierkuchen, ... Irgendwie war ich da im falschen Film. Die Lyrics schienen vor Jahren auch schon teilweise aus dem Poesiealbum einer 15-jährigen Opus Dei Anhängerin geklaut, aber irgendwie klang das noch viel authentischer. Jetzt stellt er sich hin und singt "Alles wird besser werden". Super! Hört nicht auf zu Träumen! Wenn wir alle zusammenhalten wird alles besser! Das Beste liegt noch vor uns! Ich habe ja nichts gegen Optimismus, aber außer diesen Plattitüden kam dann nicht mehr viel. Hansi Hinterseer singt auch von den schönen Bergen und der ewigen Liebe. Wo ist da noch der Unterschied? In "Ich brauche dich" textet XN:

Ich lass deinen Namen auf meinen Rücken schreiben. Er soll bleiben.
Mit jedem Rücken brauch ich nicht an Angst und Schrecken leiden.
Ich lass deinen Namen auf meinen Rücken schreiben. Er soll bleiben.
Mit jedem Rücken brauch ich nicht an Angst und Schrecken leiden.

Ich brauche dich. Und ich tausche nicht.
Ich liebe dich. Mehr sag ich nicht.
Ich werde dich lieben, ehren.
Jeden Morgen verdank ich dir.
Und diese Liebe soll sich vermehren.
Meine Hoffnung lastet ganz auf dir.

Auf dem Niveau schreibe ich jeden Abend fünf Lieder. Während die Show musikalisch wirklich erstklassig war, fielen die Texte leider viel zu seicht aus. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass er für 15-jährige Mädels sang, denn außer Balladen und Durchhalteparolen kam da nicht viel daher. Ich verstehe schon, dass er nicht immer und überall super politisch sein kann, aber message-mäßig kam da nicht viel rüber (um es auf Neudeutsch zu sagen). Am schlimmsten war das Glaubensbekenntnis: "Sag JA zur Liebe! Sag JA zu Oberösterreich! Sag JA zu Österreich! Sag JA zu Europa! etc. Das tat echt weh. Während rund um mich die gepiercten baseballmützentragenden Vorstadt-Ghetto-Gangster alle Tränen in den Augen hatten, weil der coole X so tolle Botschaften auf Lager hatte, drängte sich mir einer meiner seltenen Arroganzanfälle auf: Kein Wunder, dass song lyrics nicht als Kunst angesehen werden, wenn da so unbedarft drauflos gereimt wird: In meinem Herzen habe ich Schmerzen. Mir ist nicht zum Scherzen. Du hast mich verlassen, ich kann es nicht fassen. Was soll ich jetzt machen? Mir ist nicht zum Lachen. Es tut weh, wenn man verliert. Wohin hab' ich mich jetzt verirrt? Davon war der gute X leider nicht allzu weit entfernt. Somit fühlte ich mich zwangsläufig an Hagen Rethers wunderbare Grönemeyer-Verarsche erinnert:
http://www.youtube.com/watch?v=qQl4R6_dEww

Zu Naidoos Verteidung möchte ich am Schluss noch hinzufügen, dass er wahrscheinlich - wie das Publikum auch - einfach einen netten Abend wollte, bei dem es um nicht viel ging außer um Ohrwürmer und greatest hits. Er weiß, was die Fans wollen, also gab er ihnen die simplen Texte, die man super mitsingen konnte. Das galt vir allem für die deutschen Texte. Sag JA zu unserer Sprache! Und jetzt alle die Hände in die Höhe! Sagt alle JA! Sagt alle NEIN! Sagt alle VIELLEICHT! Ich sage Schluss für heute.

Labels:

Dienstag, 16. Dezember 2008

Lyrics

Liebe Popbarden!

Auf meinem Kreuzzug gegen alles und jeden falle ich diesesmal über einen Bereich her, den ich in all den Jahren völlig ignoriert habe: die Popmusik. Nachdem ich nichts von Musik und doch ein klein wenig von Texten verstehe, möchte ich mich deshalb auf die Lyrics konzentrieren.

Meiner Meinung nach leiden die meisten Songtexte unter der Konvention des Refrains. Beim ersten Auftreten trägt der Text des Refrains zum Lied als Gesamtaussage bei, beim x-ten Mal aber nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Wenn nach jeder, sagen wir 8-zeiligen Strophe ein 4-zeiliger Text wiederholt werden muss, der inhaltlich invariabel die Kernaussage des Liedes wiedergibt, dann ergibt sich daraus ein Problem, das man an zahllosen Beispielen nachweisen kann. Popsongs können keine Entwicklung wiedergeben, weil der Refrain eine gewisse Situation, Stimmung oder einen Punkt in der Erzählung einfriert und durch seine ständige Wiederholung kein narratives Fortkommen erlaubt. Das führt uns schon zur ersten entscheidenden Frage: Müssen Popsongs überhaupt eine Geschichte erzählen?

Wenn ja, dann haben wir das soeben beschriebene Problem: in welcher Geschichte wird der Schluss bzw. die (moralische) Kernaussage nach jedem Absatz gebetsmühlenartig wiederholt? Das kann doch von einem erzähltechnischen Standpunkt nur ein Riesennachteil sein. In "Du entschuldige I kenn di", um ein österreichisches Beispiel zu bringen, muss Peter Cornelius arg schwindeln, um den Refrain unterzubringen, nachdem er seine Geschichte in der 2. Strophe konsequent weitererzählt hat. Da steht dann als Einleitung zum Refrain: "Und später sag i lachend no' einmal zu ihr auf der Straß'n." Hier muss der Refrain ironisiert werden, weil er sonst einfach nicht mehr passt.

Wenn nein, bleiben auch nicht viele Optionen. Entweder man dehnt das Grundgefühl bzw. die Grundsituation auf die Strophen aus oder man wird ganz schwammig. Ein Beispiel für erstere Situation ist Didos "White Flag", für zweitere Snow Patrols "Chasing Cars". Als Lied (also mit Musik) eine tolle Nummer, als Text ein Griff in die Jauchegrube:

SNOW PATROL: CHASING CARS

We'll do it all
Everything on our own
We don't need
Anything or anyone

If I lay here
If I just lay here
Would you lie with me and just forget the world?

I don't quite know
How to say how I feel
Those three words are said too much
They're not enough

If I lay here
If I just lay here
Would you lie with me and just forget the world?

Forget what we're told before we get too old
Show me a garden that's bursting into life
Let's waste time chasing cars around our heads
I need your grace to remind me, to find my own

If I lay here
If I just lay here
Would you lie with me and just forget the world?

Forget what we're told before we get too old
Show me a garden that's bursting into life
All that I am, all that I ever was
Is here in your perfect eyes, they're all I can see

I don't know where
Confused about how as well
Just know that these things will never change for us at all

If I lay here
If I just lay here
Would you lie with me and just forget the world?

Hier kommt natürlich noch die Zielgruppenorientierung dazu. Jugendliche schätzen halt das chaotische Verlorensein in der Welt und die Inszenierung des perfekten Augenblicks ohne Nachhaltigkeit.

Gut, nach all dem Gejammere, worin besteht der Ausweg? Eine Möglichkeit sehe ich darin, eine Grundsituation oder Beobachtung zu präsentieren, die komplex genug ist, um eine längere Auseinandersetzung damit zu rechtfertigen. Bad Religions "American Jesus" fällt mir spontan ein, oder Bob Dylans "With God on Our Side". Da kann man dann in jeder Strophe Aspekte herausarbeiten, die alle entscheidend zur Kernaussage beitragen und diese noch verstärken. Soll das jetzt heißen, dass Songs prinzipiell sozialkritisch sein müssen? Nicht unbedingt, denn es lassen sich auch in menschlichen Beziehungen komplexere Beobachtungen anstellen als "die Welt ist schlecht, aber deine Augen sind perfekt".

Ich glaube, dass es einige Möglichkeiten gäbe, den Fluch des Refrains zu umgehen. Erstens könnte man darauf verzichten. Zweitens könnte man mit dem Refrain Spannung erzeugen, indem er inhaltlich etwas vorwegnimmt. Die erste Strophe erzählt von zwei Menschen, die sich kennenlernen, der Refrain aber vom Tod der Frau. Huch! Was wird da noch alles passieren! Drittens könnte man den Refrain inhaltlich leicht anpassen, damit er jeweils in den Kontext der letzten Strophe passt. Viertens könnte der Refrain ironisch der Grundaussage der Strophen widersprechen. Während dort die Probleme der Welt aufgezeigt werden, findet man im Refrain sinnlose Durchhalteparolen der Politiker.

Es ist natürlich verdammt schwer gleichzeitig ein guter Musiker und Texter zu sein, aber es zahlt sich halt aus, wenn man auch in die Lyrics genug Zeit investiert. In Betty's Apartments "Spiel ohne Grenzen" hört man zum Beispiel:

Drei Inches über E-Mail,
es muss halt alles wachsen,
Wirtschaft und Ozonloch,
Egos und Tomaten.

Das ist großartige Textarbeit, weil hier auf kleinstem Raum eine Unzahl von Kontexten zusammenführt und diese gerade durch die Gegenüberstellung ironisiert werden. Die fünf Beispiele werden durch den Begriff Wachstum zusammengehalten, der sofort mit dem ökonomischen Grundsatz des notwendigen und ständigen Wachstums verknüpft wird. Das führt bereits in der ersten Zeile zu einer Ironisierung unserer gesellschaftlichen Grundhaltung zu Sex. Sex ist Hochleistungssport und somit ebenfalls dem Größer-Besser-Länger-Schneller-Prinzip unterworfen. Nur der längste und dickste Penis bringt das größte Glück auf Erden. Die Vorgaben für diese eher intimen Angelegenheiten kommen witzigerweise aus dem Internet, dem anonymsten und distanzierendsten aller Medien. Spätestens das Ozonloch führt die Theorie von der Notwendigkeit des allgemeinen und uneingeschränkten Wachstums ad absurdum. Der Verweis auf das Wachstum der Egos kommt nun der Wahrheit ein schönes Stück näher. Es geht nicht um den im Utilitarismus geforderten größtmöglichen Nutzen für die größtmögliche Zahl der Bürger, sondern um die Selbstverwirklichung ein paar weniger Egos. Die Tomaten öffnen dann noch die Debatte, dass man die Natur nicht mehr wachsen lässt, sondern dass sie gewachsen wird, wenn es nicht schnell genug geht. Ich weiß nicht, ob sich Christoph mit meiner Analyse anfreunden kann, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass diese Zeilen weit besser sind als der Großteil der Popeinheitskost.

Labels:

Mittwoch, 14. März 2007

Tinariwen

Liebe Freunde des Sahara Blues!

Letze Woche (7. März) fuhr ich extra nach Linz, um TINARIWEN live im Posthof zu sehen. TINARIWEN ("Leerer Ort") ist eine Tuareg Band aus dem Norden Malis, die in den letzten Jahren für einiges Aufsehen unter Weltmusikfans gesorgt hat. Obwohl es die Gruppe schon seit 25 Jahren gibt, begann ihre Karriere erst mit ihrem Auftritt beim alljährlichen "Festival in the Desert" in Mali 2001 und dem internationalen CD-Release THE RADIO TISDAS SESIONS (2002), das 2000 aufgenommen wurde. Darauf folgten AMASSAKOUL (2004) und erst kürzlich AMAN IMAN (2007). Das Interesse an Tuareg Musik ist im Moment so stark, dass gleich drei Gruppen gleichzeitig die Weltmusik Charts stürmen. Neben TINARIWEN sind noch TARTIT und ETRAN FINATAWA zu erwähnen, wobei letztere neben Tuareg auch Musiker vom Volk der Wodaabe zu den ihren zählen. Als Einstieg ist neben AMAN IMAN (auf "63" hört man fast Ali Farka Touré, den Bluesman Malis singen und spielen) auch INTRODUCING ETRAN FINATAWA (2006) zu empfehlen. TARTIT sind ein wenig gewöhnungsbedürftig. Wenn wir schon bei ALI FARKA TOURÉ sind: unbedingt in TALKING TIMBUKTU und SAVANE reinhören.

Jedenfalls machte ich einen kurzen Zwischenstopp bei den Eltern, um erstens HALLO zu sagen und zweitens die Karre auszuleihen. Um die reservierte Karte rechtzeitig um halb acht abzuholen, stieg ich pünktlich um viertel nach sieben ins Auto und ließ den Motor an. Man kennt doch dieses wohlbekannte Geräusch, wenn der Motor ewig vor sich hin stottert, bevor er dann endlich anspringt. Nun, darüber wäre ich ja heilfroh gewesen. In Wirklichkeit leuchteten kurz die Lichtlein auf und dann war gar nichts. Niente. Ofen aus. Um die Altvorderen nicht zu beunruhigen, hielt ich den Tod ihres Gefährts vorübergehend noch geheim und eilte stattdessen zur Bushaltestelle. Dieser kam erstaunlich schnell und auch der Umstieg in den nächsten klappte wie geschmiert und ohne größere Verzögerung. Um viertel vor acht betrat ich den Posthof und wunderte mich erst mal darüber, dass niemand da war. An der Kassa kam ich gleich dran und erhielt problemlos meine Karte. Wahrscheinlich waren sie alle schon drinnen. Also begab ich mich in den Mittleren Saal, wo gerade mal 5 Fans planlos herumstanden. Oh shit, das wird aber super peinlich werden, wenn niemand kommt. Österreich ist nun mal kein Land der Weltmusik. Selbst wenn Youssou N'Dour aufkreuzte, kämen nicht mehr als 200 Leute. Doch dann begann die Invasion: Innerhalb von 10 Minuten kamen 130 Leute und der Saal war fast voll. Witzigerweise handelte es sich großteils um Leute um die 50, also Fans der großen alten Gitarrenbands. Das passt auch irgendwie zusammen, weil TINARIWEN von denen beeinflusst wurde.
Das Konzert fing mit einer eher ungewöhnlichen akustischen Singer-Songwriter Nummer des Bandleaders Ibrahim Ag Alhabib an. Die Begeisterung war endenwollend. Dann kamen die anderen Musiker nach. Es dauerte etwa drei bis vier Nummern bis die Band eingespielt war und das Publikum in die Musik reinkam. Schließlich trafen wir uns alle auf halbem Weg: TINARIWEN wurde bluesiger bzw. rockiger und das Publikum verfiel zunehmend der Musik. Ich kann es sehr gut verstehen, wenn manche mit den CDs Probleme haben, aber LIVE funktioniert es früher oder später für jeden.
TINARIWEN ist in erster Linie ein ganz bestimmter Sound bzw. Groove, den man mögen muss. Die Variationen von Nummer zu Nummer sind minimal und für den ungeübten Hörer nicht existent. Man könnte auch sagen, dass alles gleich klingt. Selbst ich, der ich die CDs gut kannte, hätte am Schluss schwören können, dass sie gewisse Hits doppelt gespielt haben. Wie gesagt, es dauert eine Zeit lang, bis man die Musik annehmen kann, wie sie ist, aber dann ist es großartig und man kann sich locker zwei Stunden darin verlieren. So lange spielten sie nämlich fast. Auf dem Nachhauseweg war ich dann sehr glücklich, dass ich mich aufgerafft hatte.

Einige brauchbare Links:
http://www.tinariwen.com/
http://www.myspace.com/tinariwen
http://www.youtube.com/profile?user=tinariwen
http://en.wikipedia.org/wiki/Tinariwen
http://en.wikipedia.org/wiki/Tuareg

Labels:

Freitag, 12. Jänner 2007

Weihnachtsindianer

Liebe Freunde der Panflöte!

Im Zuge meiner psychotherapeutischen Aufarbeitung der Weihnachtsfeiertage wende ich mich einer weiteren Tradition zu, ohne die die Adventszeit nicht mehr denkbar wäre. Geht man am letzten Einkaufssamstag sinnend durch die Gassen, tönt es laut von fern und nah: "Quetzalcoatl ist da, Quetzalcoatl ist da." An jeder Straßenecke steht Häuptling Klein Adlerauge mit seiner Combo und nimmt die verzauberten Weihnachtsshopper auf einen Rundflug über die Anden mit. Diese Latino Sternsinger sind längst schon in die Profiliga der Weihnachtsunterhaltung aufgestiegen: Der dezente Poncho wurde wohlweislich im Kleiderkasten hängen gelassen und stattdessen trägt der moderne Stadtindianer enge Lederfummel, Tierfelle, rote Kriegsbemalung und Federschmuck. Während bei den anderen Passanten endlich Weihnachtsstimmung aufkommt, plagt sich unsereiner mit der geografischen Zuordnung ab: Sind das jetzt Süd-, Mittel- oder Nordamerikaner? Während Panflöte und Muschelrassel eher Andenbewohner vermuten lassen, ist die Federhaube ein deutliches Signal für Häuptling Sitting Down, den großen Anführer der Hatschipratschis, die auf ihren gefürchteten Kriegsponys verängstigte weiße Siedler in der Prärie überfielen. Auch egal. Während also EL CONDOR PASA aus den Lautsprecherboxen dröhnt und ein paar begeisterte Zuhörer zu den semiprofessionellen CDs greifen, weil sie für die Tante Traudl noch immer kein Geschenk haben, fällt plötzlich der ganze kritische Zynismus von einem ab. Man schließt die Augen und entschwebt in höhere Sphären. Endlich ist man bei Weihnachten angekommen.

Labels:

Dienstag, 17. Jänner 2006

Die Dauerdröhnung

Liebe Kopfhörer!

Wie ich stehen und sitzen allmorgendlich unzählige Jugendliche - aber auch Erwachsene - im Bus rum und lauschen den Wohlklängen aus ihren aufgemotzten I-Pods. Dagegen ist ja prinzipiell nichts einzuwenden, denn der Alltag ist grau genug, die Busfahrt lang und öde und die anderen namenlose Gesichter in der Menge. Da braucht man einfach die wohlvertrauten Klänge aus der privaten Jukebox, die einen stimmungsmäßig aus dem Tief reißen, Energie spenden und einer ansonst sinnlosen Anreise etwas Farbe verleihen. Der Tag ist meist zugeplant und so hat man wenigstens im Bus die Gelegenheit, sich die musikalischen Neuerwerbungen in Ruhe reinzuziehen. Am besten man setzt sich die Kopfhörer gleich zu Hause auf und nimmt sie erst direkt vor dem Ziel wieder runter, damit man ein, zwei Nummern mehr hören kann. Auf dem Rückweg ist es noch besser: Da kann man sie gleich aufbehalten. Der Player wandert von der Jacken- in die Hosentasche und schon geht's weiter.
Der Griff zum Player wird zum Automatismus. Man schließt die Wohnungstür ab und die Hand wandert bereits wie von selbst in die Innentasche der Jacke. Früher nützte ich oft kürzere und längere Wege um mir über gewisse Dinge klar zu werden, aber jetzt neble ich mich mit Musik ein. Damit ist man immer leicht auf Drogen und die Gedanken verlieren sich auf sehr angenehme Weise im Nichts.
In der Arbeit sitzt man vor dem Computer, privat vor dem Fernseher oder Laptop und auf den wenigen Strecken, die durch die Stadt führen, zieht man sich in seine musikalische Alternativwelt zurück. Der Input ist stets virtuell und maschinell. Ich erspare mir hier ein Plädoyer für mehr soziale Kontakte und setze mir lieber die Kopfhörer auf.

Labels:

Mittwoch, 30. November 2005

Beginner's Guide to World Music

Liebe Musikologen!

World Music wurde am Montag, dem 29 Juni 1987 um 7 Uhr abends im Empress Of Russia in St. John Street, Islington (London), erfunden. Zumindest lässt sich das von der Bezeichnung behaupten, unter der seitdem kubanischer Son, kapverdische Mornas oder Gumbe aus Guinea-Bissau verkauft werden. Dieses Treffen der wichtigsten Vertreter des World Music Business (World Circuit, GlobeStyle, Sterns oder Hannibal - damals noch kleine Labels) war von einem zentralen Problem bestimmt. Als Paul Simon 1986 GRACELAND veröffentlichte (mit 14 Millionen verkauften Tonträgern einer der größten Erfolge im Weltmusikbereich), war im Plattenladen noch alles klar: die stellen wir unter S wie Simon gleich mal neben SOUND OF SILENCE auf. Als ein Jahr später Ladysmith Black Mambazo's SHAKA ZULU folgte, das Paul Simon für seinen südafrikanischen GRACELAND-Chor produzierte, sah die Sache schon anders aus. Wo sollen wir dat denn nun hinstellen? Pop ist es ja nicht und Rock schon gar nicht. Da blieb wohl nur F wie Verschiedenes. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten etablierte sich das neue Genre mit Bestsellern wie Mory Kantés AKWABA BEACH oder Salif Keitas SORO (beide 1987, millionenfach verkauft und heute nur schwer erträglich) sehr schnell.
Dass man heute AKWABA BEACH oder SORO nicht mehr auf heavy rotation laufen hat, liegt vor allem daran, dass es sich bei World Music oft nicht um echte roots music handelt, sondern um fusion music. Deshalb ist AKWABA BEACH als 80er Jahre Dancefloor Album sehr weit von originärer westafrikanischer Musik entfernt. Kanté spielt darauf zwar Kora, aber ansonsten ist außer seiner Stimme wenig Afrkanisches zu hören. Auf N'DIARABI (1981) war er noch näher an den Wurzeln dran, wenn auch hier Keyboard und Synthesizer dominieren - die 80er eben. Es ist bezeichnend, dass sowohl Kanté mit SABOU (2004) und Salif Keita mit MOFFOU (2002) und M'BEMBA (2005) zu ihren akustischen Wurzeln zurückgekehrt sind.
Für den Laien ist Weltmusik kaum durchschaubar, weil hier tatsächlich dutzende Musikstile aus der ganzen Welt zusammengefasst werden und zweitens die CD-Läden im deutschsprachigen Raum zwar ein Regal mit der Aufschrift WORLD MUSIC stehen haben, dort aber nur drittklassige Sampler zu finden sind. Wer sich einen Überblick verschaffen will, sollte das britische Magazin SONGLINES lesen und sich Simon Broughton's THE ROUGH GUIDE TO WORLD MUSIC (ca. 1400 Seiten) anschaffen. Da hat man dann ein Leben lang etwas zu tun.
Zum Schluss möchte ich noch ein paar hervorragende Alben aus Westafrika vorstellen, damit ihr euch nicht durch Berge von CDs hören müsst (so wie ich).

1) Rokia Traoré: BOWMBOI (2003)
Rokia Traoré (geb. 1973) zählt neben Oumou Sangaré und Kandia Kouyaté zu den drei bedeutendsten Sängerinnen Malis. Ihr Debütalbum MOUNEISSA (1998) schlug wie eine Bombe ein. Radio France Internationale wählte sie zur "African Discovery of the Year". Ihr zweites Album WANITA (2000) wurde von den Lesern des fROOTS Magazins (gleich nach SONGLINES die wichtigste World Music Publikation) zum "Album of the Year" bestimmt. BOWMBOI (2003) ist musikalisch minimalistisch. Es kommt mit n'goni, balaba (großes balafon) und percussions aus. Auf zwei Tracks ist das Kronos Quartett mit dabei. Das ganze Album lebt ausschließlich von Traorés außergewöhnlicher Stimme. Anspieltipps: "Sara" und "Déli". Unbedingt aktiv zuhören. Es lohnt sich!
P.S. Rokia Traoré ist auf Ballaké Sissokos hervorragendem Kora-Album TOMORA (2005) mit "Niman Don" vertreten.

2) Ali Farka Touré & Toumani Diabaté: IN THE HEART OF THE MOON (2005)
Was soll man da noch sagen? Wahrscheinlich eines der besten Instrumentalalben im World Music Sektor ... ever. Touré, der Bluesman Malis, und Diabaté, ein begnadeter Koraspieler, haben nach zahlreichen Kooperationen mit anderen Musikern (Touré mit Ry Cooder auf TALKING TIMBUKTU oder Diabaté mit Ketama auf SONGHAI 1+2) endlich zueinander gefunden. Außer ein paar supporting musicians (z.B. Orlando "Cachaíto" Lopez) hört man nur Tourés Gitarre und Diabatés Kora - und das auf Weltklasseniveau. Unbedingt kaufen!

3) Daby Balde: INTRODUCING DABY BALDE (2005)
Wenn man von senegalesischer Musik spricht, hört man immer die selben Namen: Baaba Maal, Youssou N'Dour, Cheikh Lo (neues Album LAMP FALL ist mehr als empfehlenswert!), Ismael Lo, oder Thione Seck. Mit Moutarou "Daby" Balde taucht nun plötzlich ein neuer Künstler auf, von dem Charlie Gillett, der Roger Ebert der Weltmusik, einfach so mal behauptet: "... this is his first international release and it could soon put him in the first division of the world’s great male singers." Spinnt er jetzt, der Charlie? "Introducing Daby Balde is so astonishingly good, I keep listening again to make sure I’m not exaggerating or misrepresenting it." Da wird man natürlich neugierig. Akkordeon, Saxophon, Violine - wie soll das denn zu E-Gitarre und Kora passen? Astonishingly well. Charlie Gillett lag schon manchmal daneben, aber nicht mit dieser Empfehlung. Hier passt einfach alles zusammen. Man kann gar nicht glauben, dass so etwas auf einem Debütalbum möglich ist. Anspieltipp: "Sora".

Labels:

Montag, 7. November 2005

Santa Maria

Liebe Schlagerfans!

Ich spreche wahrscheinlich für uns alle, wenn ich mich über die menschenverachtende Engstirnigkeit beklage, mit der viele Menschen über unsere geliebte Musik herziehen. Ständig wird den Künstlern der Schlagermusik unterstellt, dass die Texte banal seien und die Melodien nicht über die Komplexität von Kinderliedern hinausgingen. Dagegen muss ich mich entschieden wehren! Deshalb möchte ich heute einen der größten Triumphe der Schlagermusik auf Herz und Nieren prüfen und Wortgewalt wie philosophischen Tiefgang dieses Meisterwerks im Detail aufzeigen. Roland Kaisers "Santa Maria" hielt sich 1980 unglaubliche fünf Wochen auf Platz 1 der deutschen Hitparade und darf deshalb als Klassiker auf seinem Gebiet gelten. Aber nun zum Text:

SANTA MARIA

Santa Maria, Insel, die aus Träumen geboren,
ich hab' meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt.
Santa Maria, nachts an deinen schneeweißen Stränden
hielt ich ihre Jugend in den Händen,
Glück, für das man keinen Namen kennt.

Santa Maria, die drittgrößte und geologisch älteste Insel der Azoren, liegt 55 Meilen südlich der Hauptinsel Sao Miguel. Die Azoren wiederum liegen 1000 km nordwestlich der Kanarischen Inseln im Atlantischen Ozean. Das Archipel wurde 1427 von den Portugiesen entdeckt und gehört seitdem zu Portugal, wenn auch mittlerweile durch ein eigenes Parlament die Autonomie der Inselgruppe (1976) großteils sichergestellt ist.
Der Ich-Erzähler bezieht sich bewusst auf Fragestellungen der postmodernen Philosophie, vor allem aber auf die Unwirklichkeit ("Insel, die aus Träumen geboren") und Unbeschreiblichkeit der Realität ("Glück, für das man keinen Namen kennt"). Gefangen im eigenen Diskurs versucht das postmoderne Subjekt vergeblich Erfahrungen in adäquate verbale Artefakte zu verwandeln. Die Ausgeliefertheit den eigenen Gefühlen gegenüber ("ich hab' meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt") übt versteckte Kritik am Diktat der Rationalität.
Auf subtile Weise führt der Erzähler das Gegenüber ein: im Possessivpronomen "ihre" wird die Präsenz einer weiteren Figur vorweggenommen, die hier nur mit Jugendlichkeit in Verbindung gebracht wird. Dies eröffnet einen Reigen von Gegensätzlichkeiten, der wesentlich zum Spannungsbogen des ganzen Liedes beiträgt. Nun aber zur zweiten Strophe:

Sie war ein Kind der Sonne, schön wie ein erwachender Morgen.
Heiß war ihr stolzer Blick, und tief in ihrem Inner'n verborgen
brannte die Sehnsucht,
Santa Maria, den Schritt zu wagen, Santa Maria,
vom Mädchen bis zur Frau.

Bereits hier erreicht der Text seinen komplexen Höhepunkt. Mit "Kind" greift der Erzähler das Thema Jugend wieder auf und führt es im Kontrast Mädchen-Frau weiter. Gleichzeitig wird hier eine Entwicklung skizziert: Die junge Frau befindet sich in einer Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt. Für diese kritischen Entwicklungsschritte im Leben eines jeden Menschen hat die Sozialanthropologie den Begriff "liminale Existenz" geprägt. Natürlich ist diese Grauzone zwischen zwei sozial klar definierten Positionen mit Risiken und Unsicherheiten verbunden ("den Schritt zu wagen"). Dies drückt sich sehr schön im Konflikt zwischen äußerem Gehabe ("stolzer Blick") und innerer Befindlichkeit ("brannte die Sehnsucht") aus.
Bemerkenswert ist auch die Ambiguität, die in der zweifachen Nennung des Inselnamens "Santa Maria" zum Ausdruck kommt. Da sich die Strophe eindeutig und ausschließlich mit der jungen Frau befasst, müssen wir davon ausgehen, dass sich "Santa Maria" in diesem Fall auf das Mädchen bezieht. Dies ist von entscheidender Bedeutung. Die Einwohner der Azoren sind zu 97% katholisch und gelten als besonders religiös. Die Insel trägt also nicht zufällig den Namen der heiligen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Durch die Übertragung der Attribute Marias (Jungfräulichkeit, Reinheit) auf das Mädchen, wird die grundlegende Spannung des Liedes um die religiöse Dimension erweitert. Die Figuren führen, wie bereits erwähnt, eine Schwellenexistenz zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Rationalität und Gefühlen, zwischen Selbstbeherrschung und wildem Ausleben. Dies führt uns zur dritten Strophe:

Santa Maria, Insel, die aus Träumen geboren,
ich hab' meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt.
Santa Maria, ihre Wildheit ließ mich erleben,
mit ihr auf bunten Flügeln entschweben
in ein fernes, unbekanntes Land.

In der bedingungslosen Auskostung junger Liebe gelingt den beiden die Flucht in eine Traumwelt abseits moralischer Engstirnigkeit. In Ermangelung eines besseren Ausdrucks möchte ich diesen Zustand der totalen Losgelöstheit mit "Flow" bezeichnen, einen Begriff, den Mihaly Csikszentmihalyi in "Flow: The Psychology of Optimal Experience" (HarperPerennial, 1991), besonders im Kapitel 5, "The Body in Flow" (S. 94-116), im Bezug auf körperliche Erfahrungen näher ausführt. Dies kommt in der ersten Zeile der vierten Strophe besonders deutlich zum Ausdruck:

Wehrlos trieb ich dahin, im Zauber ihres Lächelns gefangen.
Doch als der Tag erwacht', sah ich die Tränen auf ihren Wangen,
Morgen hieß Abschied.
Santa Maria, und meine Heimat, Santa Maria, war so unendlich weit...

Das Glück nimmt ein jähes Ende. Mit der bevorstehenden Abreise stürzt die Welt der Illusionen in sich zusammen. Die Realität holt das junge Paar ein und erzwingt nach einer Nacht physischer Nähe die unausweichliche Trennung. Hier wird die Ausgeliefertheit des Menschen an externe Umstände thematisiert, die den einzelnen in ein Korsett aus Zwängen und Pflichten schnüren.
Mit der erneuten Nennung des Namens wird das ambigue Spiel fortgesetzt. Wird hier das Mädchen angesprochen? Nennt der bereits zurückgekehrte Gast die Insel seine (seelische) Heimat?

Santa Maria, Insel, die aus Träumen geboren,
ich hab' meine Sinne verloren, in dem Fieber, das wie Feuer brennt.
Santa Maria, niemals mehr hab' ich so empfunden,
wie im Rausch der nächtlichen Stunden,
die Erinn'rung, sie wird nie vergeh'n.

Hier wird die Unwiederbringlichkeit menschlicher Erfahrung auf drastische Weise vor Augen geführt. Das perfekte Glück ist flüchtig und kann nur in der Erinnerung dauerhaft bestehen.

Ich hoffe sehr, dass mit dieser Analyse die Komplexität und philosophische Verankerung moderner Schlagertexte deutlich wird. Bevor sich das nächste Mal ein Kritiker zu einem weiteren oberflächlichen Pauschalurteil hinreißen lässt, sollte er sich lieber die Mühe machen und genau hinsehen. Es lohnt sich!

Labels:

Mittwoch, 20. April 2005

Johann Gambolputty

Liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung!

Woher kennt der Anglist Nürnberg? Natürlich aus der sechsten Folge von Monty Python's Flying Circus:

Beethoven, Mozart, Chopin, Liszt, Brahms, Panties ... I'm sorry ... Schumann, Schubert, Mendelssohn and Bach. Names that will live for ever. But there is one composer whose name is never included with the greats. Why is it that the world never remembered the name of Johann Gambolputty de von Ausfern-schplenden-schlitter-crasscrenbon-fried-digger-dingle-dangle-dongle-dungle-burstein-von-knacker-thrasher-apple-banger-horowitz-ticolensic-grander-knotty-spelltinkle-grandlich-grumblemeyer-spelterwasser-kurstlich-himbleeisen-bahnwagen-gutenabend-bitte-ein-nürnburger-bratwustle-gerspurten-mitz-weimache-luber-hundsfut-gumberaber-shönendanker-kalbsfleisch-mittler-aucher von Hautkopft of Ulm.
Wer den Namen auswendig lernt und ohne Fehler aufsagen kann, bekommt ein handsigniertes Himbleeisen. Jedenfalls war ich in der Metropole der Lebkuchen und Bratwürste, um meine LieblingsKubanischeHipHopFormation Orishas live zu sehen. Im Veranstaltungsgelände HIRSCH, einer adaptierten KFZ-Werkstätte (if I'm not much mistaken) ging es dann ab 21 Uhr ordentlich zur Sache. Offensichtlich war die Veranstaltung als HipHop-Event promotet worden, denn als die Besucher herbeiströmten, sagte der Veranstalter zur Security: Drausse steh'n a por Räbbä. Soll'n wa se reilosse? (Das habe ich natürlich jetzt frei erfunden. Aber was tut man nicht alles, um einen genialen Otto-Scherz zu recyclen.) Jedenfalls ging mir das übliche Weltmusikpublikum mit Rasta, Pali-Tuch, Sportzigarette, Jonglierbällen, lila-grünen Klamotten, Babytragetüchern samt Nachwuchs, Hanfartikeln und Sandalen ab.
Das Konzert war, kurz gesagt, die lange Fahrt (insgesamt 7 Stunden im Auto) auf jeden Fall wert. Die Jungs brauchten ein paar Lieder, um richtig loszulegen, und die Tontechnik, um die Mikrofone richtig einzustellen, aber dann wurde es richtig fein. Ich bin ja sonst kein Riesenfan von Liveauftritten, aber dieser hier hat mich wieder überzeugt. Orishas sind im deutschsprachigen Raum noch nicht so bekannt, wie sie es eigentlich verdienen würden, und singen deshalb vor ein paar hundert Fans. Diese Clubatmosphäre ist mir wesentlich lieber, als ein Stadion oder Festival mit ein paar tausend Menschen. Der langen Rede kurzer Sinn: Gehet raus und probehöret die drei CDs. Ihr werdet nicht enttäuscht sein.

Labels:

Dienstag, 19. April 2005

Orishas

Liebe Buschtrommler!

Es lässt sich relativ leicht sagen, seit wann ich Weltmusik höre. Als ich seinerzeit Dead Man Walking vor 10 Jahren im Kino sah, war ich unter anderem vom Soundtrack schwer beeindruckt. Bei nächster Gelegenheit legte ich mir diesen zu und kam so zur Musik Nusrat Fateh Ali Khans, eines absoluten Superstars im Bereich der Weltmusik. Nachdem mich dessen Sufigesänge (Quawwali) nicht wie meine unmittelbare Umgebung abschreckten (mein Bruder ist ein Spätbekehrter), suchte ich weiter und fand eine große Zahl anderer interessanter Künstler: Ali Farka Toure, Toumani Diabate, Cesaria Evora, Eliades Ochoa, Ladysmith Black Mambazo, Miriam Makeba, etc. Bei Bedarf kann ich einmal ein paar Alben empfehlen.
Eine meiner letzten Entdeckungen ist Orishas, eine Gruppe von mittlerweile nur mehr drei Franzosen kubanischer Abstammung, die im Wesentlichen kubanischen HipHop machen und somit musikalisch sehr an den Buena Vista Social Club (Hit: Chan Chan), konzeptionell aber an Delinquent Habits erinnern, die ein Crossover aus mexikanischem Mariachi und US-amerikanischer Rapmusik praktizieren (Hit: Tres Delinquentes). Orishas haben soeben ihr drittes Studioalbum herausgebracht, das nach dem härteren und mehr am Rap orientierten zweiten Album (my favourite) wieder zu den Wurzeln des erstens zurückkehrt. Diese Burschen treten heute in Nürnberg auf und Obi-Wan muss da live dabei sein. Ich habe deshalb eigens Urlaub genommen und bin schon am Sonntag nach Linz gedüst, weil wir heute von hier aus aufbrechen. Ohne eigenen Internetanschluss kann ich im Moment gerade mal meine eigenen Einträge posten, nicht aber auf eure antworten. Morgen bin ich dann wieder voll präsent und werde euch vom Konzert berichten. Bis denn.

Labels:

Freitag, 15. April 2005

Sie marschieren wieder

Liebe Freunde der Blasmusik!

Eine meiner Lieblingsgeschichten ist ja, dass irgendwo auf dieser Welt ein wissenschaftlicher Aufsatz existiert, der den vielversprechenden Titel "Nationalsozialistische Inszenierungstechniken im Musikantenstadl" trägt. Danach kommt auf der Liste der Toptitel gleich "Metaphern des Kalten Krieges im DDR Western".
Nachdem Caroline Reiber, die deutsche Antwort auf Karl Moik, wegen Altersdemenz aus dem Rennen ging, folgte ihr sofort Carmen Nebel nach, die zumindest einen programmatischen Nachnamen aufzuweisen hat. Karl Moiks unbändiger Stolz auf sein Lebenswerk qualifiziert ihn als Überzeugungswähler des BZÖ. Moik und Haider liegt ja nichts mehr am Herzen als das Seelenheil des kleinen Mannes. Während der erste sich an seinem ungebrochenen Erfolg permanent aufgeilt und in jeder Talkshow prahlt, wie völkerverbindend seine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners nicht sei, muss der andere jetzt wieder um jeden Kleingeist in dieser Republik kämpfen. Es gibt auf dieser Welt ja nichts das potentiell mehr verblödet als Fernsehen, Sport und Musik. Deshalb lassen die Amerikaner ja auch vor der Übertragung des Superbowl-Spiels Mariah Carey singen.
Vielleicht darf ich hier zum Abschluss noch aus "Die Ursache" von Thomas Bernhard zitieren:
"Ich hatte nie die Lust am Betreiben irgendeines Sports gehabt, ja ich habe den Sport immer gehaßt, und ich hasse den Sport heute noch. Dem Sport ist zu allen Zeiten und vor allem von allen Regierungen aus gutem Grund immer die größte Bedeutung beigemessen worden, er unterhält und benebelt und verdummt die Massen, und vor allem die Diktaturen wissen, warum sie immer und in jedem Fall für den Sport sind.
Wer für den Sport ist, hat die Massen auf seiner Seite, wer für die Kultur ist, hat sie gegen sich, hat mein Großvater gesagt, deshalb sind immer alle Regierungen für den Sport und gegen die Kultur. Wie jede Diktatur ist auch die nationalsozialistische über den Massensport mächtig und beinahe weltbeherrschend geworden. In allen Staaten sind zu allen Zeiten die Massen durch den Sport gegängelt worden, so klein und so unbedeutend kann kein Staat sein, daß er nicht alles für den Sport opfert." Siehe Österreich.

Labels: