CSI Miami
Liebe Krimifans!
Gestern sah ich mich aus reiner Höflichkeit gezwungen, die Folge "Würgemale" der Erfolgsserie CSI Miami auf ORF 1 mitzuverfolgen. Ich könnte jetzt völlig undifferenziert behaupten, dass es sich bei dieser Produktion um reinen Müll handelt und jeder überzeugte Fan sofort in die Geschlossene gehört, aber das würde dem Primat der Fairness widersprechen. Also präsentiere ich hier Argumente, zu denen man dann konkret Stellung nehmen kann. Des weiteren möchte ich ergründen, warum sich gerade weibliche ZuseherInnen und Zuseheressen so dafür begeistern können.
Wenn man Frauen nach einer Definition von Realismus fragen würde, käme unterm Strich raus: Wenn's in der Zeitung steht, ist es auch realistisch. Wahr ist, was real ist. CSI Miami ist deshalb besonders nah am Leben dran: Drogen, Prostitution, Mord, Erpressung, Perversion - kurz gesagt alles, womit sich die Frau von heute so rumschlagen muss (siehe Desperate Housewives). Tatsache ist, dass es keine andere Serie gibt, die in Bezug auf Handlung und Inszenierung konstruierter, steriler, und artifizieller wirkt als CSI Miami. So wie Bruckheimer seine Hollywood Blockbuster inszeniert, wird auch hier am Reißbrett mit Schablonen gearbeitet: Es ist völlig egal, ob jemand eine Hauptrolle oder eine Leiche spielt: alle wirken sie gleichermaßen unterkühlt, erkaltet, oder - im konkreten Fall - eingefroren, denn nur so wird man der raschen Zersetzung Herr. Genau genommen ist die Serie ja eine Diaschau, die von irrwitzigen Actionszenen unterbrochen wird, um dem leblosen Spiel den Anschein von Animation zu geben. Nach der spastisch inszenierten Ankunft eines Täters - der Ruckelstil scheint ein Markenzeichen der Serie zu sein-, verfolgt die Kamera die aus der ausgeschütteten Flüssigkeit aufsteigenden (und eigentlich unsichtbaren) Giftdämpfe in das Gehäuse eines Rekorders, in dem sich eine Kassette befindet, deren Tonband durch diese in Windeseile aufgelöst wird. Eine ännlich aufregende Kamerafahrt gibt es auch noch über das Gebiss des Opfers hinweg, wo dann der noch nicht durchgebrochene Weisheitszahn am Ende des Zahnbogens innerhalb des Zahnfleischs plötzlich sichtbar gemacht wird. Dies illustriert die soeben gemachte Feststellung, dass die junge Frau noch keine 18 ist, da ihre Weisheitszähne noch nicht durchgebrochen sind. Für das (amerikanische) Publikum geht man eben auf Nummer sicher. Im Prinzip ist CSI Miami nichts weiter als eine aufgepeppte Version von Derrick.
Krimis präsentieren die perfidesten Fantasiewelten überhaupt, denn sie gaukeln ständig Logik und Realismus vor. Die vom Zuschauer schlüssig nachvollziehbare Scheinkomplexität der Tataufklärung täuscht über die Tatsache hinweg, dass die Charaktere eindimensional sind (der böse Pornoproduzent, der üble Nachtclubbesitzer, die rachsüchtige betrogene Ehefrau, der perverse Einzelgänger etc.), die Zufälle fürchterlich konstruiert wirken (den Mitschnitt eines Gesprächs nicht gelöscht, DNA-Spuren am Tatort hinterlassen, viel Geld auf ein Konto überwiesen etc.) und die pünktliche Lösung aller Fälle nach exakt 40 Minuten mit Realismus rein gar nichts zu tun hat. Am Schluss schaltet man mit der Gewissheit ab, dass die Welt doch in Ordnung ist und die christlichen Werte der braven Mittelschicht immer Bestand haben.
Die Verbrechen und die zahllosen finsteren Gestalten aus der Unterwelt täuschen eben über die Tatsache hinweg, dass Krimis eigentlich furchtbar bieder sind. Wenn am Schluss das Pornostarlet den wackeren Polizisten schüchtern zum Date bittet, weil dieser - selbstlos wie er ist - das arme Mädel vor ein paar aufdringlichen Fans im Park geschützt hatte, möchte man vor Rührung fast auf die Bildröhre kotzen. Horatio, der Star der Truppe und Rivale seines unmittelbar Vorgesetzten, rät diesem, der noch dazu das Herz seiner angebeteten Kollegin für sich gewonnen hat, ihr keinen Champagner zu kredenzen, weil sie den eigentlich hasst und nur aus Höflichkeit trinken würde. Zu Recht fragt da der Boss: "Warum hast du mir das jetzt gesagt?" Da antwortet der selbstlose Held: "Weil ich will, dass sie glücklich ist." Dann geht er in den Leichenkühlraum, stützt den schweren Kopf auf die Hände und erträgt tapfer den Weltschmerz, während der Faserschmeichlersoundtrack auch noch dem letzten Idioten klar macht, dass das jetzt eine emotionale Szene ist, die jedem fühlenden Menschen die Gänsehaut über den ganzen Körper jagen müsste. Kotz, die zweite.
Baywatch und Charmed sind auch fürchterliche Serien, aber sie nehmen sich wenigstens selber nicht ernst. CSI Miami trieft hingegen vor Pathos. Am Schluss also meine Frage: Was macht den Reiz dieser Serie aus?
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